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Im Vergleich zu den riesigen Flüssen in Sibirien ist die Oder eher ein Rinnsal.
© Patrick Pleul, dpa

Süßwasser: Inventur der Seen und Flüsse

Gletscherschmelze, Versiegelung und Staudämme: Eine Analyse von Satellitendaten zeigt die Veränderung der Süßwasserflächen über drei Jahrzehnte.

Die zehn größten Seen der Erde – etwa das Kaspische Meer oder die Großen Seen in Nordamerika – enthalten 85 Prozent des Wassers aller Seen weltweit. Die restlichen 15 Prozent verteilen sich auf 1,4 Millionen Seen rund um den Globus. Dies ist ein Ergebnis der bisher genauesten Seen-Inventur, die kanadische Forscher auf der Basis von Satellitendaten erstellt haben. Ihre im Fachblatt „Nature Communications“ veröffentlichte Analyse bildet eine Basis, um die Veränderungen dieser Süßwasserreservoire in Zeiten des Klimawandels besser zu verstehen.

„Einige Seen trocknen aus, wenn die Zuflüsse versiegen. Andere entstehen, etwa wenn die Niederschläge in einer Region zunehmen“, sagt Bernhard Lehner von der McGill-Universität in Montreal. Um die Wassermenge zu ermitteln, nutzten er und seine Kollegen nicht nur Satellitenbilder, auf denen die rund 1,4 Millionen Seen mit einer Mindestfläche von zehn Hektar erkennbar waren. Auch die Wassertiefe der Seen, die vor allem im Gebirge größer ist, schätzten sie anhand von bekannten Wassertiefen und extrapolierten auf Seen, von denen keine Tiefenmessungen vorlagen. Die Wassermenge aller Seen summiert sich demnach auf rund 180 000 Kubikkilometer. Das würde ausreichen, um die Kontinente mit einer 1,3 Meter hohen Wasserschicht zu bedecken.

Die von Süßwasser bedeckten Gebiete werden größer

Jeder Mensch braucht Wasser, entsprechend wichtig ist eine Inventur der Süßwasservorkommen für die Versorgung der Weltbevölkerung. Europäische Forscher untersuchten daher zusätzlich die Veränderung aller Süßwasserflächen der Erde seit 1984. Wie sie kürzlich im Fachblatt „Nature“ berichteten, vergrößerten sich die von Süßwasser bedeckten Gebiete in den vergangenen drei Jahrzehnten nahezu auf allen Kontinenten. Nur in Zentralasien, Australien und Teilen der USA schrumpften die Wasserflächen. Mit dem „Global Surface Water Explorer“ erstellten die Forscher eine frei zugängliche Datenbank. Sie bietet eine Grundlage, um die Auswirkungen des Klimawandels und von Infrastrukturmaßnahmen besser abzuschätzen. Allein die Wassertiefe fehlt, sodass die Forscher keine Angaben zur Menge des Süßwasser machen konnten.

„Zwischen 1984 und 2015 sind weltweit etwa 90 000 Quadratkilometer Wasserflächen verschwunden, dafür wurden auf 184 000 Quadratkilometern vormals zumindest zeitweise trockene Gebiete permanent mit Wasser bedeckt“, fassen Alan Belward und seine Kollegen vom Joint Research Center der EU in Ispra ihre Ergebnisse zusammen.

Der Fluss Ob in Westsibirien. Dunkelblaue Flächen sind ständig mit Wasser bedeckt, hellblaue entsprechend den Jahreszeiten. Rosa markiert sind ausgetrocknete Areale und grün solche, die neu überschwemmt wurden.
Der Fluss Ob in Westsibirien. Dunkelblaue Flächen sind ständig mit Wasser bedeckt, hellblaue entsprechend den Jahreszeiten. Rosa markiert sind ausgetrocknete Areale und grün solche, die neu überschwemmt wurden.
© Abbildung: European Commission, Joint Research Centre

Sie nutzten für ihre Wasserinventur etwa drei Millionen Aufnahmen von drei Landsat-Satelliten, die über einen Zeitraum von 32 Jahren aufgezeichnet wurden. Alle diese Daten, in der Summe 1823 Terabyte, flossen in ihre Datenbank ein. Die jüngsten Aufnahmen erreichten eine räumliche Auflösung von 30 Metern, sodass kleinere Seen und Flussläufe berücksichtigt werden konnten.

Staaten können mit dem Kartenwerk besser planen

Für die globale Zunahme der mit Süßwasser bedeckten Flächen machen die Forscher den Bau von Stauseen und Bewässerungssystemen sowie den Klimawandel verantwortlich. So sei die Zunahme auf dem tibetischen Hochplateau auf das beschleunigte Abschmelzen der Himalaja-Gletscher zurückzuführen. Der Rückgang von Wasserflächen konzentriere sich mit einem Anteil von 70 Prozent auf Staaten in Zentralasien: Iran, Afghanistan, Irak, Kasachstan und Usbekistan. Die Gründe seien mehrjährige Dürren, eine unregulierte Wasserwirtschaft und Flussbegradigungen.

Die bisher einzigartige Datenbank zeige sowohl den Einfluss menschlichen Handelns als auch des Klimawandels im Verlauf der vergangenen drei Jahrzehnte. Belward und seine Kollegen hoffen nun, dass möglichst viele Staaten ihr frei zugängliches Kartenwerk nutzen, um auch in Zukunft eine gute Wasserversorgung der Bevölkerung gewährleisten zu können. Es könnte bald sogar noch genauere Informationen liefern. Schließlich werden die Messdaten der beiden europäischen Sentinel-Satelliten mit einer räumlichen Auflösung von bis zu fünf Metern einfließen. Dank der kanadischen Seen-Studie ließen sich auch nach und nach Wassertiefen und damit die Süßwassermengen in der Datenbank ergänzen. wsa

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