zum Hauptinhalt
Berlins Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach (SPD), der jetzt in Hannover zur Wahl antritt. Das Bild zeigt ihn auf einem Termin dort in der Region.
© imago images/Henning Scheffen

Staatssekretär Krach über Berlins Wissenschaft und Corona: Impfpflicht? - "Ganz persönlich wäre ich dafür"

Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach zieht es nach Hannover. Ein Gespräch über seine Bilanz in Berlin, exzellente Unis - und die heikle Frage der Impfpflicht.

Steffen Krach (41) ist seit Ende 2014 Staatssekretär für Wissenschaft in Berlin. Er wird in Berlin aufhören und kandidiert für das Amt des Regionspräsidenten in Hannover.

Herr Krach, Sie sind noch Staatssekretär in Berlin, machen aber gleichzeitig Wahlkampf in Niedersachsen, weil sie im September zum Regionspräsidenten in Hannover gewählt werden wollen. Wie teilen Sie momentan Ihre Zeit zwischen Berlin und Hannover auf?
Das ist eine Herausforderung, und man muss da klar trennen. Der Wahlkampf wird jetzt zu meinem Schwerpunkt, dafür geht bis zum Wahltag mein gesamter Urlaub drauf. Ich werde aber immer wieder in Berlin sein, bei Ausschusssitzungen etwa, und meine Aufgaben erledigen.

Werden Sie auf jeden Fall nach Hannover wechseln, unabhängig vom Wahlausgang?
Ich habe klar gesagt, dass ich als Staatssekretär in Berlin mit dem Ende der Legislatur aufhöre. Ich arbeite mit meinem Team daran, die Wahl in Hannover zu gewinnen und bin optimistisch, dass es mir gelingt. Einen Plan B habe ich nicht.

Was werden Sie an Berlin vermissen?
Beruflich oder privat?

Gerne beides.
Ich bin jetzt sechseinhalb Jahre Staatssekretär. Das waren unglaublich spannende und wie ich finde auch erfolgreiche Jahre. Natürlich werde ich Berlins Wissenschaftswelt und die Zusammenarbeit mit vielen Akteur*innen vermissen – auch mit meinen Kolleg*innen in der Senatskanzlei, das ist einem nach so vielen Jahren ans Herz gewachsen. Privat: Ich lebe seit 19 Jahren in Schöneberg, das ist meine zweite Heimat geworden und ich werde dort viele Freunde vermissen. Der Kiez wird auch immer mein Ort in Berlin bleiben.

Gibt es etwas in Berlin, wo Sie froh sind, dass sie das hinter sich lassen können?
In Hannover fahre ich deutlich lieber Fahrrad. Ich wünschte, ich könnte jetzt sagen: Berlin ist heute auch eine tolle Fahrradstadt. Aber dafür ist in den vergangenen fünf Jahren einfach nicht genug passiert, das muss man leider so sagen.

Sie werden gelegentlich als „bester Senator, den Berlin nie hatte“ bezeichnet. Empfinden Sie das als Lob oder ist das im Gegenteil ein Hinweis darauf, dass Sie hier hätten mehr erreichen können?
Wir haben im Wissenschaftsbereich schon das Optimale erreicht, da bin ich auch ziemlich stolz drauf. Ich habe meinen Job als Staatssekretär immer gerne gemacht, alles darüber hinaus hatte ich nicht in der Hand.

Neue Wohnheimplätze für Studierende: Hier hinkt Berlin hinterher, gibt Krach zu.
Neue Wohnheimplätze für Studierende: Hier hinkt Berlin hinterher, gibt Krach zu.
© Jens Kalaene/dpa

Was würden Sie als größten Erfolg in Berlin bezeichnen, was als Ihre größte Niederlage?
Bei den größten Erfolgen würde ich differenzieren, es fällt vielen sicher sofort das neue Herzzentrum oder das Institut für Gesundheitsforschung ein. Aber für mich ist die Entwicklung der Berlin University Alliance schon herausragend. Das ist das spannendste und ambitionierteste Wissenschaftsprojekt, das es bundesweit gibt. Das gibt es auch in Europa so kein zweites Mal.

Natürlich bleibt dieser Tag in der Erinnerung als unsere Unis und die Charité den Exzellenztitel holten. Das war ein ziemlicher Hammer. Immer wenn ich an der Urania vorbeifahre, denke ich an die Party zurück, als dieser Erfolg gefeiert wurde. Die BUA hat ein Riesenpotenzial, das verändert den gesamten Standort.

