Streit um teure Zeitschriften-Abos: Berliner Unis kündigen "Verlagsriesen"
Jetzt machen auch die Berliner Unis im Streit um teure Zeitschriften-Abos ernst: Sie kündigen den Vertrag mit dem Wissenschaftsverlag Elsevier.
Die drei großen Berliner Universitäten und die Charité wollen ihren Vertrag mit dem internationalen Wissenschaftsverlag Elsevier zum Jahresende kündigen. Der „Verlagsriese“ wolle einen Vorschlag der deutschen Unibibliotheken für „faire Preise und den freien Zugang zu Wissen“ nicht aufgreifen, hieß es am Freitag zur Begründung.
Zuvor hatten sich die Humboldt-Universität, die Technische Universität, die Freie Universität und die Charité mit dem „Projekt Deal“ der Allianz der Wissenschaftsorganisationen solidarisch erklärt. Es sieht vor, den Zugang zu wissenschaftlicher Literatur durch bundesweite Verträge mit den großen Verlagen Elsevier, Springer/Nature und Wiley zu verbessern.
Das Ziel: Zahlen pro Artikel - dann für alle kostenfrei verfügbar
Die Verträge sollen auf ein neues Finanzierungsmodell umgestellt werden, dass die Wissenschaftseinrichtungen finanziell entlastet und ihnen erlaubt, ihre Publikationen auf Open-Access-Basis bereitzustellen. Statt über Zeitschriftenabonnements im Paket, für die derzeit über die Hälfte der Ausgaben der Unibibliotheken an die drei großen Verlage fließen, soll die Finanzierung über die Publikationskosten einzelner Artikel erfolgen, heißt es in der Erklärung vom Freitag.
„Die Universität zahlt für die Begutachtung und Publikation durch den Verlag einen einmaligen Betrag, das können etwa 2000 Euro sein“, erläutert TU-Präsident Christian Thomsen. Der Verlag würde den Artikel danach kostenfrei für jedermann verfügbar machen.
Über „Deal“ verhandelt die Allianz seit 2016 unter der Leitung von Horst Hippler, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, mit Elsevier und den beiden anderen Verlagen. Springer/Nature und Wiley sollen sich für den Deal-Vorschlag offen zeigen, Elsevier nicht.
Hoffnung, dass sich Elsevier unter Druck bewegt
Vor den Berliner Unis haben bereits über 70 wissenschaftliche Einrichtungen ihre Zeitschriftenabos bei Elsevier gekündigt – darunter die Unis in Aachen, Göttingen, Hamburg, Münster und die TU-München – weitere sollen nun folgen, kündigen FU, HU, TU und Charité an. Berlin sei nach Baden-Württemberg das zweite Bundesland, das aus dem Vertrag aussteigt, sagt Thomsen. Er sei sicher, dass die Kündigungen Elsevier „aus ökonomischen Gründen zum Einlenken bewegen werden“. Die im Paket verkauften Abonnements seien die große Einnahmequelle der Verlage.
In Berlin waren auch Wissenschaftler, die bei Elsevier erscheinende Zeitschriften herausgeben oder Artikel begutachten, aufgerufen worden, ihre Tätigkeit im Protest niederzulegen. Dies werde nun nicht mehr weiterverfolgt, sagt Thomsen. „Die Kündigung der Leselizenzen ist ein wesentlich stärkeres Druckmittel.“ Thomsen hofft, dass Elsevier einlenkt, „bevor es für die Wissenschaftler zu Einbrüchen beim Bibliotheksservice kommt". Für die Nutzer bedeute die Abo-Kündigung aber nicht, dass sie auf Fachaufsätze verzichten müssen. Sie könnten weiter einzeln bestellt und bezahlt werden.
Amory Burchard