Promotionsrecht der Fachhochschulen: In Berlin sollen kooperative Promotionen Vorrang haben
Andere Länder sind schon weiter mit dem Promotionsrecht für Fachhochschulen. Rot-rot-grün ist ebenso uneins wie Unis und FHs untereinander. Wie geht es weiter?
Macht sich Berlin wie andere Bundesländer auf den Weg zum Promotionsrecht für die Fachhochschulen? In den Hochschulverträgen für die Jahre 2018 bis 2022 heißt es zwar, die Promotionsmöglichkeiten für FH-Absolventen sollten durch die Stärkung von kooperativen Promotionen mit den Universitäten verbessert werden, etwa in gemeinsamen Graduiertenschulen oder einem zentralen Promotionskolleg. Der erste Weg aber wird in Berlin nur sehr zögerlich beschritten. Ob der zweite zustande kommt, ist zumindest ungewiss.
Perspektivisch müsse es das eigene Promotionsrecht deshalb „zusätzlich zur Möglichkeit der kooperativen Promotion für die forschungsstarken und wissenschaftlich ambitionierten Disziplinen geben, die kaum Pendants an Universitäten haben“, sagte Bettina Völter, Rektorin der Alice-Salomon-Hochschule, am Montag bei einer Anhörung im Wissenschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses.
Kooperative Promotionen "enden im Labyrinth"
Deutlicher wurde Anne König, Professorin an der Beuth-Hochschule und Vorsitzende des Hochschullehrerbundes (HLB), in dem ein Drittel der FH-Lehrenden organisiert ist. Wegen der besonders in Berlin geringen Zahlen von kooperativen Promotionen, „ist das ein Weg, der ewig lange in Labyrinthen enden wird“. Deshalb fordere der HLB ein eigenständiges Promotionsrecht wie in Hessen – selbstverständlich mit der dort praktizierten Qualitätssicherung.
Die Fachhochschulen sehen ihre Geduld arg strapaziert, auf einen Durchbruch bei den kooperativen Promotionen zu hoffen. „Die Zahl der Promotionen steigt, aber nicht mit den Berliner Universitäten“, sagte Monika Gross, Präsidentin der Beuth-Hochschule, im Vorfeld der Ausschusssitzung. Dieses Bild wird durch eine aktuelle bundesweite Abfrage der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) unter den Mitgliedsuniversitäten bestätigt. Danach meldeten die Unis für die Jahre 2015 bis 2017 1575 abgeschlossene Promotionen von FH-Absolventen, die alleine durch Universitätslehrende betreut wurden – 26 Prozent mehr als 2012 bis 2014.
Berlin gehört zu Schlusslichtern bei Kooperationen
Die Zahl der kooperativen Verfahren mit je einem FH- und einem Uni-Betreuer liegt 2015 bis 2017 bei 551 – 47 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum. Für Berlin allerdings sind die absoluten Zahlen eher mau. Gemeldet wurden 97 Unipromotionen von FHlern (2015-17) gegenüber 22 in den Vergleichsjahren und gerade einmal 18 kooperative Verfahren (gegenüber einem einzigen Verfahren 2012-14). In NRW dagegen waren es zuletzt 270 Unipromotionen, in Baden-Württemberg 230. Bei den kooperativen Verfahren liegen Sachsen mit 123 und Hessen mit 87 weit vor Berlin. Unter den 18 genannten Universitäten, die die meisten FH-Absolventen promovieren, führen Dresden, Kassel und Darmstadt; Berliner Unis tauchen in dem kleinen Ranking gar nicht auf.
Den hessischen Weg konnte Karim Khakzar, Präsident der FH Fulda und Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz, gleich selber als Gast im Ausschuss vorstellen. Er beschrieb die Bedingungen, unter denen forschungsstarke FH-Disziplinen seit 2016 das Promotionsrecht erhalten: In einem Fachgebiet an einer Hochschule müsse es mindestens zwölf forschungsstarke Professuren geben, die dies mit der Zahl und Qualität ihrer Publikationen und Drittmitteln nachweisen.
