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Virenfabrik. Ist eine Zelle (orange koloriert) mit Ebola infiziert, produziert sie am laufenden Band Kopien des fadenförmigen Virus (grün). Eine Zelle nach der nächsten wird so zur Virenfabrik.
© dpa / NIAID

Ebola in Westafrika: Keine Wundermittel, aber Hoffnungsschimmer

Das Blut der Überlebenden soll Ebola-Patienten helfen, beschlossen etwa 200 Experten bei einem WHO-Treffen in Genf. Bereits ab November könnten Helfer in Westafrika mit einem experimentellen Impfstoff immunisiert werden.

Es gibt kein Wundermittel gegen Ebola, kein geheimes Serum, das in einem Labor lagert und nur auf seinen Einsatz wartet. Seit Wochen warnt die Weltgesundheitsorganisation WHO vor überzogenen Erwartungen an kaum erprobte Therapien, während es vor Ort an allem fehlt. Doch auch die Panik vor der todbringenden Krankheit schadet den Bemühungen, die Epidemie einzudämmen. Bisher hat Ebola mindestens 3967 Menschen in Westafrika krank gemacht, 2105 starben – und das sind nur die, die inmitten des Chaos gezählt wurden.

Angesichts der verzweifelten Lage versucht die WHO nun einen Balanceakt: „Wir tun alles dafür, unser Wissen über mögliche Interventionen schneller zu erweitern. Die Situation ist nicht hoffnungslos“, sagte die stellvertretende WHO-Generalsekretärin Marie-Paule Kieny am Freitagabend bei einer Pressekonferenz. Fast 200 Ebola-Experten hatten sich in Genf getroffen, um über den Einsatz experimenteller Medikamente und Impfstoffkandidaten zu beraten. Als realistisch und trotzdem vielversprechend stuften sie vor allem den Versuch ein, Ebola-Patienten mit dem Blut der Überlebenden zu helfen.

Das Prinzip ist einfach. Wenn ein Mensch es schafft, die Infektion abzuwehren, hat er höchstwahrscheinlich Antikörper in seinem Blut. Diese Antikörper könnten anderen Patienten helfen, die Ebola-Viren unschädlich zu machen. Kein Forscher stellt die Antikörper aufwendig mithilfe von Tabakpflanzen her wie bei dem Mittel ZMapp. Nachschub gibt es genug: Je größer die Epidemie wird, desto mehr Überlebende können Blut spenden. Und Bluttransfusionen sind selbst in den schlecht ausgestatteten Krankenhäusern Afrikas Routine. „Das sollte – mit etwas Hilfe – kein Problem sein“, sagte der Virologe Oyewale Tomori von der Redeemer-Universität in Nigeria.

Die Belege für die Wirksamkeit der Bluttherapie sind nicht eindeutig

Die Wirksamkeit ist allerdings kaum belegt. Zwar bekamen bereits 1995 bei dem Ebola-Ausbruch in Kikwit, Kongo, acht Menschen Blut von Patienten, die sich erholt hatten. Sieben überstanden die Infektion. Doch später stellte sich heraus, dass sie vermutlich schon vor der Transfusion auf dem Weg der Besserung waren. Außerdem weiß bis heute niemand, wie hoch die Zahl der Antikörper im Blut oder im aufbereiteten Blutplasma sein sollte, damit der Heilungsversuch Erfolg haben kann. Nicht jeder Mensch produziert die gleiche Menge.

Die Ebola-Epidemie in Westafrika bietet die Chance, aussagekräftigere Daten zu sammeln. „Den betroffenen Ländern fehlt nur Infrastruktur, um die Sicherheit und die Stärke des Serums zu überwachen“, sagte Tomori. Die Blutprodukte dürfen weder mit Ebola noch mit einem anderen Erreger wie HIV, Hepatitis oder Malaria verseucht sein. Jeder Schritt – Blutentnahme, -reinigung und -transfusion – muss für alle Beteiligten sicher sein. „Solche Blutbanken aufzubauen, sollte für die internationale Gemeinschaft Vorrang haben“, sagte Kieny. Dann könne die Bluttherapie bald vielen Ebola-Kranken angeboten werden.