Ich würde aber auch die Einrichtung des Instituts für Islamische Theologie als Beispiel nennen. Da gab es lauter Stimmen, die meinten, das geht in Berlin gar nicht und wird nicht funktionieren. Wir haben unendlich viele Gespräch geführt mit allen Beteiligten, das Projekt stand ständig auf der Kippe. Jetzt gibt es das Institut, mit hervorragenden Professorinnen und Professoren, die Nachfrage bei Studierenden ist gut, die Lehrkräftebildung läuft an, die Zusammenarbeit mit anderen Theologien wächst. Das war kein einfacher, aber gesellschaftspolitisch wichtiger Schritt. Der dritte Punkt ist eine Personalie.

Die Berufung von Christian Drosten?
Das hat eigentlich die Charité gemacht. Die zentrale Personalie in dieser Legislatur war für mich,  Heyo Kroemer als Vorstandsvorsitzenden an die Charité zu holen. Er hatte schon in Göttingen einen sensationellen Ruf, und die Niedersachsen haben alles getan, um ihn zu halten. Es waren lange Verhandlungen, aber die absolut richtige Entscheidung, das hat sich schon jetzt gezeigt. Ich hoffe, Berlin sieht das.

Was ist politisch der größte Misserfolg?
Es ärgert mich, dass wir beim studentischen Wohnen nicht so weit vorangekommen sind. 5000 zusätzliche Wohnheimplätze sollten die städtischen Wohnungsbaugesellschaften und die Berlinovo bauen, davon ist heute erst etwas mehr als die Hälfte da. Ein Misserfolg wäre es auch, wenn wir die Früchte des Ausbaus in der Lehrkräftebildung an unseren Unis nicht ernten können, weil die Absolvent*innen wegen besserer Konditionen in andere Bundesländer ziehen. Das kann sich Berlin nicht leisten, die Verbeamtung für Lehrer*innen muss schnell nach der Wahl kommen.

Ihre politische Arbeit ist in Berlin noch nicht beendet. Noch steht die Novelle des Hochschulgesetzes an. Man hat den Eindruck, dass niemand mit dem Gesetzentwurf zufrieden ist. Wäre es vielleicht besser, das Vorhaben zu verschieben und nach der Wahl neu zu verhandeln?
Und wer glaubt, dass dann alles besser ist? Eine Hochschulgesetznovelle im Land Berlin zu machen, ist eine Herausforderung. Alle zufriedenzustellen wird nicht gelingen, weil die Standpunkte so unterschiedlich sind. Ich bin überzeugt, dass wir einen guten und ausgewogenen Entwurf vorgelegt haben, der wichtige Impulse setzt für die weitere Entwicklung des Hochschulstandorts. Wir haben viele wichtige Anliegen verschiedener Akteure berücksichtigt, von den Studierenden genauso wie von den Präsidien. Aber eben nicht von jedem alles.

Der Gesetzesentwurf sieht auch vor, die Arbeitsbedingungen für Forschende unterhalb der Professur zu verbessern. Das ist gerade ein Riesenthema, Stichwort: Ich bin Hanna. Ausgerechnet da scheinen die Unipräsidenten aber nicht wirklich mit im Boot zu sein. Glauben Sie, dass sich hier wirklich etwas Entscheidendes verbessern wird?
Erste Verbesserungen hat es in Berlin schon gegeben mit der Tendenz zu mehr unbefristeter Beschäftigung. Ich glaube, die meisten Hochschulkanzler*innen haben nicht grundsätzlich etwas dagegen. Es ist einfach auch eine Frage der kontinuierlich guten Finanzierung. Wenn man es schafft, die Budgetaufwüchse fortzusetzen und das für Hochschulleitungen planbar ist, kann ich keine Gründe gegen weitere Verbesserungen erkennen. Deshalb bin ich besonders froh, dass wir die 3,5 Prozent Aufwüchse auch für 2023-2027 vereinbart haben.

Sie haben es schon angesprochen: Der größte Erfolg der Legislaturperiode war die Exzellenz. Allerdings hakt der Aufbau der BUA, das hat selbst HU-Präsidentin Sabine Kunst zugegeben. Sind Sie enttäuscht von den Unis?
Nein. Der Start der BUA war im November 2019. Dann kam Corona nur fünf Monate später und stellte auch die Unis auf den Kopf. Dass dann der Fokus erstmal woanders lag, liegt auf der Hand.

Natürlich sind meine Erwartungen an die BUA deutlich höher, als an die anderen Exzellenzuniversitäten, weil wir etwas völlig anderes machen, mit einem deutlich höheren Anspruch und auch größerer Komplexität. Na klar soll die BUA dann heller strahlen als die anderen Exzellenzprojekte. Wenn auf dem Weg dahin auch mal Reibung entsteht, ist das vor allem ein Zeichen dafür, dass sich Dinge bewegen. Und ganz ehrlich, ich sehe keine andere Exzellenzuni, bei der ich sagen würde: Meine Güte, da sind die viel weiter als wir.