TU-Chef will bestehende Graduiertenschulen ausbauen
Ist Hessen ein Vorbild für Berlin? HWR-Präsident Andreas Zaby setzt vorrangig auf das in den Hochschulverträgen vorgegebene Berliner Modell des gemeinsamen Graduiertenkollegs, das am Institut für angewandte Forschung der Fachhochschulen entstehen solle. „Wir fordern nicht mehr, aber wir gehen auch nicht dahinter zurück“, betonte Zaby in Richtung des Präsidenten der TU Berlin, Christian Thomsen.
Thomsen, Sprecher der Landesrektorenkonferenz, hatte dem Graduiertenkolleg, über das Unis und Fachhochschulen seit Monaten verhandeln, vor der Anhörung gegenüber dem Tagesspiegel eine Absage erteilt. Wünschenswert wäre aus seiner Sicht „eine effiziente Form, in der Promotionswillige und Betreuende beider Seiten besser zusammenfinden“ – etwa in einem Internetportal zur Vernetzung. Im Wissenschaftsausschuss plädierte Thomsen zudem dafür, bestehende universitäre Graduiertenschulen wie die Berlin School of Public Health so auszubauen, dass sie verstärkt promotionswillige FH-Absolventen auch mit Themen etwa aus der Pflegewissenschaft aufnehmen könnten, die an Unis nicht vertreten sind.
Senat: Kooperative Verfahren und Kolleg ,müssen klappen
Ein eigenes FH-Promotionsrecht ist Thomsen zufolge mit den Berliner Unis schon gar nicht zu machen: „Der wissenschaftliche Nachwuchs der Hochschulen für angewandte Wissenschaften kommt aus den Universitäten“, sagte er im Vorfeld. Das Promotionsrecht müsse exklusiv bei den Unis bleiben. Im Wissenschaftsausschuss betonte Thomsen, für die Qualitätskontrolle reichten einzelne forschungsstarke Professoren nicht aus – „dazu braucht es eine Fakultät“.
Für den Linken-Abgeordneten Tobias Schulze steht indes fest: „Die Fachhochschulen können mehr als sie derzeit dürfen.“ Staatssekretär Steffen Krach allerdings erklärte auf Nachfrage, gerade in Berlin biete ein kooperatives Promotionskolleg „wichtige Mehrwerte, sowohl für die Promovierenden, als auch für die beteiligten Institutionen“. Der Senat nehme „die Bedarfe der FHs absolut ernst, genauso wie die Vereinbarungen in den Hochschulverträgen“. Im Umkehrschluss heißt das: Klappt es nicht mit den kooperativen Promotionen und mit dem gemeinsamen Promotionskolleg, müsste auch über das eigene FH-Promotionsrecht nachgedacht werden.
Streit um angebliche "Schmalspur-Promotionen"
Die Diskussion, in der ja selbst zwischen den Fachhochschulen unterschiedliche Auffassungen bestehen, blieb weitgehend sachlich. Unmutsbekundungen in der Riege der FH-Vertreter und -Vertreterinnen waren allerdings zu hören, als der CDU-Abgeordnete Hans-Christian Hausmann vor Berlin als "El Dorado für Schmalspur-Promotionen" warnte. Karim Khakzar entgegnete ihm: "Wir haben in Hessen Qualitätsmaßstäbe aufgestellt, die an vielen Stellen über die Kriterien der Unis hinausgehen." Er wolle nicht seinerseits die Uni-Promotion kritisieren, aber dort habe "jeder, der einmal einen Ruf erhalten hat", grundsätzlich das Recht, Studierende zum Doktortitel zu führen.
Die Berliner Unis und Fachhochschulen treffen sich wieder am 29. Mai. Dann sollte eigentlich der Kooperationsvertrag für das gemeinsame Promotionskolleg "finalisiert" werden, wie Andreas Zaby sagte. Gebraucht werde es dringend, auch weil die neuen wissenschaftlichen Mitarbeiter der FHs "ein klares Promotions- und Qualifikationsangebot brauchen", appellierte der HWR-Chef.