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Das Herz im Zentrum. Am Deutschen Herzzentrum Berlin werden weltweit die meisten Kunstherzen und Kreislauf-Unterstützungspumpen eingesetzt.
© picture alliance / dpa

Herzzentrum Berlin: Hilfe fürs kranke Herz

Unter Roland Hetzers Leitung wurden so viele Kunstherzen wie nirgendwo sonst auf der Welt implantiert. Jetzt übergibt der Gründer des Berliner Herzzentrums sein Amt an seinen Nachfolger.

„Hier stehen für mich sehr große Schuhe vor der Tür, die es auszufüllen gilt“, sagt Volkmar Falk. Der Herzchirurg, der am 1. Oktober Direktor der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie wird und als Ärztlicher Direktor die Leitung des Deutschen Herzzentrums Berlin übernimmt, meint die Schuhe seines Vorgängers Roland Hetzer. Hetzer, von Anfang an Ärztlicher Direktor des 1986 gegründeten Zentrums, übergibt seine Aufgabe aus Altersgründen an Falk, der bisher am Universitätsspital in Zürich arbeitete.

Verdacht auf Manipulationen

Zeit, Bilanz zu ziehen. Und das ausgerechnet jetzt, wo seit einigen Wochen der Verdacht auf Manipulationen, mit denen eigene Patienten auf der Warteliste für ein neues Herz als besonders dringliche Fälle dargestellt wurden, auf dem Deutschen Herzzentrum Berlin lastet. Die Bilanz sollte sich jedoch nicht auf die 1800 transplantierten Herzen und Lungen beschränken.

Fast noch eindrucksvoller als die Transplantationszahlen ist im nationalen und internationalen Vergleich, was sich in Sachen Kunstherzen und künstliche Unterstützungssysteme im Herzzentrum getan hat. Denn in dieser Hinsicht ist das Zentrum weltweit führend, nicht allein in puncto Zahlen, sondern auch hinsichtlich der technischen und medizinischen Entwicklungen. 2345 solcher Geräte wurden implantiert.

Roland Hetzer kam 1985 an die Freie Universität Berlin und baute das Berliner Herzzentrum auf.
Roland Hetzer kam 1985 an die Freie Universität Berlin und baute das Berliner Herzzentrum auf.
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Kunstherzsysteme sind der Trend der Zukunft“, sagte Hetzer vor kurzem bei seiner Abschieds-Pressekonferenz. Ein wichtiger Grund dafür: Die Zahl der Spenderorgane nimmt weiter ab, auch wegen des Vertrauensverlusts, mit dem die Transplantationsmedizin zu kämpfen hat, seit es Skandale um die Vergabe von Spenderlebern gab. Wurden in den frühen 90er Jahren allein im Deutschen Herzzentrum Berlin jährlich oft bis zu 120 Organe verpflanzt, so waren es im letzten Jahr nur 46. Selbst Patienten mit höchster Dringlichkeitsstufe, die ohne ein neues Herz das nächste Jahr nicht überleben würden, müssen im Schnitt ein halbes Jahr warten.

Kunstherzen als Zwischenlösung

„Der klassische Einsatz der Kunstherzsysteme liegt in der Überbrückung der Wartezeit auf eine Transplantation“, erläuterte Christoph Knosalla, Herzchirurg am Herzzentrum. 80 Prozent der Patienten, die am Herzzentrum transplantiert werden sollen, bekommen vorher ein künstliches Unterstützungssystem für ihr krankes Herz. Aktuell sei noch keine Lösung zur Behebung der Engpässe in Sicht, bedauerte Knosalla.

Viele Patienten leben aber auch aus anderen Gründen jahrelang mit einem Kunstherz, etwa weil eine Transplantation aus medizinischen Gründen nicht infrage kommt. Eine ganze Reihe von Patienten hat bereits ein Ersatzgerät.

Bei Bernhard Grams ist es noch nicht so lange her, dass er sein Kunstherz bekam, eine lautlose Pumpe, die mit beruhigender Sicherheit ihren Dienst tut. „Allerdings verbraucht sie enorme Energie, er muss deshalb einen Akku mit sich tragen, der durch ein Kabel mit der Pumpe verbunden ist“, erläuterte Hetzer.

Mit 99 Jahren am Herzen operiert

Mit der Operation ist es nicht getan. „Die Patienten und ihre Angehörigen müssen darin geschult werden, mit den Geräten umzugehen“, sagte Oberärztin Beate Jurmann. So sind die Kabel, die von außen ins Körperinnere geleitet werden, eine Eintrittspforte für krank machende Keime. Außerdem bekommen alle Kunstherzträger blutverdünnende Medikamente, um die Bildung gefährlicher Blutpfropfen zu verhindern. Auch diese Mittel können unerwünschte Folgen haben, die schnell erkannt werden müssen. Immer mehr Menschen, die ein dauerhaft implantiertes Kunstherz tragen, werden vom Herzzentrum deshalb langfristig medizinisch betreut. Und die Zahl der Patienten, die Kunstherzsysteme brauchen, wird weiter steigen, davon ist der Herzchirurg Knosalla überzeugt.

Volkmar Falk übernimmt die Leitung des Berliner Herzzentrums auf dem Charité-Gelände am Augustenburger Platz.
Volkmar Falk übernimmt die Leitung des Berliner Herzzentrums auf dem Charité-Gelände am Augustenburger Platz.
© picture alliance/dpa

Aber auch die Eingriffe, bei denen eine neue Herzklappe eingesetzt wird, sind mehr geworden. Vielfach wird dafür nicht mehr „offen“ operiert, sondern mittels Herzkatheter, also schonender. „Unsere älteste Herzklappenpatientin war 99 Jahre alt“, berichtete Hetzer.

Jewgeni Vasilina allerdings ist noch relativ jung, und sein Problem ist anders gelagert: Der 47-Jährige hat eine angeborene Erkrankung des Herzmuskels, von den Ärzten Hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie genannt. Unter anderem ist dadurch die Tätigkeit der Mitralklappe, der Herzklappe zwischen dem linken Vorhof und der linken Herzkammer, beeinträchtigt. Sein Herz kam in kurzen Abständen aus dem Rhythmus, er litt unter Atemnot, wurde immer wieder bewusstlos und hatte zu Recht Angst vor einem plötzlichen Herztod.

Zehntausende Operationen am offenen Herzen

Vasilina ist nicht nur einer von mehr als 75 000 Patienten, die im Lauf der Jahre am offenen Herzen operiert wurden, das heißt unter Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine, durch die sein Blut zeitweise floss. Bei ihm wurde zudem ein Eingriff gemacht, den Roland Hetzer selbst entwickelt und in Studien geprüft hat. „Dabei wird nicht nur ein Teil der überschüssigen Muskulatur weggeschnitten, durch Wegziehen und Fixieren der Mitralklappe wird auch verhindert, dass die linke Herzkammer sich selbst stranguliert.“ Während Hetzer das erläuterte, saß neben ihm sein Patient. Er sah aus wie das blühende Leben.

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