Impfpflicht gegen Corona - würde Steffen Krach befürworten, hält eine Umsetzung aber politisch für sehr schwierig.
Impfpflicht gegen Corona - würde Steffen Krach befürworten, hält eine Umsetzung aber politisch für sehr schwierig.
© Kay Nietfeld/dpa

Kommen wir zur Pandemie. Am Corona-Management im Zusammenspiel mit den Hochschulen war bislang kaum Kritik zu vernehmen. Allerdings ist es nicht gelungen, ein einheitliches Impfprogramm für die Hochschulen aufzustellen. Woran liegt das?
Wir haben in unserer Taskforce koordiniert, dass die Hochschulen sofort loslegen mit Impfangeboten, als die Impferlaubnis für die Betriebsärzte kam. Und wir haben als erstes Bundesland bereits Mitte Juni mit Schwerpunktimpfungen für Studierende an Hochschulen und in Wohnheimen begonnen, dazu noch die Möglichkeiten über Impfzentren und Praxen. Ich finde das schon recht einheitlich und schnell. 

Wie viele Studierende sind denn geimpft?
Das wissen wir nicht und dürfen das auch nicht erheben. Da gibt‘s bundesweit noch keine verlässlichen Zahlen, das ist nicht gut. Aber ich sehe keinen Grund, warum unter Studierenden eine 80 Prozent Quote nicht erreichbar sein sollte. Das ist jetzt die zentrale Aufgabe, zusammen mit den Hochschulen diejenigen zu bewegen, die noch kein Impfangebot angenommen haben.

Wie wird das Wintersemester aussehen?
Klar ist: Wir wollen, dass das Wintersemester deutlich stärker auf Präsenz ausgerichtet ist. Mir ist wichtig, dass das Leben auf den Campus zurückkehrt. Die Voraussetzungen dafür haben wir in einem Eckpunktepapier vereinbart, die Hochschulen können in die Planung einsteigen. Ob man mit 500 Leuten in einem Hörsaal sitzen muss? Das ist vielleicht nicht so schlau, und man kann sich auch grundsätzlich fragen, ob große Vorlesungen digital nicht ohnehin attraktiver sind. Unsere Hochschulen sind Präsenzhochschulen. Aber wir sollten nicht alles auf den Februar 2020 zurückdrehen, sondern bewährte Digitalformate mit Vorteilen für Studierende und Lehrende, auch in Zukunft behalten. 

Wie sehen Sie Deutschland insgesamt für die Zeit nach den Sommerferien gerüstet? Es macht den Anschein, als ob immer wieder dieselben Fehler gemacht werden: Auf Sicht fahren, wenn Vorsorge angezeigt wäre.
Manchmal hat man das Gefühl: Als es so steil herunterging mit den Zahlen, hatten viele die Hoffnung, es bleibt jetzt so, egal was wir machen. Aber in einer Pandemie ist das nicht so. Die Diskussion um die Reiserückkehrer ist identisch mit der, die wir 2020 hatten.

Haben Sie eine Erklärung, woran das liegt?
Ich glaube, das liegt einfach an dem nachvollziehbaren Wunsch nach Normalität. Allerdings haben wir doch die Expertise, wie wir eine vierte Welle verhindern können. Wofür ich kein Verständnis habe: Verfrühte Club-Öffnungen und erst recht die eskalierenden Parkpartys. Das treibt die Inzidenzen wieder hoch. Das wichtigste ist doch, dass wir wieder eine gewisse Normalität an unseren Schulen haben, das muss aus meiner Sicht oberste Priorität haben.

Wären Sie für eine Impfpflicht?
Ein sehr schwieriges Thema. Offen gesagt, ganz persönlich wäre ich dafür. Aber mir ist bewusst, dass das rechtlich hoch umstritten ist. Der Großteil der Politik hat sich bereits dagegen ausgesprochen, das kann man nicht einfach umwerfen. Ich könnte mir vorstellen, dass man es für bestimmte Berufsgruppen macht. Aber auch das ist juristisch heikel.

Sie haben selber zwei kleine Kinder. Wie würden Sie aus Ihrer Sicht als Vater das Pandemiemanagement bewerten?
Wir waren dreimal in Quarantäne. Beim letzten Mal ist meine Frau in eine andere Wohnung gezogen, weil sie schwanger und dadurch besonders gefährdet ist. Sie war dann zum Abendessen per Videokonferenz zugeschaltet. Das ist schon krass, wenn man mit kleinen Kindern nicht mehr die Wohnung verlassen darf. Mein Älterer ist in der ersten Klasse, die Lehrkräfte waren im Fernunterricht per Video sehr engagiert, keine Frage, aber das Homeschooling ersetzt einfach nicht den richtigen Schulunterricht. Wir sind da sicher noch privilegiert, mit einer schönen Wohnung und einem Balkon. Dennoch: Mir kann niemand erzählen, dass das spurlos an Kindern vorübergeht. Da werden wir noch viele Jahre nacharbeiten müssen.

Zur Startseite