Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft: Kaum Erfolge bei Dauerstellen, dafür Exit-Strategien der Unis
Im Auftrag der GEW wurde untersucht, was Bund-Länder-Programme für die Hochschulen den befristet Beschäftigten bringen. Viel ist es nicht.
„In keiner Politiker-Rede fehlen die Dauerstellen in der Wissenschaft, aber die Reichweite der Maßnahmen ist begrenzt“, sagt Andreas Keller, GEW-Vorstandsmitglied für Hochschule und Forschung. Dass weder der Qualitätspakt Lehre, noch die Exzellenzinitiative für die Universitäten, weder der Hochschulpakt noch die Vereinbarungen über „Gute Arbeit“ in der Wissenschaft bislang zu signifikant mehr Dauerstellen unterhalb der Professur geführt haben, sei „ernüchternd“.
Die weitgehende Wirkungslosigkeit der Programme hinsichtlich besserer Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten in der Wissenschaft belegen zwei Studien im Auftrag der GEW-nahen Max-Traeger-Stiftung, die die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft am Mittwoch präsentierte.
Mehr Studierende, mehr Budget, mehr Personal
Eine Vorabauswertung einer Längsschnittanalyse des Zentrums für Schul- und Bildungsforschung der Universität Halle Wittenberg konstatiert für die Jahre 2005 bis 2018 einen erheblichen Anstieg der Studierendenzahlen um 36 Prozent, gefolgt von erhöhten Budgets um 63 Prozent, 120 Prozent Plus bei den Drittmitteln und einer damit einhergehenden Expansion des wissenschaftlichen Personals um 47 Prozent.
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Dass dieser Ausbau der Hochschullandschaft vor allem zugunsten der Fachhochschulen geschehen ist – ihr Budget verdoppelte sich, während die Studierendenzahlen um gut die Hälfte zunahmen – gilt auch überproportional für den Personalaufbau. Das politisch gewollte Entstehen eines akademischen Mittelbaus an den FHen führt zu einem Anstieg um 288 Prozent bei den wissenschaftlichen Mitarbeitenden.
An den Universitäten war es ein Plus von immerhin 62 Prozent. Bei den Professuren liegt das Wachstum bei 23 Prozent (FH) beziehungsweise 18 Prozent (Uni). Die Zahl der Lehrbeauftragten stieg um 74 beziehungsweise 24 Prozent.
Über Dauerstellen entscheidet die einzelne Uni
Was bedeutet das nun für die Dauerstellen, für die sich die GEW seit nunmehr zehn Jahren mit dem „Templiner Manifest“ einsetzt? Studienleiter Roland Bloch erkennt zwar einen Zusammenhang zwischen steigenden Grundmitteln und einem Anstieg der unbefristeten Stellen auch unterhalb der Professur.
[Lesen Sie auch unseren Überblicksartikel zur Problematik junger Wissenschaftler*innen: Angst vor der akademischen Abbruchkante]
Doch wie der Anteil der Dauerstellen ausfalle, variiere erheblich von Hochschule zu Hochschule. An Ländergrenzen ließe sich das nicht festmachen.
Bundesweit am höchsten sei der Anteil unbefristeter Beschäftigungsverhältnisse inklusive der Professuren aber mit 30 Prozent im Saarland, am niedrigsten mit 16 Prozent in Baden-Württemberg, sagte Bloch. Die Publikation der vollständigen Studie mit einem Überblick über die Zahlenverhältnisse steht noch aus.
GEW-Vorstand Keller verwies auf eine Studie vom März , nach der sich der Anteil der befristeten Stellen jenseits der Professur an den Hochschulen insgesamt im Untersuchungszeitraum um ein Prozent auf 82 Prozent verringert habe. Auch das geht überproportional auf die Fachhochschulen zurück.
Als einziger Erfolg des novellierten Wissenschaftszeitvertragsgesetzes sei eine Verlängerung der durchschnittlichen Laufzeit befristeter Verträge um vier Monate auf jetzt 28 Monate zu verzeichnen, sagte Keller.
Zur Exzellenzinitiative stellt das Team um Roland Bloch für die Zeit bis 2018 fest, dass an den geförderten Unis der Anteil der Professuren am wissenschaftlichen Personal nicht gestiegen, sondern nur langsamer gesunken sei und der Anteil der wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen auch dort zugenommen habe, aber gleichfalls langsamer als an Nicht-Exzellenz-Unis.
Selbstverpflichtungen "bislang ohne Einfluss"
„Bislang ohne Einfluss“ blieben die Selbstverpflichtungen der Länder für gute Beschäftigungsbedingungen, heißt es. Konkrete Regelungen für den Übergang in unbefristete Beschäftigung gebe es dabei kaum. Doch auch die in dem Paper aus Halle-Wittenberg formulierte Hoffnung, hier könnten die Personalentwicklungskonzepte im Rahmen des Tenure-Track-Programms zu Fortschritten führen, erfüllt sich nicht.
Das zeigt eine Studie von Anne K. Krüger (Humboldt-Uni und Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften) im Auftrag der Draeger-Stiftung. Krüger und ihr Mitarbeiter werteten 43 der 75 Konzepte aus, mit denen sich Universitäten bundesweit um Bundesmittel zur Förderung von Juniorprofessuren beworben haben, die bei erfolgreicher Bewährung in eine unbefristete Professur übergeleitet werden.
[Dem Promovierenden-Panel des DZHW zufolge sind Doktorand*innen in Deutschland insgesamt zufrieden mit ihrer Situation]
Die Universitäten seien sich durchaus der Verluste an Wissen bewusst, wenn hochqualifiziertes Personal nach der Promotion oder der Postdoc-Phase das Wissenschaftssystem verlassen muss. Doch die allermeisten Unis würden daraus nicht etwa Strategien ableiten, wie man einen größeren Anteil dauerhaft einbinden könnte, sondern vielmehr auf „Exit-Optionen“ setzen.
Exit-Modelle nicht nur für Promovierende
Sie bieten vielerlei Kurse für Karriereplanung, Beratung und Mentoring an, um etwa langjährige Mitarbeitende in Richtung des Wissenschaftsmanagements zu orientieren, sagt Krüger. Die Exit-Strategien konzentrierten sich keineswegs auf Promovierende, die ja ohnehin mehrheitlich nicht an der Uni bleiben wollten, sondern etwa auch auf Juniorprofessuren ohne Tenure Track, was Krüger „einigermaßen erstaunlich“ findet.
Mehr Unterstützung für die Themen „Gute Arbeit“ und Dauerstellen will die GEW jetzt mit einer Petition an den Bundestag mobilisieren, die am Mittwoch auf dem Portal Open Petition gestartet wurde. Zu den fünf erneuerten Forderungen der Wissenschaftsgewerkschaft gehören „Dauerstellen für Daueraufgaben in Forschung, Lehre und Wissenschaftsmanagement“ und ein „kräftiger Ausbau der Grundfinanzierung der Hochschulen“.
Dafür müsse das Budget des „Zukunftsvertrags Studium und Lehre stärken“ von Bund und Ländern um 40 Prozent aufgestockt werden.
Wegen der in der Coronakrise behinderten Lehre und Forschung fordert die GEW außerdem eine Verlängerung von befristeten Arbeitsverträgen und von Stipendien um mindestens 12 Monate. Am frühen Mittwochnachmittag hatten knapp 1500 Personen die Petition unterschrieben, Zielmarke binnen eines Jahres sind 50.000 Unterschriften.