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Eine Supermarktkundin mit Alltagsmaske beim Bezahlen an der Kasse. Die Kassiererin ist mit einer Scheibe geschützt und trägt Handschuhe.
© Christoph Soeder/dpa

Wahrnehmung der Infektionsgefahr: Individuelles Risiko, schwer an Corona zu erkranken, wird überschätzt

Einer Umfrage zufolge wissen die Deutschen, wen Covid-19 besonders gefährdet. Aber das eigene Risiko einer schweren Erkrankung wird für zu hoch gehalten.

Für welche Gruppen eine Covid-19-Infektion besonders gefährlich sein könnte, wird in der deutschen Bevölkerung realistisch eingeschätzt. Das durchschnittliche Risiko, selber lebensbedrohlich zu erkranken, aber wird deutlich überschätzt.

Das zeigt eine Auswertung der SOEP-CoV-Studie des Sozio-ökonomischen Panels am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin.

Die Überschätzung des individuellen Erkrankungsrisikos könnte dazu beitragen, dass Maßnahmen wie das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung und das Abstandhalten auch bei niedrigen Neuinfektionszahlen akzeptiert wird, heißt es in der am Montag veröffentlichten Kurzstudie.

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Befragt wurden Teilnehmende des SOEP, der repräsentativen jährlichen Wiederholungsbefragung privater Haushalte, zwischen April und Anfang Juli 2020.

Dass verschiedene Bevölkerungsgruppen ein höheres oder geringeres Risiko haben, lebensbedrohlich an Corona zu erkranken, werde im Durchschnitt klar gesehen, heißt es. So schätzten die Befragten die Wahrscheinlichkeit einer schweren Erkrankung für Menschen mit Vorerkrankungen höher ein als für Menschen ohne Vorerkrankungen.

Öffentlich kommuniziertes Fachwissen ist präsent

Wer in einem Mehrpersonenhaushalt lebt, sei gefährdeter als Alleinlebende, Ältere hätten ein höheres Risiko als Jüngere. Begründet wird dieser Realismus seitens der Forscher damit, dass die Befragten das in der Öffentlichkeit kommunizierte Fachwissen in ihrer Risikoabschätzung nachvollziehen.

[Lesen Sie hier: Wie gefährlich ist das Experiment Schule?]

Doch wie kommt es dann zur Überschätzung des individuellen Risikos, sich zu infizieren und lebensbedrohlich zu erkranken? Die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit dafür wurde mit rund 26 Prozent angegeben. Tatsächlich aber betrage das lebensbedrohliche Erkrankungsrisiko für Erwachsene nur 0,6 Prozent, schätzen die Sozialwissenschaftler.

Bei neuen Risiken wird die Gefahr häufig überschätzt

Dieses Phänomen gebe es tendenziell bei ganz neuen Risiken beziehungsweise bei relativ seltenen, aber schwerwiegenden Gefahren wie dem Terrorismus, heißt es.

Den Vorteil der Überschätzung des Corona-Risikos – eine erhöhte Akzeptanz für Schutzmaßnahmen – dürfe die Politik „nicht als willkommenes Geschenk gutheißen“, warnen die Forscher. Ein Überdenken des subjektiven „Krankheitsmodells“ in weiten Teilen der Gesellschaft könne dazu führen, dass Prävention „als unnötig, invasiv und paternalistisch empfunden“ wird.

Das Team vom DIW und des Max-Planck-Instituts empfiehlt, den Informationsstand der Bevölkerung weiterhin hoch zu halten. Realitätsnahe Erwartungen, die sich ja auch in der richtigen Einschätzung der Risikogruppen spiegeln, seien „ein wichtiges öffentliches Gut“ – auch im Hinblick auf das weiterhin dynamische Infektionsgeschehen.

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