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Eine Hebamme tastet den Bauch einer Schwangeren ab.
© Caroline Seidel/dpa

Effekt des Klimawandels auf Geburten: Hitzetage könnten die Dauer der Schwangerschaft verkürzen

Hitze während der Schwangerschaft ist nicht nur belastend – sie kann auch zu früheren Geburten führen. Was das für die Kinder bedeutet, ist unklar.

Hitze kann zu kürzeren Schwangerschaften führen. Das ist das Ergebnis einer neuen Analyse aus den USA. Es sei davon auszugehen, dass im Zuge des Klimawandels zunehmend mehr Schwangerschaften betroffen sein werden. Das schreiben Alan Barreca von der University of California in Los Angeles und Jessamyn Schaller im Fachmagazin "Nature Climate Change".

Studien legen nahe, dass extreme Wärme das Risiko für eine frühere Geburt erhöhen kann. Bislang sei der Effekt jedoch nicht genau beziffert worden, so Barreca und Schaller. Für ihre aktuelle Analyse werteten die beiden Forscher nun rund 56 Millionen Geburten in den USA im Zeitraum von 1969 bis 1988 aus.

Den Basiswert für die Rechnung bildete die tägliche Geburtenrate, also wie viele Geburten pro 100.000 Frauen an einem Tag stattfanden. Diese Geburtenrate verglichen sie an einem Tag mit einer Höchsttemperatur von mehr als 32,2 Grad mit demselben Kalendertag in anderen Jahren, an denen das Thermometer nur zwischen 15,6 bis 21,1 Grad Celsius anzeigte.

Im Vergleich dazu stieg die Geburtenrate an einem heißen Tag um etwa eine Geburt pro 100.000 Frauen (insgesamt, also nicht nur schwangere Frauen) an. Auch am Folgetag war die Rate noch um 0,66 Geburten pro 100.000 Frauen erhöht. Ab dem dritten Tag ging der Effekt deutlich zurück, doch erst zwei Wochen nach dem heißen Tag war er statistisch nicht mehr nachweisbar, die Geburtenrate hatte sich also wieder normalisiert.

Ein heißer Tag könnte eine Schwangerschaft um sechs Tage verkürzen

Aus diesen Daten errechneten die Wissenschaftler dann, wie viele Schwangerschaftstage mutmaßlich aufgrund der heißen Tage verloren gingen, also um wieviel kürzer die Schwangerschaften wurden.

Bei jährlich etwa 30 heißen Tagen im Untersuchungszeitraum schätzen die Wissenschaftler, dass in den gesamten USA fast 25.000 Geburten pro Jahr durch die Hitze verkürzt wurden. Das sei gleichzusetzen mit dem Verlust von etwa 150.000 Schwangerschaftstagen. Für eine einzelne Schwangerschaft bedeute dies, dass ein heißer Tag die Schwangerschaft um etwa sechs Tage verkürzte, schreiben die Autoren.

Außerdem untersuchten sie, ob sich Frauen, die in Gebieten mit mehr heißen Tagen leben, an die Bedingungen angepasst haben könnten. Tatsächlich fiel der Effekt der heißen Tage in solchen Regionen weniger stark aus. Eine mögliche Ursache könnte sein, dass dort Klimaanlagen stärker verbreitet sind. Nach Schätzung der Forscher könnte eine flächendeckende Nutzung von Klimaanlagen bis zu drei Viertel des Effekts der heißen Tage ausgleichen.

Schließlich berechneten die Wissenschaftler anhand von 22 aktuellen Klimamodellen, wie sich die mit dem Klimawandel immer häufiger werdenden heißen Tage auf die Schwangerschaftsdauer auswirken könnten. Demnach könnten gegen Ende dieses Jahrhunderts in den USA jährlich weitere 250.000 verlorene Schwangerschaftstage wegen heißer Tage hinzu kommen – allerdings unter der Annahme, dass die Zahl der Klimaanlagen konstant bleibt.

Welche Rolle spielen sechs Tage?

Nicht nur bei dieser Prognose räumen die Autoren allerdings ein, dass sie sich alles andere als sicher sind. Auch ob die Hitzetage wirklich die Ursache für eine frühere Geburt sind, könne man aufgrund des Studiendesigns nicht genau sagen – obwohl man versucht habe, möglichst viele Einflussfaktoren auszuschließen.

"Man muss sich überlegen, ob man eine solche Beobachtung wirklich ursächlich auf eine einzige Variable herunterbrechen kann", sagte Wolfgang Henrich, Direktor der Klinik für Geburtsmedizin an der Charité, dem Tagesspiegel. Er halte einen solchen Ansatz für schwierig. An seiner Klinik habe man etwa im vergangenen heißen Sommer weder mehr Geburten vor dem errechneten Termin noch eine höhere Anzahl von Frühgeburten festgestellt. Das heiße jedoch nicht, dass die in der Studie gefundene epidemiologische Korrelation generell falsch sei.

"Allerdings halte ich es bei reifen Kindern für relativ unbedeutend, ob sie sechs Tage früher als am errechneten Geburtstermin geboren werden", sagte Henrich. Anders sei das an der Grenze zur Lebensfähigkeit. "Es ist etwas anderes, ob ein Frühchen mit 23 oder 25 Wochen zur Welt kommt." In diesem Zeitraum bedeute jeder zusätzliche Tag im Bauch der Mutter eine etwa drei Prozent höhere Überlebenswahrscheinlichkeit.

Zwar geht aus den Ergebnissen der Forscher hervor, dass manche Geburten durch einen heißen Tag um bis zu 14 Tage früher als geplant stattgefunden haben könnten. In welcher Schwangerschaftswoche das allerdings war, konnten sie nicht analysieren.

"Ergebnisse nicht überbewerten"

Henrich plädiert dafür, die Ergebnisse wegen der methodischen Mängel der Studie nicht überzubewerten. Auf dem Gebiet sei weitere Ursachenforschung nötig. Dass das Wetter gar keine Rolle spielt, glaubt aber auch er nicht – "vor allem, wenn man sich an heißen Tagen nicht entsprechend schützt und den Flüssigkeitsbedarf deckt".

So sei es auch in unseren Breiten ein bekanntes Phänomen, dass ein Flüssigkeitsmangel vorzeitige Wehen auslösen könne. Auch kämen schwangerschaftsbedingte Bluthochdruckerkrankungen, die auch eine frühere Entbindung notwendig machen können, in Ländern mit Wassermangel häufiger vor. Hier spielten aber genetische Faktoren zusätzlich eine wesentliche Rolle.

Aus Tierversuchen sei zudem bekannt, dass deutliche Erhöhung der Umgebungstemperatur zu vorzeitigen Geburten führen könne – wahrscheinlich über eine Erhöhung der Konzentration des Hormons Oxytocin, das Wehen auslöst. Deshalb, so Henrich, sei es besonders für Schwangere an heißen Tagen wichtig, genug zu trinken und sich vor direkter Sonneneinstrahlung zu schützen.

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