Schutz vor Thrombose: Immer in Bewegung bleiben
Verklumpt das Blut, drohen Venenthrombosen und Lungenembolien. Doch das lässt sich verhindern, wenn man an die Gefahr denkt - insbesondere bei Jüngeren.
Als der CDU-Politiker Philipp Mißfelder vor wenigen Monaten plötzlich starb, war die Bestürzung groß. Zugleich aber auch die Verwunderung: Eine Lungenembolie, mit nur 35 Jahren? Wie kann das sein? Tatsächlich trifft so etwas meist ältere Menschen, Operierte, die sich längere Zeit nicht bewegen dürfen, Menschen mit einer vererbten Neigung zu Gerinnseln in Blutgefäßen, aber auch Schwangere oder Krebspatienten. Trotzdem bekommen immer wieder auch Jüngere eine Lungenembolie – aus vermeintlich heiterem Himmel. Tragisch ist, dass die Medizin den meisten heute gut helfen könnte. Die Warnzeichen werden aber gerade bei jungen, gesunden Menschen oft übersehen. Und zwar von Ärzten und Betroffenen gleichermaßen.
Unklare Schmerzen in der Wade
So hatte die Fernsehmoderatorin Andrea Göpel Glück im Unglück. Zwar deutete sie die Schmerzen in ihrer Wade zunächst nicht als Symptom einer Venenthrombose, sondern als schlichten Muskelkater. Als es ihr beim Bügeln schwarz vor Augen wurde und sie kaum mehr Luft bekam, fuhr sie jedoch in die Notaufnahme eines Krankenhauses. Auch dort tippten die Ärzte bei der Mittvierzigerin nicht sofort auf ein in die Lunge verschlepptes Blutgerinnsel, das lebenswichtige Gefäße zu verschließen drohte. Aber als die Diagnose klar war, bekam sie sogleich blutverdünnende Medikamente. Auch Monate später nimmt sie weiterhin ein solches Mittel regelmäßig ein. Zur Vorbeugung.
Göpel berichtete über ihre Krankengeschichte anlässlich des zweiten Welt- Thrombose-Tages. Der soll jährlich am 13. Oktober, dem Geburtstag Rudolf Virchows, an das Volksleiden erinnern. Der berühmte Berliner Mediziner hatte die Entstehung von Blutgerinnseln mit einer dreifachen Veränderung erklärt, der „Virchowschen Trias“: Einer Veränderung der Zusammensetzung des Blutes, seiner Strömung und der Wand der Gefäße, durch die es fließt. Alles zusammen führt dazu, dass das Blut im Gefäß gerinnt und sich ein Pfropf (griechisch: thrombos) bildet. Alle Fälle, in denen ein solcher Pfropf sich löst und durch die Venen weiter nach oben geschwemmt wird, bezeichnen Ärzte als Venöse Thromboembolien. Nach Herzinfarkt und Schlaganfall sind sie die dritthäufigste Herz-Kreislauf-Erkrankung.
Eine Thromboembolie ist heilbar
„Dabei ist eine Thromboembolie mit guter Vorbeugung vermeidbar. Und sie ist heilbar, wenn sie rechtzeitig erkannt wird“, sagt Stavros Konstantinides, Ärztlicher Direktor des Zentrums für Thrombose und Hämostase der Universitätsmedizin Mainz. Er ist einer der Autoren einer europäischen Empfehlung, in der der neueste wissenschaftliche Stand festgehalten ist. Ihr folgt jetzt eine kleine Flut nationaler Leitlinien: So hat die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie kürzlich eine eigene Leitlinie veröffentlicht, und eine interdisziplinäre deutsche Leitlinie „Venöse Thrombose“ wurde gerade von 15 Fachgesellschaften gemeinsam entworfen, die in der Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlich-Medizinischer Fachgesellschaften (AWMF) zusammenarbeiten. Demnächst soll eine weitere Leitlinie folgen, die sich auf höchstem wissenschaftlichem Niveau mit der Frage der Vorbeugung befasst.
