Zu wenig Organspender: Kleine Herzen, große Hilfen
Im Schnitt dauert es 16 Monate, bis ein passendes Spenderorgan gefunden ist. Viele herzkranke Kinder warten noch länger. „Kunstherz“-Systeme helfen ihnen, die Zeit zu überbrücken.
Dass heute ein Mundschutz und Handschuhe Pascal Haefer vor Krankheitskeimen aus der Umgebung schützen, fällt zwar auf. Doch es ist Teil einer Normalität, für die seine Ärzte und seine Eltern jahrelang kämpfen mussten: Der Fünfjährige aus Tabarz in Thüringen kam mit einem schweren Herzfehler zur Welt, einem hypoplastischen Linksherzsyndrom. Eine seiner beiden Herzkammern war unterentwickelt. Vor wenigen Wochen hat er ein Spenderherz bekommen, nun muss er Medikamente gegen die Abstoßungsreaktionen seines Immunsystems nehmen, und wegen jeder Art von Infektionen ist höchste Vorsicht geboten.
„Nicht normal“ waren für ihn und seine Familie trotzdem eher die Jahre zuvor: Pascal hat sie praktisch ausschließlich in Kliniken verbracht, wurde insgesamt fünfmal operiert. Kein Gedanke an Spielplätze, Kindergarten oder Schwimmbad. Die letzten zweieinhalb Jahre war ein schwerer blauer Kasten auf Rollen sein unzertrennlicher Begleiter, gegen den handelsübliche Kinderwägen oder Fahrradanhänger zierlich erscheinen.
Pascals Blutkreislauf funktionierte nur mit einem „Kunstherz“, einer außerhalb des Körpers arbeitenden Pumpe, die durch Luftdruck angetrieben wird. Zwei Schläuche, die aus seinem Brustkorb herauskamen, schufen die Verbindung zwischen dem schwachen biologischen und dem unterstützenden künstlichen System. Er war auf Gedeih und Verderb auf das Excor-System der Berlin Heart GmbH angewiesen, lebte, rund um die Uhr von seinen Eltern betreut, im nahe dem Deutschen Herzzentrum Berlin gelegenen Ronald McDonald-Haus.
841 Tage mit Kunstherz
Kleinere, teilweise implantierbare Geräte, die nicht wie das natürliche Herz schlagen, sondern nach dem Rotationsprinzip funktionieren, sind heute für Kinder noch nicht geeignet. Dass der schwerkranke kleine Junge 841 Tage am Unterstützungssystem überlebte, könne als eine Art Rekord gelten, so war gestern anlässlich der Vorstellung der drei Kinder zu hören, die in diesem Jahr im Deutschen Herzzentrum Berlin eine Herztransplantation bekamen.
Pascals Rekord ist durchaus ungewollt. „In den 90er Jahren hat es selten länger als ein paar Monate gedauert, bis die Kinder ein neues Herz bekamen“, sagte Roland Hetzer, Ärztlicher Direktor des Zentrums. Heute sind die Wartezeiten deutlich länger, auch für Erwachsene: Fast 1000 deutsche Patienten stehen allein auf der Herz-Warteliste von Eurotransplant, das die Vergabe für die Beneluxstaaten, Österreich, Kroatien, Slowenien und die Bundesrepublik organisiert. Nur 327 Herzen wurden in Deutschland im Jahr 2012 transplantiert, 2010 waren es noch 379. Fasst man alle zusammen, so waren es 2012 1046 Organspender, 2009 noch 1198. Kein großer Unterschied, doch er betrifft, weil im Ernstfall meist mehrere Organe entnommen werden, weit mehr als 152 Kranke.
Die Deutsche Herzstiftung meldete kürzlich, dass die durchschnittliche Wartezeit für ein Spenderherz bei 16 Monaten liegt. Die Skandale um Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von Spenderlebern, die seit dem Sommer 2012 das Land bewegten, haben wahrscheinlich dazu beigetragen, dass das Vertrauen in den gesamten Bereich der Transplantationsmedizin gesunken ist. Die neuen gesetzlichen Regelungen, die dazu führen sollen, dass alle Bundesbürger ab 16 sich zur Frage der Organspende-Bereitschaft äußern und dass Kliniken mit Intensivstationen verpflichtend einen Transplantationsbeauftragten benennen müssen, zeigen keine Wirkung.
Geeignete Spender zu finden, ist bei Kindern besonders schwer
183 Herztransplantationen wurden seit dem ersten Erfolg im Jahr 1986 bei Kindern vorgenommen. „Die Prognose ist heute sehr gut“, versichert der Kinderherzspezialist Felix Berger vom Deutschen Herzzentrum. Überlebenszeiten von 20 Jahren sind nicht selten. Einen geeigneten Spender zu finden ist aber eine besondere Herausforderung, weil neben der Blutgruppe auch Größe und Gewicht des kleinen Patienten zu berücksichtigen sind. Und Kinder als Organspender, das ist ein besonders sensibles Gebiet.
Der 15-jährige Hadi hatte Glück: Auch er war mit einem angeborenen Herzfehler zur Welt gekommen, konnte allerdings nach einer frühen Operation einigermaßen normal leben. Als sich sein Zustand 2012 lebensbedrohlich verschlechterte, musste er „nur“ zwei Monate auf sein neues Herz warten. Zusammen mit dem Organ bekam er einen Schrittmacher eingepflanzt, der beim Erkennen von Abstoßungsreaktionen hilft. Nach den langwierigen Behandlungen ist er wieder zu Hause. Da unter seinen Altersgenossen weniger Infektionen kursierten als bei denen von Pascal, werde es mit dem Schulbesuch kaum Probleme geben, sagt Berger. Auch wenn das vielen Gleichaltrigen nicht ganz normal erscheinen mag: Hadi freut sich auf die Schule.
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