Wegen Ämtergeschacher: Humboldt-Universität erwägt Klage gegen Studierendenvertreter
Universitäts-Präsidentin Sabine Kunst fordert mehr Transparenz. Die Unileitung will den "Refrat" jetzt per Klage zwingen, die Namen seiner Mitglieder öffentlich zu machen.
In den studentischen Gremien der Humboldt-Universität soll Ämtergeschacher und Intransparenz herrschen – auf Ungereimtheiten dieser Art hatten Studierende der HU-Zeitschrift „Unaufgefordert“ bereits im vergangenen November in einer Recherche hingewiesen, die auch der Tagesspiegel veröffentlichte. So würden Referenten im Referent_innenrat (so heißt der Asta der HU) die vorgesehene Amtszeit von höchstens zwei Jahren durch Tricks umgehen. Überhaupt hätten sie offenbar wenig Interesse, öffentlich nachvollziehbar zu machen, wer welches Amt bekleidet und dafür eine Aufwandsentschädigung bekommt. Die Probleme würden schon damit beginnen, dass oft nicht einmal die vollen Namen der Referenten öffentlich gemacht werden.
HU-Präsidentin Sabine Kunst schwieg bislang zu den Vorgängen, obwohl die Unileitung die Rechtsaufsicht über die studentischen Gremien hat. Sie habe auf die Selbststeuerung der Studierenden vertraut, sagt Kunst. Im Gespräch mit dem Tagesspiegel kündigt die HU-Präsidentin jetzt aber an, mehr Transparenz von den Studierendenvertretern einzufordern – und zwar per Klage.
Zwar habe die Unileitung den Referent_innenrat – kurz Refrat – bereits mehrfach gebeten, endlich die Klarnamen seiner Mitglieder vorzulegen. Diese sind selbst dem Präsidium nicht vollständig bekannt. Bislang hätten die Studierendenvertreter die Namen allerdings nicht genannt. Das werde die Unileitung nicht mehr hinnehmen: „Mit Blick auf eine anhaltende Auskunftsverweigerung werden wir den Weg der Auskunftsklage beschreiten“, sagt Kunst.
Die Präsidentin kennt "eine Handvoll" der Referenten
Aktuell besteht der Refrat – quasi die „Regierung“ der Studierenden – laut seiner Homepage aus 16 Referaten. Kunst kennt selber „eine Handvoll“ der Referenten: „Mit einigen haben wir ein vertrauensvolles Arbeitsverhältnis.“ Sie schätze die „vernünftigen Gespräche“ mit diesen Vertreterinnen und Vertretern. Dass der Refrat aber nicht alle Mitglieder etwa auf seiner Homepage bekannt mache, halte sie für „sehr erstaunlich bei einem Gremium, das für seine Kommilitoninnen und Kommilitonen da sein will“.
Kunst will die Studierendenvertretung auch auffordern, die Wahlordnung zum Refrat zu ändern. Die schreibt nicht vor, dass die Namen der Referenten veröffentlicht werden. „Die Ordnung muss so angepasst werden, dass – wie bei allen demokratischen Wahlen – am Ende des Tages auch die Gewählten öffentlich bekannt sind“, sagt Kunst. Sollten die Studierendenvertreter das nicht angehen, werde sie das per „Ersatzvornahme“ entscheiden – auch wenn sie damit in die Unabhängigkeit der Studierendenschaft eingreife, die sie für sehr wichtig halte. „Schön ist anders, und ich will das eigentlich auch nicht per Zwang durchsetzen. Aber im Sinne der Transparenz muss das geschehen.“
Warum weigern sich Studierendenvertreter ihre Namen zu veröffentlichen?