Andere Wirkstoffe, die infizierte Affen zuverlässig heilen konnten, sind dagegen nur in sehr kleinen Mengen vorhanden oder aufgebraucht. Erst zum Jahreswechsel stehen beispielsweise einige hundert Dosen ZMapp oder Tekmira-Ebola bereit. ZMapp muss ständig bei minus 20 Grad gekühlt werden – was in Westafrika problematisch ist. Außerdem ist es bei einigen Infusionen sinnvoll, die Patienten auf einer Intensivstation zu überwachen.

Erkrankte Helfer sollen die Mittel zuerst bekommen

Trotzdem: Sobald sie lieferbar sind und die Basisversorgung der Patienten auf den Isolierstationen und -zelten sichergestellt ist, können bis zu zehn unterschiedliche Therapien verwendet werden. Erkrankte Ärzte und Krankenpfleger sollen unter den Ersten sein, die dann behandelt werden. Schließlich haben sie ihr Leben für andere riskiert. Priorität haben auch Kinder und schwangere Frauen, weil sie Ebola besonders hart trifft. Danach folgen alle anderen Kranken, unabhängig vom Status der Person. Neben der Einwilligung des Patienten oder seiner Angehörigen gibt es nur eine Voraussetzung: Die Daten sollen zentral gesammelt und umgehend verglichen und ausgewertet werden. „Wir passen die Studienprotokolle gerade an die Ausbruchssituation an“, sagte Kieny. „Es geht nicht um die Finesse, die wir uns sonst wünschen, sondern um das Machbare.“ Nach 100 bis 200 Anwendungen wird beurteilt, was den Patienten hilft und was ihnen sogar schadet. Notfalls werden die Versuche sofort abgebrochen.

Zusätzlich haben sich die Experten auf zwei Impfstoffkandidaten geeinigt. Bereits im November könnten damit Helfer in Westafrika gegen Ebola geimpft werden, hieß es. 

Die Impfstoffe nutzen entweder ein Schimpansen-Erkältungsvirus und ein Vesikulares Stomatitis-Virus als Transportvehikel, um genetisches Material für ein Ebola-Oberflächeneiweiß in menschliche Zellen zu schleusen. Sobald sie das Eiweiß präsentieren, hat das Immunsystem die Möglichkeit, Antikörper zu bilden. Soweit die Theorie. Die Tests am Menschen haben in der letzten Woche in den USA begonnen, nach und nach sollen Freiwillige in Europa und afrikanischen Ländern wie Mali und Gambia folgen. Für das Schimpansenvirus rechnen die Forscher im November mit ersten, vorläufigen Daten zur Verträglichkeit.

Das schnelle Vorgehen ist beispiellos

Anhand dieser Ergebnisse werden Ethikkommissionen und Regulatoren über die Impfung von Ärzten, Krankenpflegern und anderem Personal „an der Front“ in Westafrika entscheiden. „Diese Impfstoffe bleiben nicht im Labor“, sagte Kieny. Etwa 15 000 Dosen könnte allein GlaxoSmithKline bis Ende des Jahres produzieren. „Das ist beispiellos, ohne Zweifel“, sagte Kieny über das extrem schnelle Vorgehen. Trotz aller Eile sei es wichtig, einen Schritt nach dem anderen zu machen. So gab es beispielsweise einen HIV-Impfstoffkandidaten, der zunächst große Hoffnungen weckte. Später wurden die Tests gestoppt, weil bei den Geimpften das Infektionsrisiko stieg.

„Ich melde mich als erster Freiwilliger in Afrika“, sagte Samba Sow, der Leiter des Zentrums für Impfstoffentwicklung in Bamako, Mali. Durch die gemeinsame Grenze mit Guinea gab es in dem Land bisher 19 Verdachtsfälle. Sow hat ihr Blut untersucht und vier Autopsien durchgeführt. „Meine Impfung würde Zuversicht zeigen und Respekt für die anderen Freiwilligen“, sagt er. Bisher sind 10 Prozent der Ebola-Ärzte und Pfleger gestorben. Viele haben Angst, zur Arbeit zu gehen. „Eine Impfung wird sie beruhigen.“

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