Islamische Theologie an der HU Berlin: Islam-Institut: Wackelige Balance aus Glaube, Lehre und Repräsentanz
Die Berliner Humboldt-Universität hat das Institut für Islamische Theologie gegründet. Vorausgegangen war viel Streit - der noch nicht beendet sein dürfte. Ein Kommentar.
Es ist beschlossen: Die Berliner Humboldt-Universität (HU) gründet ein Institut für Islamische Theologie. Zum kommenden Wintersemester werden dort sechs Professuren eingerichtet, bis zum Jahr 2022 stellt das Land 13 Millionen Euro zur Verfügung. Damit ist Berlin die sechste deutsche Stadt, in der das Fach an einer Universität unterrichtet wird. Es wurde Zeit. Genährt wird nun die Hoffnung, dass eine Versöhnung von Glaube und Geist gelingt. Historisch-kritische Koranexegese plus wissenschaftliche Hermeneutik – das kann der Interpretation der Heiligen Schriften eine neue Dynamik geben.
Der Religionsunterricht hat in Deutschland als einziges Fach Verfassungsrang. Bislang aber wird muslimischer Religionsunterricht überwiegend von Imamen aus dem Ausland erteilt, insbesondere aus der Türkei. Diesen Lehrkräften fehlt oft die akademische und religionspädagogische Qualifikation. Das soll und kann bald anders werden. Schon deshalb ist das Institut für Islam-Theologie gesellschaftspolitisch notwendig.
Ja, es hat Streit gegeben. Dem Institutsbeirat, der ein Vetorecht aus religiösen Gründen bei der Besetzung von Professuren geltend machen kann, gehören nur Vertreter von drei traditionell-konservativen Islamverbänden an – der Zentralrat der Muslime, die Islamische Föderation sowie die Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden.
Dagegen protestierten neben Studentenvertretern und der CDU im Abgeordnetenhaus vor allem die Rechtsanwältin, Frauenrechtlerin und Gründerin der liberalen Ibn-Rush-Goethe-Moschee, Seyran Ates. Doch Ates ist für den Islam ungefähr so repräsentativ wie Judith Butler für das Judentum oder Hans Küng für den Katholizismus.
Knapp vierzig Prozent der Muslime stufen sich als sehr religiös ein
Da der Staat zur weltanschaulichen Neutralität verpflichtet ist, müssen auch staatliche Lehranstalten bei der Zusammensetzung universitärer, bekenntnisgebundener Gremien auf Akzeptanz und Repräsentanz religiöser Gruppen größeres Gewicht legen als auf die Frage, wie wünschenswert deren Einbeziehung wäre. Außerdem ist im Vertrag des Beirats eine Klausel enthalten, die spätere Veränderungen seiner Zusammensetzung ermöglicht. Und zuletzt: In das Gremium werden auch vier verbandsunabhängige muslimische Wissenschaftler berufen. Das schafft Raum für die durchaus erstrebenswerte Berücksichtigung liberaler Positionen.
Allerdings verhalten sich die in Deutschland lebenden Muslime zu ethisch kontrovers debattierten Fragen – Ehe für alle, Homosexualität, Abtreibung, Sterbehilfe – deutlich weniger liberal als säkulare und christlich religiös gebundene Deutsche. Das zeigt der „Religionsmonitor“ der Bertelsmann-Stiftung, der im Jahr 2015 eine Sonderauswertung zum Islam veröffentlichte. Demnach haben muslimische Deutsche die stärkste religiöse Identität. Knapp vierzig Prozent stufen sich als sehr religiös ein, fast neunzig Prozent halten die Religion für eher oder sehr wichtig. Zum Vergleich: Bei Katholiken sind es 65 Prozent, bei Protestanten 58 Prozent.
Weil er durch die Verwissenschaftlichung des Islams einen Kontrollverlust und eine Selbstentmächtigung befürchtete, verließ der einflussreiche, aus der Türkei gesteuerte Ditib-Verband den Institutsbeirat von sich aus. Auch das zeigt, wie wackelig die Balance aus Lehre, Glaube, weltanschaulicher Neutralität des Staates und Einbeziehung relevanter islamischer Gruppen war und bleibt. Zu erwarten, dass mit der Gründung des Instituts der Streit beendet sei, wäre naiv.
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