Warum weigern sich die Studierendenvertreter, ihre Klarnamen zu veröffentlichen? Kunst gegenüber hätten sie mit der „aufgeheizten politischen Situation in Berlin“ argumentiert, sagt die Präsidentin. Sie befürchteten politische Attacken auf sich, wenn sie ihre politische Meinung äußern – und wollten sich schützen, indem sie nur ihre Vornamen nennen. Ein anderes Argument sei, dass sich dann noch weniger Studierende für diese Tätigkeit finden als ohnehin schon. Zumindest das könne sie nachvollziehen, sagt Kunst.
Teilt die HU-Präsidentin die Ansicht, dass im Refrat ein Ämtergeschacher stattfindet? Die Recherchen der „Unaufgefordert“ ergaben, dass Referenten teilweise die vorgeschriebene Amtszeitbegrenzung auf zwei Jahre umgehen. Einige Refrat-Mitglieder sollen so seit Jahren eine Aufwandentschädigung erhalten, die bis zum Bafög-Höchstsatz (735 Euro) gehen kann. Kunst sagt zwar, sie bemerke eine „relativ stabile Repräsentanz“ unter den Studierendenvertretern. Den Verdacht des Geschachers trage sie aber nicht mit – „wie auch, wenn ich die Namen der Vertreter gar nicht kenne“. Die Aufwandsentschädigung hält Kunst nicht für zu hoch: „Wenn Studierende ihre Zeit für ein solches Amt hingeben und mit sehr viel Aufwand ihr Studium nebenher organisieren, halte ich das für gerechtfertigt.“
Kritisiert wird auch, dass nur unzureichend klar wird, wofür die verfasste Studierendenschaft Geld ausgibt. Der Haushalt des Studierendenparlaments ist hoch: 2017 betrug er knapp 780 000 Euro. Ein Großteil davon kommt aus den Beiträgen, die jeder Studierende zur Rückmeldung für das nächste Semester an die HU überweist. Der Landesrechnungshof prüfte den Haushalt der HU-Studierenden zuletzt 2001. Doch eine mangelnde Kontrolle des studentischen Haushalts sieht Kunst nicht. Ganz im Gegenteil prüfe die Haushaltsabteilung der HU jährlich die Haushaltsverwendung auch der studentischen Mittel: „Das ist schon ziemlich pingelig.“ Auch das jeweils für Finanzfragen verantwortliche Refrat-Mitglied erledige seine Aufgaben „vorbildlich“.
Der Zugang zu den Wahlen soll Studierenden erleichtert werden
Müssten der Refrat und das Studierendenparlament, das die Referenten wählt, ihre Informationspolitik verbessern? Indem sie nachdrücklicher auf anstehende Neubesetzungen von Ämtern hinweisen, Kommilitonen auffordern sich zu bewerben? Kunst will sich da nicht einmischen: „Wenn Studierende daran Interesse haben, müssen sie deutlich machen, was ihnen nicht gefällt.“ Ihrer Wahrnehmung nach diskutiere das Studierendenparlament solche Fragen bereits.
Nun ist das Interesse an den Wahlen zum Studierendenparlament gering. Zuletzt nahmen an der HU nicht einmal zehn Prozent der Studierenden teil. Hier sieht Kunst einen Handlungsauftrag für die Unileitung. Studierendenvertreter kritisierten zurecht, dass es Hürden bei den Wahlen gebe, sagt Kunst. Bislang etwa müssen sich Studierende wie bei „großen“ Wahlen immer zu einem bestimmten Wahllokal begeben, wenn sie ihre Stimme abgeben wollen – auch dann, wenn sie an einem ganz anderen Standort Vorlesungen oder Seminare besuchen. Das soll jetzt flexibler gestaltet werden. Dafür will die HU elektronische Wählerverzeichnisse einführen. Dann könnten Studierende in jedem Wahllokal ihre Stimme abgeben. Dass sie gewählt haben, wird elektronisch und damit HU-weit vermerkt, um mehrfache Stimmabgaben unmöglich zu machen.
Den Zugang zu den Wahlen wird das vereinfachen, hofft Kunst: „Bei der Großflächigkeit der Universität ist das eine berechtigte Forderung der Studierenden.“