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Wissenschaftseinrichtungen haben dem Großverlag Elsevier gekündigt - den Schaden haben Forscher, die nicht mehr an Literatur kommen, sagt unser Autor.
©  TUB/Boeck

Gastbeitrag zu Open Access: Im Krähwinkel der Wissenschaft

Access Denied: Der Streit des Hochschulkonsortiums "Deal" mit Wissenschaftsverlagen führt Forscher ins Abseits - vor allem das Beharren auf Open Access ist fatal, meint unser Gastautor.

Mit Wissenschaft kann man viel Geld verdienen. Nicht unbedingt als Wissenschaftler. Aber als Wissenschaftsverlag, der die Ergebnisse der Wissenschaft als Publikationen unter die Wissenschaftler bringt. Die Umsatzrendite des größten von ihnen – Elsevier – liegt bei mehr als 30 Prozent. Und ja: Das ist ein Skandalon. Denn Elseviers Nasengold wird aus Steuergeldern bezahlt, die hinterher für die anderen Kernaufgaben der Wissenschaft – Forschung und Lehre – fehlen.

Ein Skandalon. Aber der Markt gibt es her. Gab es her – doch nun nicht mehr. Ein Teil des Marktes zumindest. Die Verhandlungen eines Konsortiums des schönen Namens „DEAL“ (das die Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen vertritt und von der Hochschulrektorenkonferenz geführt wird) mit Elsevier sind krachend gescheitert. Nicht an der Gier von Elsevier. Aber am Dogma der DEALmaker, die insistierten, dass Open Access sein müsse. Überall und subito.

Ein Deal im Stil des Trumpismus

Ein Deal im Stil des Trumpismus, nur ohne Getwitter. Open Access First, ein großer Knall, ein Scherbenhaufen und lauter Beschädigte. Elseviers Rendite wird ein wenig leiden (denn der DEAL repräsentiert viele, aber nicht alle deutschen Wissenschaftseinrichtungen). Und Elsevier ist ein Global Player, der einige der weltweit einflussreichsten wissenschaftlichen Journale verlegt. Richtig leiden aber tun die Wissenschaftler an den Einrichtungen, die die DEALer vertraten, denn Elsevier hat ihnen die elektronischen Zugänge zu den Fachpublikationen abgedreht. Closed Access. Und ja: Die dürfen das. Es ist unschön, aber rechtens, denn die existierenden Verträge wurden vonseiten der DEAL-Partner schon 2016/17 gekündigt.

Für die Wissenschaftler – ich bin einer, ein Pharmakologe – ist es aber fatal. Der Access zu Fachpublikationen ist kein Accessoire der Wissenschaft, es ist eines ihrer Kernstücke. Fehlt der Zugang, kann ich im geschwinden, globalen, hochkompetitiven Wissenschaftsbetrieb auch gleich meinen Abgang machen. Zum Beispiel in die Bibliothek, wo ich vielleicht nach langem Suchen im Druck noch das finde, was mir das Netz verwehrt. Oft aber auch nicht: Vieles gibt es nur noch digital.

Das ist ein schlechter Deal, der uns da von den DEALmachern, die allesamt nicht an den Forschungsfronten ihrer Institutionen arbeiten, beschert wurde.

Der Autor: Josef Pfeilschifter ist Professor für Pharmakologie und Toxikologie an der Uni Frankfurt am Main. Er sitzt im Editorial Board des „European Journal of Pharmacology“, das von Elsevier herausgegeben wird.
Der Autor: Josef Pfeilschifter ist Professor für Pharmakologie und Toxikologie an der Uni Frankfurt am Main. Er sitzt im Editorial Board des „European Journal of Pharmacology“, das von Elsevier herausgegeben wird.
© Till Eitel eyetill.com/promo

Was uns den Access verschloss, war die Forderung nach dem offenen Access. Das ist seit einigen Jahren das Lieblingskind unserer Wissenschaftsmanager. Jeder, wirklich jeder, soll meine Publikationen über die spezielleren Aspekte der Immunpharmakologie lesen können. Und zwar umsonst. Das ist sehr schön demokratisch gedacht, wenn ich auch bezweifle, dass es mir sehr viel mehr Leser bringt. Und umsonst ist es auch nicht. Denn bezahlt wird nach wie vor, nur diesmal am Anfang des Publikationsprozesses. Früher zahlten die Kunden für das fertige Produkt. Unter Open Access zahle ich dafür, dass die Publikationen editiert und öffentlich bereitgestellt werden. Früher hätte man gesagt: Der Autor trägt die Druck- und Verlagskosten, das Buch wird verschenkt. Was in den Zeiten der auf Papier gedruckten Werke ein ziemlich eindeutiger Hinweis auf deren Mediokrität war.

Im Open Access läuft es ähnlich. Ich kenne keinen Kollegen, dem nicht auch unter einer Flut von Anfragen von wöchentlich neu gegründeten Open-Access-Journalen die Mailbox überliefe: Ob man nicht dies und das publizieren wolle, ziemlich egal was, Hauptsache, man bezahlt es. In diesen Journalen bekommt man wirklich jeden Unsinn veröffentlicht, es sind – erneut trumpisch gesprochen – die Fake-News-Multiplikatoren der Wissenschaftswelt.

(...) ist die Qualität von wissenschaftlichen Zeitschriften keine Frage des Geschäftsmodells (sprich: Open Access versus Closed Access), sondern vielmehr eine Frage der Seriosität des Anbieters.

schreibt NutzerIn openaccess

Elsevier: gierig, aber seriös

Das ist, wohlgemerkt, nicht das Geschäftsmodell von Elsevier. Die sind gierig, aber seriös. Sie haben zwar ein paar Dutzend Open-Access-Journale, aber es sind nicht gerade die Flaggschiffe. Und wer auf denen segeln will, kann sich dort nicht einkaufen, sondern muss sich einer sehr strikten Musterung unterziehen.

Aber was auf den Flaggschiffen passiert, das bekomme ich jetzt nicht mehr mit. Es ginge schon. Mit ein wenig Aufwand. Meine Uni hat keine Lizenz. Aber ich habe eine Kreditkarte. Da kann ich bei Elsevier jeden Artikel, der mich interessiert, für einige Dutzend Euro aus dem Gefängnis der neu aufgerichteten Paywall freikaufen, mir eine Quittung ausdrucken und die hinterher zusammen mit einem wohlbegründeten Antrag (zweifach) der Lektürenotwendigkeit bei meiner Universitätsverwaltung zur Rückerstattung einreichen. Das schafft sicher einige neue Arbeitsplätze in der Verwaltung und zwingt mich zu einer bedachten, selektiven, kostenbewussten Lektüre.

Oder ich mache wirklich meinen Abgang in die Bibliothek, lese gemächlich in staubigen Bänden nach, wie das früher war, und schreibe eine träumerische, wehmütige, ungelesene Publikation über das Wesen der Forschung in den guten alten analogen Zeiten, da noch jeder, vom globalen Geschehen weitgehend abgeschirmt, im lokalen Elfenbeintürmchen saß.

So herrlich ruhig ist's hier in der Bibliothek. Schöne Grüße aus dem Krähwinkel. Bitte nicht stören, nicht eintreten. Access denied.

Josef Pfeilschifter

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