Folgen der Coronavirus-Pandemie für Fachtagungen: Homeoffice statt Kongresshalle
Wegen der Coronavirus-Pandemie werden große Tagungen abgesagt. Nun sollen vermehrt internetbasierte Alternativen den Austausch ermöglichen.
Die Covid-19-Pandemie trifft auch die Wissenschaft. Manche Institute sind in einen Notbetrieb gegangen, bei dem kaum Personal vor Ort ist – so etwa das Deutsche Geoforschungszentrum GFZ in Potsdam, das Homeoffice verordnet hat, grundlegende Dienste wie etwa die Erdbebenüberwachung jedoch aufrecht erhält. Geplante und vorbereitete Forschungskampagnen sind ebenfalls gestrichen. So musste das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung die Flugkampagne ihrer Nordpolarexpedition „Mosaic“ absagen. Zwei Maschinen sollten von Spitzbergen aus Atmosphärenmessungen vornehmen, doch ein Forscher war positiv auf das Virus getestet worden.
Ähnlich ist es in anderen Fachgebieten. Das Konsortium „Event Horizon Telescope“, das im April 2019 das erste Foto eines Schwarzen Lochs präsentiert hatte, wollte im April eine weitere Beobachtungskampagne mit elf Teleskopen starten und sogar einen kleinen Film vom Schwarzen Loch im Zentrum unserer Milchstraße erstellen. Auch dies ist nun gestoppt wegen des Virus.
Die gegenwärtigen Ausgeh- und Kontaktbeschränkungen machen auch das Vorstellen neuer Erkenntnisse und Diskussionen auf Fachtagungen mittelfristig kaum mehr möglich. Weltweit werden Tagungen abgesagt. Dies bremst den Austausch der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und ist für Veranstalter existenzbedrohend.
Chance für das Kongresswesen?
Aber es könnte auch eine Chance sein, um das Kongresswesen nachhaltiger zu gestalten, indem auf lange Reisen verzichtet wird und die Sessions auf Online-Plattformen stattfinden. Diesen Weg probiert gerade die European Geosciences Union (EGU), die ihre Jahrestagung in Wien abgesagt hat, an der im vergangenen Frühjahr mehr als 16 000 Menschen aus 113 Ländern teilnahmen. Die Veranstalter wollen nun die wichtigsten Vorträge und Diskussionen über Online-Plattformen organisieren, die Anfang Mai „besucht“ werden können.
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Die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) hat mit der Online-Strategie gute Erfahrungen gemacht. In der vergangenen Woche sollte die Frühjahrstagung in Dresden stattfinden mit mehr als 5000 Gästen. Die Fachvorträge wurden stattdessen online übertragen, in Form eines Webinars: Präsentation und Sprecher sind sichtbar, in der anschließenden Diskussion werden die Teilnehmer per Videoverbindung zugeschaltet. „Je nach Thema hatten wir 30 bis 200 Forscher in diesen Vorträgen, ähnlich wie bei früheren Tagungen“, sagt Gerhard Samulat von der DPG-Pressestelle. „Die saßen entweder in ihren Instituten oder zu Hause, keiner musste extra nach Dresden.“
Gut für den Klimaschutz
Nach anfänglichen Problemen mit der Technik habe alles gut funktioniert und die Resonanz sei positiv gewesen, berichtet Samulat. Er könne sich vorstellen, künftig einen Teil der Konferenzen online abzuhalten. Über diese Frage werde innerhalb der DPG ohnehin seit längerem diskutiert, aus Gründen des Klimaschutzes.
Zwei weitere Vorteile gebe es obendrein: Für große Tagungen kommen nur wenige Städte mit entsprechenden Hotelkapazitäten infrage – wer auf online setzt mit wenigen Vor-Ort-Events, kann auch in kleinere Städte gehen. Und es könnten mehr Mitglieder von Arbeitsgruppen die Fachvorträge besuchen, weil keine Reisekosten anfallen und Zeit gespart wird, was am Ende sogar zu höheren Teilnehmerzahlen führen könnte.
Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung hat viel Erfahrung damit, denn er hat derartige Reisen bereits vor Jahren drastisch reduziert, zum Schutz des Klimas. „Ich besuche in der Regel einen Kongress im Jahr, nämlich die EGU-Tagung in Wien, weil die nicht so weit weg ist – anders als die Alternative, die AGU in den USA“, sagt er.
Aus seiner Sicht genügt ein großer Kongress im Jahr, um sich einen Überblick über neue Entwicklungen im Fach zu verschaffen und Kollegen persönlich zu treffen – in den Kaffeepausen, aus denen wohl etliche erfolgreiche Projekte hervorgegangen sind. „Ein persönlicher Austausch ist wichtig“, sagt Rahmstorf. Die Hälfte seiner Kongress-Zeit wende er dafür auf, sich zum Essen oder auf einen Kaffee mit Kollegen zu treffen.
Small-Talk auch bei Onlinekonferenzen
Solche informellen Begegnungen bei Online-Konferenzen zu ermöglichen, sei ein wichtiger Aspekt, sagt Susann Morgner von der Berliner Agentur „con gressa“. Dort werde mit verschiedenen Tools wie einem eigenen Small-Talk-Kanal beim webbasierten Messenger „Slack“ experimentiert oder mit Optionen, die gezielt Teilnehmer nach Herkunftsorten oder Themeninteressen zusammenbringen. „Die Nachfrage nach Online-Konferenzen gibt es schon länger, hat aber mit der Fridays-For-Future-Bewegung im vergangenen Jahr deutlich zugenommen“, berichtet sie.
Jetzt könnte diese Form eine Rettung für die Branche sein. „Fast alle Veranstaltungen werden abgesagt, selbst für die wichtigen Kongressmonate September und Oktober wagt derzeit kaum einer eine Prognose“, sagt Morgner. Die Zukunft von Congressa stehe auf dem Spiel. Da helfe es schon, wenn Auftraggeber eine Präsenzveranstaltung jetzt durch eine Online-Variante ersetzen. „Wir testen gerade verschiedene technische Optionen und entwickeln selbst.“ Im Sommer will Morgner erste Veranstaltungen komplett virtuell anbieten.
Eine Zukunft ganz ohne Präsenzveranstaltungen kann sie sich aber nicht vorstellen. „Gerade dort, wo die Bevölkerung involviert ist, kann man nicht alles auf Online verlegen“ etwa bei der Langen Nacht der Wissenschaften, die „con gressa“ jahrelang organisiert hat. Die Zukunft des Tagungswesens dürfte also eine Mischung aus Präsenz- und Online-Varianten sein. Wenn die Coronakrise überstanden ist.
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