Als Ausgleich für den Braunkohletagebau: In der Lausitz wird der Aufbau einer Universitätsmedizin geplant
Prominent besetzte Kommission mit Karl Max Einhäupl und Lothar Wieler hält europäische Modellregion in der Region Cottbus für denkbar. Zusätzliche Millionen für private Medizinerausbildung.
Zum Aufbau einer Universitätsmedizin in der Brandenburger Lausitz hat am Montag eine zehnköpfige prominent besetzte Expertenkommission unter Leitung des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Charité Karl Max Einhäupl ihre Arbeit aufgenommen.
Brandenburgs Wissenschaftsministerin Manja Schüle (SPD) hat neben Einhäupl auch den Präsidenten des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, für das Gremium gewonnen. „Wenn jemand aus erster Hand weiß, welche Lehren aus Corona zu ziehen sind, dann der Präsident des RKI“, sagte Schüle mit Blick auf die Bedeutung des öffentlichen Gesundheitsdienstes in der Pandemie.
Unter anderem gehört der Kommission zudem auch Stephanie Kaiser an, die als Mitglied des Digitalrats der Bundesregierung Expertise zum Thema Digitalisierung mitbringt.
Alle vom Konzept überzeugen
In der Lausitz soll als Ausgleich für den Braunkohletagebau eine Universitätsmedizin entstehen. Ob als Fakultät an der Brandenburgisch-Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) oder als eigene Hochschule, müsse die Kommission in den kommenden Wochen klären, sagt Einhäupl am Montag vor der ersten Sitzung des Gremiums in Berlin. Wichtig sei es grundsätzlich, dass die BTU für das Vorhaben Mitglied in der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) wird.
Der Aufbau einer staatlichen Universitätsmedizin sei das wohl wichtigste Strukturwandelprojekt für die Lausitz, ergänzte Schüle. Für das Vorhaben ist eine Bundesfinanzierung und die Zustimmung aller Wissenschaftsminister und -ministerinnen nötig. „Und die wird es nur geben, wenn alle von dem Konzept überzeugt sind und die plausible Hoffnung haben, in Cottbus etwas für die Uni-Kliniken in ihren eigenen Ländern zu lernen“, sagte Schüle.
Karl Max Einhäupl nannte es eine große Herausforderung, in der Lausitz eine international sichtbare Hochschulmedizin zu entwickeln. Das könne nur gelingen, wenn die Politik Brandenburgs entschlossen hinter dieser Idee stehe. „Davon haben mich meine Gesprächspartner überzeugt“, sagte der Neurologe und ehemalige Vorsitzender des Wissenschaftsrates.
Seine anfängliche Skepsis sei Optimismus gewichen. „Es kommt nicht darauf an, eine weitere medizinische Fakultät zu generieren, sondern eine Fakultät, die ein Alleinstellungsmerkmal hat, die vorbildlich für andere Regionen ist“, sagte Einhäupl. Womit das konkret erreicht werden soll, werde die Kommission klären.
„Landärzte“ für strukturschwache Regionen
Ziel sei „ein Forschungslabor, in dem neue Strukturen in der Gesundheitspolitik generiert und wissenschaftlich begleitet werden“. So könnte die Region Lausitz eines Tages zu einem Modell auch für andere Region Europas werden. Gemeint ist unter anderem das Problem des Mangels an „Landärzten“ für die medizinische Versorgung auch in strukturschwachen Regionen.
Die Universitätsmedizin in Cottbus soll im Rahmen einer „Modellregion Gesundheit Lausitz“ entstehen. Mit der Verankerung des „Innovationszentrums Universitätsmedizin Cottbus“ im Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen wurden laut Ministerium Anfang Juli 2020 die Voraussetzungen für eine finanzielle Unterstützung des Bundes geschaffen. Das Cottbusser Carl-Thiem-Klinikum könnte in diesem Zusammenhang zum Leitkrankenhaus werden, vorausgesetzt die Kommission empfiehlt dies.
Auf konkrete Zahlen wollte sich Einhäupl in dem frühen Planungsstadium noch nicht festlegen. Bislang war die Rede davon, dass an einer neuen Hochschul-Medizin in Cottbus einmal rund 1500 Studierende lernen könnten, wofür eine Finanzierung von rund 650 Millionen Euro nötig sei. Die laufenden Kosten dürften sich auf mindesten 50 bis 100 Millionen Euro pro Jahr belaufen. Starten soll das Vorhaben nach den Worten von Einhäupl „so bald wie möglich“.
Wie weiter mit bestehender Fakultät?
Inwiefern die bereits seit 2018 bestehenden gemeinsame Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Potsdamer Universität, der privaten Medizinischen Hochschule Brandenburg (MHB) und der BTU mit der Uni-Medizin verbunden werden könnte, ist noch offen. „Wie und in welchem Umfang die anderen gesundheitswissenschaftlichen Akteure eingebunden werden, muss die Kommission klären“, sagte Schüle.
Für die MHB erklärte Schüle, dass die Privathochschule zu den 1,6 Millionen Euro institutioneller Förderung bis 2024 jährlich mit zusätzlichen fünf Millionen Euro für Forschungsleistung rechnen kann.
Karl Max Einhäupl sagte, dass gut überlegt werden müsse, wie man mit anderen Medizin-Initiativen umgehen wird. Auf Nachfrage sagte er, dass es klar sei, dass zumindest das Potsdamer Hasso-Plattner-Institut ein Partner sein muss, wenn es um die Frage der Digitalisierung in der Medizin geht.
Zur Forderung des Präsidenten der Uni Potsdam, Oliver Günther, die Fusion der BTU mit der FH Lausitz von 2008 vor dem Hintergrund der Medizinpläne wieder zurückzudrehen, wollte sich Schüle nicht äußern.