Geschichte des Judentums: Juden und Griechen als Wohngemeinschaft
Wie sich die jüdische Gruppenidentität in der Antike herausbildete. Von
Was war das antike Judentum und wer oder was waren die Juden? Mit der Frühgeschichte der jüdischen Gruppenidentität als Nation befasst sich der US-amerikanische Judaist Seth Schwartz in seinem Buch „Das Judentum in der Antike“. Der Zeitraum von Schwartz’ Darstellung erstreckt sich etwa von der Schlacht bei Issos (333 v. Chr.) bis zur arabischen Eroberung von Syrien und Palästina (634–638 n. Chr.). Die Geschichte der jüdischen Gruppenidentität ist gleichzeitig die Geschichte einer „Wohngemeinschaft“: die der Israeliten mit „ihren Vettern“, den Griechen im Mittelmeerraum zur Eisenzeit (seit etwa dem 13. Jahrhundert v. Chr.), als die Ähnlichkeiten zwischen beiden Völkern bemerkenswert waren. Juden und Griechen hatten „separatistische und exklusivistische“ kulturelle Normen. Zu Recht fokussiert der Autor auf den Prozess der Hellenisierung der Juden, der sich unter der makedonischen Herrschaft jedoch nur gemäßigt vollzog. Die kosmopolitische Weltanschauung Alexanders des Großen habe gleichzeitig die Juden geschützt und geprägt, schreibt Schwartz. Schwartz spricht sogar von einem „griechischen Jerusalem“. Allerdings vermisst der Leser einige Zeilen über die Präsenz des Judentums in den Werken der hellenistischen Autoren. Wie schilderten die Gelehrten des makedonischen Kosmopolitismus das Judentum? Auch berücksichtigt der Autor wohl zu wenig den Zusammenhang zwischen religiöser Toleranz der hellenistischen Monarchen und deren florierender Ökonomie.
Die Hasmonäer mussten sich an das Leben der Griechen anpassen
Gleichwohl hat die Hellenisierung der Juden nicht nur eine Schokoladenseite besessen, wie Schwartz erläutert. Die Hasmonäer, eine jüdische Dynastie, musste sich zum Beweis ihrer Loyalität dem Leben der hellenistischen Städte anpassen. Deshalb seien einige Kompromisse unvermeidlich gewesen, insbesondere auf sprachlicher Ebene. Inzwischen waren mit den Römern die neuen Herrscher angekommen. Das respektlose Verhalten des römischen Eroberers Pompeius beweise, dass die Römer einen Schritt weiter als die Makedonier gingen. Die allgemein behauptete Brutalität des verhassten jüdischen Tyrannen Herodes behandelt der Autor zu Recht im Kontext der turbulenten Zeiten. Was Herodes betreffe, habe es wie bei allen Legenden viel Übertreibung gegeben. Die Römer seien nicht besser gewesen.
Den ersten jüdischen Aufstand anlässlich von Konflikten um die Synagoge von Caesarea hat laut Schwartz eine Verkettung unglücklicher Zufälle verursacht. Die Geduld der Juden hatte Grenzen. Drei Aufstände waren bis zum Jahre 135 n. Chr. ausgebrochen. Waren die Juden tatsächlich unregierbar? Waren sie die ewigen Rebellen wegen mangelnder Anpassungsfähigkeit?
Auch in der Antike interessierten sich die Staatsmänner schon für Propaganda
Gewiss waren die Juden nicht die einzigen römischen Untertanen, die durch den universalen Herrschaftsanspruch des römischen Imperiums unterdrückt wurden. Sie hätten aber, meint Schwartz, mehr gelitten als die anderen. Wenn die Erklärung dafür ihre elitäre Weltanschauung wäre – warum wurden dann die Griechen nicht ebenso hart unterdrückt von den Römern ? Diese letzte Frage stellt Schwartz leider nicht. Den Höhepunkt der Unterdrückung bildete die Zerstörung des Tempels von Jerusalem, des Symbols der jüdischen Frömmigkeit, im Jahre 70 n. Chr. Nichts war seither mehr wie zuvor. Und der römische Heerführer und spätere Kaiser Vespasian selbst hatte das Motiv der Judaea Capta (das eroberte Judäa) benutzt, um seine eigene Legitimität zu verstärken. Auch in der Antike interessierten sich die Staatsmänner schon für Propaganda.
Es ist nicht nur ein Rätsel, wie die Juden im Römischen Reich überlebten, sondern auch, warum die christlichen Kaiser die Ausübung der jüdischen Religion tolerierten. Judäa glich einem Netz von christlichen Klöstern. Trotzdem war das Wachstum der jüdischen Bevölkerung in Palästina im 1. und 2. Jahrhundert n. Chr. eine Tatsache.
Obwohl sich ein öffentliches jüdisches Leben während der Spätantike entwickelte, blieb die hebräische Sprache eher eine Randerscheinung. Das Griechische war im Römischen Reich bis zum 6. Jahrhundert das wichtigste Kommunikationsmedium. Während der Christianisierung wurden dem jüdischen Klerus durch Gesetz einige Privilegien gewährt. Gleichwohl trugen dieselben Gesetze dazu bei, Juden gesellschaftlich und politisch zu marginalisieren. Trotz einiger stilistischer Gemeinsamkeiten mit dem Christentum betonten die Juden sehr ihre eigene Exklusivität.
Wegen des Antisemitismus unterstützten die Juden die Perser
Ab dem frühen 7. Jahrhundert betrat dann auch der Islam die historische Bühne. Die wachsende Bedeutung Arabiens an der ostafrikanischen Küste hat den politischen Status der Juden des 6. und 7. Jahrhunderts verbessert. Im Jahr 614 fand die römische Herrschaft in Palästina wegen der persischen Invasion ein Ende. Wegen des wachsenden Antisemitismus waren die Juden Unterstützer der Perser geworden und nahmen an gewaltsamen Aktionen gegen Christen teil. Der byzantinische Kaiser Herakleios, der im Jahr 629 Syrien und Palästina zurückeroberte, konnte die Juden nicht verjagen. Bis zur muslimischen Zeit und bis zu den ersten Kreuzzügen blieben sie weiterhin stark präsent im arabischen Raum.
Die Geschichte des Judentums in der Antike erscheint bei Schwartz als Odyssee der Kompromisse eines Volkes zwischen Unterwerfung, Anpassung und Rebellion. Die wichtigste Lehre aus diesem Buch ist, dass der Antisemitismus keine nosos („Krankheit“) der antiken Welt war. Er scheint doch eher ein späteres Problem zu sein, als der religiöse Dogmatismus die menschliche Vernunft und Intelligenz vernebelte.
Die Juden waren Überlebenskünstler und ihr Leben stand stets auf des Messers Schneide. Sie bildeten selbst eine winzige Gruppe, die nur einem Tropfen im Ozean glich. Diese exemplarischen „Asketen“ haben es geschafft, ihre kollektive Identität und Exklusivität über Wasser zu halten, obwohl sie in der tiefen See des Hellenismus, des Römertums, des Christentums und des Islams gebadet haben.
- Seth Schwarz: „Das Judentum in der Antike. Von Alexander dem Großen bis Mohammed“. Übers. von Ursula Blank-Sangmeister und Anna Raupach. Reclam, 284 Seiten, 34,95 Euro.
Vassiliki Pothou
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