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Zwei Männer enthüllen eine Gedenktafel.
© picture alliance / dpa

Wie sich Deutschland für verfolgte Forscher einsetzt: Im Dialog mit Unrechtsstaaten, um Wissenschaftlern zu helfen

Mahnen und im Dialog bleiben: Wie die Bundesregierung auf Repressionen gegen Wissenschaftler in Partnerländern reagiert.

In vielen Ländern, mit denen Deutschland in Forschung und Lehre kooperiert, sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Gefahr. In der Türkei werden Hochschulangehörige verfolgt, die einen Friedensappell für die Kurdengebiete unterzeichnet haben oder als Gülen-Anhänger verdächtigt werden. In China werden Menschenrechtsaktivisten inhaftiert. Russland wirft Wissenschaftlern „antirussische“ Umtriebe vor oder setzt ihre Initiativen als „ausländische Agenten“ unter Druck. Dramatisch ist die Lage auch in Ägypten und im Iran.

Die Grünen im Bundestag wollten jetzt durch eine Kleine Anfrage erfahren, welche Erkenntnisse die Bundesregierung dazu hat und welche Konsequenzen sie daraus zieht.

Bei Verstößen werden Beziehungen nicht abgebrochen

Aus den Antworten des Auswärtigen Amts lässt sich eine Strategie der Außenpolitik in der Wissenschaft ablesen: Die Situation wird zwar „aufmerksam“ und „intensiv“ beobachtet und die Menschenrechtslage bei Regierungsstellen angesprochen. In Kooperationsverträgen wird aber nicht zur Bedingung gemacht, dass die Partnerländer die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit garantieren. Bei Verstößen werden Beziehungen auch nicht abgebrochen. Vielmehr setzt das Auswärtige Amt darauf, sie fortzusetzen und den beteiligten Wissenschaftlern und Studierenden weiterhin die „Begegnung mit freier Wissenschaft“ zu ermöglichen.

"Der Sorge um das Wohlergehen Ausdruck verliehen"

Ein staatliches Monitoring der Verfolgungen gibt es nicht. Das Auswärtige Amt beruft sich auf externe Quellen wie Berichte von Amnesty International oder von Initiativen verfolgter Wissenschaftler. Nach Konsequenzen gefragt, erklärte das Auswärtige Amt wiederholt, „die Themen Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit“ würden „in geeigneter Weise“ angesprochen.

Im Fall des in China 2012 zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilten Wirtschaftswissenschaftlers Ilham Tohti, der sich für die uigurische Minderheit eingesetzt hatte, liest sich das so: Wie auch die EU und andere Staaten habe die Bundesregierung „in öffentlichen Stellungnahmen wie im politischen Dialog ihrer Sorge um das Wohlergehen von Prof. Ilham Tohti und die Besorgnis über fehlende rechtsstaatliche Grundsätze beim Gerichtsverfahren gegen seine Person Ausdruck verliehen“.

Keine Reisewarnung für deutsche Wissenschaftler

Eine Reisewarnung für Länder, die kritische Akademiker verfolgen, spricht das Auswärtige Amt nicht aus. Deutsche seien nur vereinzelt „durch Nicht-Erteilung von Visa oder durch andere administrative Hürden“ betroffen.

Welche Gefahren auch ausländischen Forschern in Ägypten drohen können, zeigt der Fall des italienischen Sozialwissenschaftlers Giulio Regeni. Er forschte dort als Doktorand der Uni Cambridge zu unabhängigen Gewerkschaften und sozialer Ungleichheit. Der gewaltsame Tod des 28-Jährigen Anfang 2016 wurde bislang offiziell nicht aufgeklärt. Wegen Zeichen schwerer Folter besteht der Verdacht, der ägyptische Sicherheitsapparat könnte in den Mord verwickelt sein.

"Schutzräume" für Forschende - und Einblicke in deutsche Kultur

Auf die Frage, wie sich dieser Fall auf die deutsch-ägyptischen Wissenschaftsbeziehungen auswirken könnte, antwortet das Auswärtige Amt, infolge des Todes Regenis hätten „Wissenschaftsmittler und einzelne Akademikerinnen und Akademiker“ ihre Forschung in Ägypten reduziert. An Kooperationen mit Ägypten will die Bundesregierung festhalten. Ebenso wie Stipendienprogramme für ägyptische Studierende und Wissenschaftler böten sie diesen „Schutzräume“, heißt es – und „Einblicke in die deutsche Wissenschaftskultur“.

Grüne vermissen klares Bekenntnis zur Wissenschaftsfreiheit

Ähnlich äußert sich das Auswärtige Amt zur Türkei. Die Gefährdungslage wird ernst genommen: „Die restriktiven Maßnahmen der türkischen Regierung gegen Wissenschaftler umfassen Verhaftungen, Suspendierungen und Rücktrittsaufforderungen“, heißt es. Vielfach sei von deutscher Seite die Verhältnismäßigkeit bei der Verfolgung mutmaßlicher Putschbeteiligter angemahnt worden. Der fortgesetzte Dialog mit türkischen Hochschulen – insbesondere auch mit der Türkisch-Deutschen Universität in Istanbul – diene „der Unterstützung der an internationalem Austausch und Kooperation interessierten Wissenschaftler“.

Die Grünen vermissen ein „klares Bekenntnis“ zur Wissenschaftsfreiheit als Eckpfeiler der Außenwissenschaftspolitik. Der Bund müsse „jede Möglichkeit nutzen, um Eingriffen in die Wissenschaftsfreiheit Einhalt zu gebieten“, fordert Forschungssprecher Kai Gehring. Das Credo, dass der Austausch den Menschen in repressiven Ländern Nutzen bringe, sei „zu wenig“.

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