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Studierende und wissenschaftliche Mitarbeiter sitzen in einer Bibliothek an ihren Laptops.
© Nicolas Armer/picture alliance/dpa

Streit um teure Wissenschaftsjournale: Hundert Prozent Open Access

Abonnements wissenschaftlicher Journale passen nicht ins digitale Zeitalter. Zum Regelfall des Publizierens muss Open Access werden, schreibt der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft.

Wissensgüter werden immer seltener als Buch und immer häufiger als Datei präsentiert. Ihre Verbreitung kann heute ohne großen logistischen Aufwand über das Internet erfolgen. Das Geschäftsmodell zwischen Verlagen und Bibliotheken stammt jedoch aus einer Zeit, in der die Distribution gedruckter Bände und Zeitschriften die Herausforderung war. Das Leser-Abonnement, die Subskription als Bezahlmodell ist vor diesem Hintergrund nicht mehr angemessen.

In Zeiten der Digitalisierung ist es geradezu ein Anachronismus, wenn Forschungsergebnisse hinter elektronischen Bezahlschranken verborgen bleiben. Die wissenschaftliche Zusammenarbeit, der interdisziplinäre und internationale Austausch, die Aggregation von Daten – all das wird gebremst durch die künstlichen Barrieren, die die Verlage mit ihrem Subskriptionswesen errichtet haben.

200 Millionen Euro Subskriptionskosten in Deutschland

Nach wie vor wird der Zugang zu Forschungswissen teuer erkauft. Allein in Deutschland wenden die Bibliotheken von Hochschulen und Forschungseinrichtungen jährlich rund 200 Millionen Euro an Subskriptionskosten auf. Global gesehen sind es Jahr für Jahr 7,6 Milliarden Euro, die an die Verlage fließen. Die Preissteigerungen der drei großen, international aufgestellten Fachverlage und ihre Renditen sind horrend. Quasi-monopolistische Strukturen führen zu einer Asymmetrie bei Verhandlungen, die wir unbedingt aufbrechen müssen.

Dabei ist die von der Wissenschaft getragene Open-Access-Bewegung gut vorangekommen: Von den 20 Verlagen, bei denen mehr als 80 Prozent der Max-Planck-Publikationen erscheinen, ist bereits jeder vierte ein Open-Access-Verlag. Weltweit werden so inzwischen 15 Prozent aller Forschungsartikel veröffentlicht. Auf dieser Basis wollen wir aufbauen und treiben mit unseren Partnern eine neue Strategie voran. Das zeigen die aktuellen DEAL-Verhandlungen mit Elsevier um eine bundesweite Nationallizenz für den elektronischen Zugang zu dessen Fachzeitschriften. Das alte Ungleichgewicht der „vielen Kleinen gegen die wenigen Großen“ löst sich auf. DEAL hat mehrere hundert deutsche Forschungsinstitutionen hinter sich und setzt dort an, wo der Hebel zur großflächigen Umstellung auf Open Access zu finden ist: bei den Vertragsbeziehungen mit den Verlagen.

Mit den Kosten ließen sich 100 Prozent Open Access finanzieren

So geht es bei DEAL darum, in die Nationallizenz für die Subskriptionszeitschriften von Elsevier eine Open-Access-Komponente einzubauen. Alle Publikationen von Autoren aus deutschen Einrichtungen sollen damit automatisch Open Access verfügbar sein. Ähnliche Mechanismen wurden bereits in Verträgen auf Länderebene beispielsweise in den Niederlanden etabliert. Sie in weiteren Abschlüssen mit den anderen Verlagen zu verankern und den Open-Access-Anteil auf diese Weise sukzessive auszubauen, öffnet die Perspektive für die großflächige Umstellung der bestehenden Subskriptionszeitschriften, ohne deren Funktion für die Wissenschaft zu gefährden.

Studien zeigen, dass mit den momentan für Subskription verwendeten Mitteln tatsächlich eine großflächige, mindestens kostenneutrale Umstellung auf sogenannte APC (Article Processing Charges) und damit Open Access möglich ist. In diesem Fall zahlt der Autor beziehungsweise die jeweilige Forschungsinstitution einmalig die tatsächlichen Kosten für Publikationsleistungen an den Verlag, wie in den bisher erprobten Open-Access-Geschäftsmodellen üblich. Die Geschäftsgrundlage der Verlage bleibt erhalten, im Ergebnis aber sind die Inhalte für alle offen verfügbar.

Auch US-Unis schließen sich der Initiative an

Open Access muss zum Regelfall des wissenschaftlichen Publizierens werden, wenn wir nicht weiterhin wertvolle Potenziale in der Wissenschaft verschenken wollen. Die Bundesregierung hat dies mit ihrer 2016 verabschiedeten Open-Access-Strategie bekräftigt. Ein starkes politisches Signal haben die EU-Fachminister gesetzt: Sie wollen bezogen auf die Forschung, die mit EU-Mitteln gefördert wird, hundert Prozent Open Access bis zum Jahr 2020 verwirklicht sehen.

Darüber hinaus unterstützt die EU-Kommission die von der Max-Planck-Gesellschaft bereits vor einem Jahr gestartete Transformationsinitiative OA2020. Augenhöhe mit den Verlagen ist dabei zentral – und zwar auf internationaler Ebene. 78 Einrichtungen weltweit haben sich der Initiative bereits angeschlossen. Zum Beginn der 13. Berlin-Konferenz zu Open Access an diesem Dienstag kommen nun auch drei renommierte US-amerikanische Institutionen hinzu: die kalifornischen Universitäten Berkeley, Davis und San Francisco.

Noch mehr Schwung für Open Access also. Zur Konferenz haben sich übrigens auch zahlreiche Fachverlage angemeldet, was mich freut. Schließlich sehen wir sie als Partner des Wandels.

Der Autor ist Präsident der Max-Planck-Gesellschaft. Die MPG richtet am Dienstag und Mittwoch die 13. Berlin-Konferenz zu Open Access aus. Mehr als 220 Vertreter von Wissenschaftseinrichtungen aus 34 Ländern werden erwartet.

Lesen Sie hier, wie um das Urheberrecht in der Wissenschaft gestritten wird.

Martin Stratmann

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