"Unbekannter Mechanismus": Klimafreundliche Lava-Düngung
Nach Vulkanausbrüchen wird im Meer viel Kohlenstoff gebunden. Doch der dafür nötige Nährstoff ist in der Lava gar nicht enthalten. Forscher haben eine Theorie.
Ein Vulkanausbruch auf Hawaii hat Forscher auf eine bislang unbekannte Ursache von Planktonblüten gebracht. Der Ausbruch des Kilauea auf der Hauptinsel des Archipels ging im Sommer 2018 mit einer massiven Blüte von Phytoplankton einher, die das Meer grün färbte. Die Ursache erläutern Forscher um Samuel Wilson von der University of Hawaii at Manoa im Fachblatt „Science“. Dieser Prozess könnte nach Ansicht von Fachleuten die Folgen solcher Vulkanausbrüche für das Klima deutlich dämpfen.
Wachsende Insel, wachsende Algen
Der Kilauea ist keine 1250 Meter hoch, zählt aber zu den aktivsten Vulkanen der Erde. Im April 2018 brach er erneut aus. Vom 3. Juni bis zum 6. August flossen den Forschern zufolge pro Sekunde 50 bis 100 Kubikmeter Lava ins Meer und ließen die Insel im Südosten um 3,5 Quadratkilometer wachsen. Bilder zeigen Dutzende weiß aufsteigende Dampfsäulen an jenen Stellen, an denen die Lavaströme ins Meer fließen.
Schon drei Tage nach dem Eindringen der Lava ins Meer färbte sich das Wasser grün. Ursache waren hohe Konzentrationen des Farbstoffs Chlorophyll, der von Massen von Algen im Zuge einer massiven Phytoplanktonblüte produziert wurde. In den folgenden Wochen dehnte sich diese grüne Zone Hunderte Kilometer entlang der Meeresströmung aus. Nach dem Ende des Lavaflusses am 6. August verschwand die Färbung binnen einer Woche. Bis dahin hatte der Vulkan 0,8 Kubikkilometer Lava ausgestoßen.
Heiße Lava als Nitratpumpe?
Während der Eruption starteten die Forscher eine Expedition, um die genaue Ursache der Planktonblüte zu ermitteln. In dem eigentlich nährstoffarmen Wasser fanden sie zwar erhöhte Werte von Spurenmetallen, Seltenen Erden und anorganischen Nährstoffen, wie sie in der Lava vorkommen. Rätselhaft waren jedoch hohe Nitratwerte, die nicht von dem Gestein stammen konnten.
Analysen des Phytoplanktons deuteten darauf hin, dass gerade dieses Nitrat eine Schlüsselrolle bei der Blüte spielte. „Auch wenn es klare Belege für die biologische Bedeutung hoher Nitratkonzentrationen im von der Lava beeinflussten Wasser gab, war die Quelle der Nitratzufuhr nicht klar“, schreibt das Team. Nach ihren Analysen gehen die Forscher von einem indirekten Effekt der Lava aus: Sie sank vor der extrem steil abfallenden Küste Hunderte Meter – stellenweise bis zu 725 Meter – in die Tiefe. Dort habe sie das kalte Wasser erwärmt und so einen starken Aufstrom von nitratreichem Tiefenwasser erzeugt, das dann die Planktonblüte angekurbelt habe. Dafür sprechen unter anderem die in dem Wasser gefundenen Stickstoff- und Sauerstoff-Isotope.
Kohlendioxid-Emission und Kohlenstoff-Bindung
Die Forscher sprechen von einer einmaligen Gelegenheit, eine solche natürliche Ozeandüngung direkt zu beobachten: „Reaktionen mariner Ökosysteme auf solche substanziellen Nitrat-Gaben werden in Echtzeit selten beobachtet.“
Es handele sich um einen unbekannten Mechanismus, kommentieren Hugh Ducklow und Terry Plank von der Columbia University in New York die Arbeit in „Science“. Zwar sei bekannt, dass Lava etwa mit ihrem hohen Eisengehalt Meerwasser über Hunderte Kilometer düngen könne. Der von Wilson und Kollegen beschriebene Mechanismus beschreibe aber eine indirekte Düngung. Die dadurch ausgelöst Blüte von Phytoplankton könne die Klimabilanz derartiger Vulkanausbrüche verändern, betonen sie. Zwar stoßen solche Eruptionen große Mengen CO2 in die Atmosphäre aus. Allerdings seien der Atmosphäre durch die Planktonblüte pro Tag etwa 10 000 Tonnen CO2 entzogen worden. Das entspreche etwa den geschätzten Kohlenstoffemissionen beim Ausbruch des Kilauea. „Vielleicht dämpfen Phytoplanktonblüten die Folgen von Vulkanausbrüchen für die globale Erwärmung“, so die Forscher. Düngung im Ozean gehört auch zu den Konzepten des so genannten Geoengineering, mit denen Kohlenstoff aus der Atmosphäre geholt werden soll. (dpa)