Klar ist, dass es die Beinvenen bei ihrer Arbeit unterstützt, wenn Fuß- und Beinmuskeln im Alltag immer wieder in Aktion treten. Ausdauersportarten wie Schwimmen, Walking, Radfahren oder Wandern sind für die Vorbeugung besonders geeignet. Förderlich ist auch eine spezielle Venengymnastik. In den fachlichen Guidelines geht es allerdings vor allem um die Frage, welche Gruppen von Menschen zusätzlich Medikamente brauchen – und wenn ja: welche und für wie lange. „Leider sagt uns ja kein Test eine drohende Thrombose voraus“, sagt Konstantinides.
Wer operiert wird, sollte Heparin nehmen
Flankierend zu chirurgischen Eingriffen sollen die Patienten zur Sicherheit für begrenzte Zeit meist Heparin nehmen. Hatten sie schon eine Thromboembolie oder muss ihr Blut aus anderen Gründen flüssig gehalten werden und sie brauchen dafür langfristig ein Medikament, dann sind Gegenspieler des Vitamins K die „Klassiker“. Unter ihnen ist besonders das Präparat Marcumar bekannt.
In der europäischen Leitlinie werden die Mittel, die gespritzt werden müssen, als die geltende Standardtherapie bezeichnet. Neuere Mittel zum Einnehmen, die viele praktische Vorzüge haben, mit denen es allerdings noch nicht ganz so viel Erfahrung gibt, fungieren als empfohlene Alternative. „Patienten, die schon gut auf einen Vitamin-K-Antagonisten eingestellt sind, sollten ihn aber weiterspritzen“, sagt die Gefäßspezialistin Edelgard Lindhoff-Last, die in der Internationalen Gesellschaft für Thrombose und Hämostase (ISTH) an den Empfehlungen zur Gerinnungshemmung mitwirkt. In jedem Fall gilt, dass dabei zwei Dinge gegeneinander abgewogen werden müssen: Es darf nicht zu gefährlichen Blutungen kommen, gleichzeitig soll eine erneute Thrombose verhindert werden.
Geschwollene Beine, blau verfärbte Haut
Wenn es dazu gekommen ist, wenn ein Knöchel oder das ganze Bein geschwollen ist und sich warm anfühlt, wenn die Haut sich blau verfärbt oder es plötzlich in der Wade weh tut, führt die meisten Menschen der Weg zuerst zu ihrem Hausarzt. Vier Prozent der gesetzlich Versicherten haben im Jahr 2011 bei einem niedergelassenen Arzt wegen einer Venenerkrankung, einer Thrombose oder einer Thromboembolie Rat gesucht. Das geht aus der Datenerhebung des Zentralinstituts für die Kassenärztliche Versorgung hervor.
„Ambulante Thrombosediagnostik ist schnell und gut möglich“, sagt Horst Gerlach, Vorsitzender des Berufsverbandes der Phlebologen (Venenspezialisten). Die Ärztin oder der Arzt sollten den Patienten zunächst genau untersuchen und befragen, etwa mithilfe des sogenannten Wells-Scores (nach dem kanadischen Internisten Philip S. Wells). Anschließend wird eventuell bei einer Blutuntersuchung nach D-Dimeren gefahndet, Spaltprodukten des Fibrins, das sich bei der Blutgerinnung bildet. Auf dieser Grundlage entscheidet sich dann, ob Gefäßmediziner Bein- und Beckenvenen per Ultraschall untersuchen sollten und ob eventuell weiterführende Röntgenuntersuchungen nötig sind.
Die Wege für Diagnostik und Therapie sind inzwischen also recht eindeutig kartiert. „Doch es hapert bei der Umsetzung“, kritisiert Gerlach. Dabei kann es fatal sein, wenn ausgerechnet bei der Fahndung nach einer Thrombose etwas ins Stocken gerät.