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Strahlende Bilder. Doch schwarze Menschen ließen sich mit den auf Weiße eingestellten Kodak-Filmen nur schlecht abbilden - Jean Luc Godard nannte sie darum "rassistisch".
© Andrew Gombert/picture alliance/dpa

Rassismus in der Wissenschaft: Kann Technik rassistisch sein?

In der Fotografie galt ein weißer Teint von Anfang an als Standard für Film und Entwicklung. Noch die Digitalfotografie ist an Weißen ausgerichtet.

Auch Technik kann rassistisch sein. Diese Äußerung der Dozentin Natasha A. Kelly im Interview mit dem Tagesspiegel (30. August) hat manche Leserinnen und Leser erstaunt. Kelly hatte als Beispiel die Fotografie genannt: Die Belichtungstechnologie sei für weiße Haut entwickelt worden.

Für viele professionelle Fotografinnen und Fotografen sowie Filmschaffende ist es gar nichts Neues, dass Fototechnologie nicht neutral ist. Barry Jenkins etwa, der Regisseur des oscarprämierten Films „Moonlight“, sagte dem Tagesspiegel unlängst: „Technisch gesehen war das Kino immer schon auf helle Haut fixiert: Setlicht, Make-up, selbst die Filmemulsion, auf der Kinobilder über ein Jahrhundert lang festgehalten wurden. Dunkle Haut reflektiert das Licht anders als helle Haut. Um Reflexionen zu vermeiden, wird sie mit Puder zugekleistert.“

Auch im Zeitalter der Digitalfotografie sind Kameras auf weiße Personen eingestellt, wie Tagesspiegel-Fotografin Kitty Kleist-Heinrich sagt: „Ohne zusätzliches Licht geht bei schwarzen Menschen nichts.“

Von Anfang an wurden die Filmchemie, die Entwicklungsverfahren und die Farbabmischung für Bildschirme auf das Weißsein als globale Norm ausgerichtet, schreibt Lorna Roth von der Concordia University in Montreal in einem Aufsatz von 2009. Schließlich dominierten Weiße die Entwicklung der Technik. Und Weiße waren diejenigen, die sich Kameras als Erste leisten konnten. Später hätten sich die Marktführer Kodak und Fuji laut Roth aber auch auf eigene Konsumentenbefragungen berufen, die eine internationale Präferenz für helle Haut zeigten.

Schwarze Schüler verschmelzen mit dem Hintergrund

Auf Fotos von US-amerikanischen Schulklassen strahlen nur die Gesichter weißer Schüler, während die ihrer schwarzen Mitschüler fast mit dem Hintergrund verschmelzen.

Seit Mitte der fünfziger Jahre benutzte Kodak „Shirley cards“ zur Kalibrierung der Farbtöne und verteilte zigtausende in Fotolabore weltweit als Hilfe für die Filmentwicklung. Die Karten zeigen das Modell Shirley Page, deren elfenbeinfarbener Teint als Standard für die Abmischung gelten sollte. Dabei sei eine Ausrichtung auch auf das Kontinuum anderer Töne technisch möglich gewesen, schreibt Roth. Bekannt ist, dass Jean-Luc Godard sich 1978 weigerte, einen Kodakfilm für Dreharbeiten in Mozambique zu verwenden: Kodaks Film sei „rassistisch“.

Auch Polaroid hatte seine Kameras an der weißen Norm ausgerichtet, wie der „Guardian“ berichtete. Für das Apartheid-Regime in Südafrika baute die Firma aber einen „Boost“-Blitz ein, sodass auch schwarze Gesichter auf den Fotos klar zu erkennen waren – das Regime verwendete die Fotos für Pässe, mit denen es die schwarze Bevölkerung kontrollierte.

Nicht Kodak, sondern afroamerikanische und asiatische Fotografen entwickelten die Technik laut Roth in den späten fünfziger Jahren weiter. Kodak habe sich erst bemüht, Brauntöne chemisch besser einzubinden, als die Kritik an der Bildqualität von zwei für das Unternehmen wichtigen Playern kam: von der Möbelindustrie und von der Schokoladenindustrie.

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