zum Hauptinhalt
Sechs Teams stellten beim "Demo-Day" des Berliner Instituts für Gesundheitsforschung ihre Projekte vor.
© Thomas Rafalzyk

Digitalisierung der Medizin: Intelligente Schuhsohle hilft Patienten nach Beinoperation

Das Berliner Institut für Gesundheitsforschung hilft, digitale Medizinprodukte schneller zu entwickeln. Sechs Gruppen stellten ihre Projekte vor.

Bis aus einer cleveren Idee ein Produkt wird, das die Gesundheit von Menschen verbessert, ist es ein langer Weg. Der "Digital Health Accelerator" des Berliner Instituts für Gesundheitsforschung (BIH) soll diesen oft langwierigen Prozess im Bereich digitaler Medizin-Innovationen beschleunigen. Die im vergangenen Jahr gegründete Initiative unterstützte 2017 vier Teams finanziell und durch ein Mentoring-Programm. Nur ein Jahr später steht eines von ihnen bereits kurz vor der Firmengründung. Beim "Demo-Day" am Dienstagabend stellten die in diesem Jahr geförderten Gruppen ihre Projekte vor.

Gesundheitskonto für Madagaskar

Die Ideen reichten von Hilfe bei Schlafstörungen über bessere Röntgenbilder bis zu einem mobilen Zahlsystem für eine effektivere Gesundheitsversorgung in Ländern wie Madagaskar. Dort meiden Menschen dringend nötige Arztbesuche selbst an Orten, wo sie Zugang zu Behandlungen hätten: aus Angst, dass die kaum regulierten Behandlungskosten sie in den Ruin treiben. Das Team um die Neurologen Julius Emmrich und Samuel Knauss hat mit "mTOMADY" ein System entwickelt, dass diese Probleme lösen soll. Menschen können Geld auf ein virtuelles Konto einzahlen, auf das sie mit ihrem Handy zugreifen. Das Ersparte ist ausschließlich für medizinische Behandlungen nutzbar. Via SMS können sich die Patienten außerdem im Voraus über die Behandlungskosten informieren, und auch für mögliche Spender wird transparenter, wohin ihr Geld fließt.

Das Team um den Chronobiologen Achim Kramer hat eine Methode gefunden, die Einstellung der inneren Uhr des Menschen sichtbar zu machen. Mithilfe von zwölf Biomarkern lassen sich etwa Verschiebungen des Tag-Nacht-Rhythmus erkennen oder perspektivisch auch Medikamenteneinnahmen präziser planen. Auch Schlafstörungen, die vielfältig und oft schlecht diagnostizierbar sind, sollen sich mit "BodyTime" künftig schnell und kostengünstig einordnen und anschließend therapieren lassen – dazu genüge es, wenn der Patient eine Blutprobe einschickt.

Künstliche Intelligenz interpretiert Röntgenbilder

Bei Beinbrüchen gibt es nach Operation oft Komplikationen: 15 Prozent der etwa 220.000 Patienten, die jährlich in Deutschland wegen eines gebrochenen Beins behandelt werden, müssen ungeplant wiederkommen. Häufig ist die Ursache, dass zu viel Gewicht auf die heilenden Knochen ausgeübt wird. Mit "LingPed" entwickelt die Gruppe um die Chirurgen Serafeim Tsitsilonis und Nevda Kaya eine Sohle, die Sensoren enthält und in Orthesen oder Schuhe eingelegt werden kann. Die passende Software zeigt die Druckverteilung an und gibt Rückmeldung an Arzt und Patienten.

Serafeim Tsitsilonis' Sensor-Sohle soll Patienten nach einer Bein-OP helfen, richtig aufzutreten.
Serafeim Tsitsilonis' Sensor-Sohle soll Patienten nach einer Bein-OP helfen, richtig aufzutreten.
© Thomas Rafalzyk

Ein Feedback anderer Art bietet das Programm "DentalXr.Al" des Zahnmediziners Falk Schwendicke und seinem Team. Es soll in Zahnarztpraxen zum Einsatz kommen. Jährlich müssen dort in ganz Deutschland etwa 55 Millionen Röntgenbilder interpretiert werden. Die Software soll dabei helfen, indem sie mithilfe von künstlicher Intelligenz die Bilder analysiert und grafisch aufbereitet. Somit seien problematische Zonen für Arzt und Patienten besser zu erkennen und die Entscheidung für oder gegen eine Krone oder Füllung fällt leichter.

Die Programme nutzen den Datenschatz der Charité

Ebenfalls mit künstlicher Intelligenz arbeitet die Gruppe um den Pathologen Frederick Klauschen, die sich mit Krebsdiagnostik beschäftigt. Im Moment werden die bei einer Biopsie entnommenen Zellen meist noch unter dem Mikroskop analysiert. Dann werden die Krebszellen entweder gezählt, was "sehr lange dauert", oder geschätzt, was "sehr ungenau ist". Das Programm "Algnostics" soll diese Arbeit sehr präzise und in einem Bruchteil der Zeit ausführen. Es liefert dem Arzt neben dem Ergebnis der Zählung eine Aufschlüsselung, welche Zellarten es gezählt hat.

"CardioPrime“ des Kardiologen Titus Kühne ist ein Versuch, die Zeit zu verkürzen, bis ein Patient mit Herzproblemen beim Spezialisten die richtige Therapie bekommt. Mithilfe einer Software, die lediglich Daten aus einer Blutdruckmessung und einem Herz-Ultraschall benötigt, könne schneller, früher und genauer herausgefunden werden, welche Art von Beschwerden ein Patient hat und die entsprechenden Maßnahmen ergriffen werden.

Viele der vorgestellten Projekte profitieren davon, dass die Charité über einen enormen Datenschatz verfügt, an dem die künstliche Intelligenz der Programme trainieren und sich so immer weiter verbessern kann. Gründungsmitglied des Berliner Instituts für Gesundheitsforschung ist neben der Charité das Max-Delbrück-Centrum. Der Bund unterstützt den „Digital Health Accelerator“ bis mindestens 2021 jährlich mit zwei Millionen Euro. Statt sechs sollen im nächsten Jahr acht bis zehn Teams gefördert werden.

Sarah Reim

Zur Startseite