Außerirdisches Leben: Hallo Pluto, hallo Tschuri – ist da wer?
Gibt es Leben jenseits der Erde? Aber sicher! Doch so schnell werden wir es nicht finden. Vor wilden Spekulationen sollten wir uns jedenfalls hüten und mit der nötigen Geduld und Skepsis herangehen. Ein Kommentar.
Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit sollte am Dienstag eine Raumsonde am Zwergplaneten Pluto vorbeifliegen und ihn aus kurzer Distanz fotografieren. Noch sind keine Nahaufnahmen auf der Erde angekommen, aber was könnten sie zeigen? Sicher keine Wolkenkratzer und Flughafenbaustellen. Höheres Leben ist äußerst unwahrscheinlich auf einem Eis-und-Fels-Zwerg, der fern der Sonne kreist und im Schnitt minus 230 Grad kalt ist. Allen Ernstes haben in den vergangenen Tagen aber Experten spekuliert, dass Pluto vielleicht „ökologische Nischen“ hat, in denen sich einfaches Leben entwickeln könnte.
Organische Moleküle sind kein Beweis für Leben
Ähnlich steil ist die These zweier britischer Forscher, die in der vergangenen Woche behaupteten, der eisige Komet 67/P Tschurjumow-Gerassimenko („Tschuri“) könnte ein Hort des Lebens sein, zumindest für Mikroben mit einem Frostschutzmittel. Natürlich nutzte auch dieses Team ausgiebig den Konjunktiv, aber es half nichts. Die Geschichte machte eine große Welle, ungeachtet des Umstands, dass die organischen Moleküle, die von der „Rosetta“-Mission aufgespürt wurden, auch ohne Umweg über die Biologie erklärt werden können.
Mit der Formel „Leben im All“ – ob mit oder ohne Fragezeichen – gewinnt man Aufmerksamkeit und die ein oder andere Forschungsmillion obendrauf. Kaum ein Missionsvorschlag der Astronomen und Planetenforscher kommt ohne die möglichen „Hinweise auf Leben“ aus. Ob nun in unserem Sonnensystem oder weiter draußen.
Milliarden Sterne - es wäre absurd, wenn es keinen weiteren belebten Planeten gäbe
Das ist so verständlich wie legitim. Es liegt in der Natur des Menschen, seine Herkunft zu ergründen und zu fragen: Ist da noch jemand?
Ziemlich gewiss! Etwa jeder fünfte Stern hat mindestens einen Planeten, der ihn in der „habitablen Zone“ umrundet. Also jene Gegend, in der es weder zu heiß noch zu kalt und irgendwie lebensfreundlich ist. So wie auf der Erde. Vieles kann dann noch das Leben vereiteln, wie Gammastrahlenausbrüche. Doch angesichts von Milliarden von Sternen ist es geradezu zwingend, dass es einen weiteren Flecken im Universum gibt, wo jemand Stoffwechsel betreibt, sich vermehrt, vielleicht sogar kommuniziert und sich am Sternenhimmel erfreut.
Das heißt noch lange nicht, dass wir unsere Nachbarn bald erkennen werden. Die nächsten Planetensysteme sind Lichtjahre entfernt und es ist fraglich, ob gerade dort etwas kreucht und fleucht. Je größer die Distanz, umso schwieriger wird es. Radiosignale können zwar weite Strecken zurücklegen, doch erfordert es eine gewisse Intelligenz, um solche Signale loszuschicken. Die Seti-Enthusiasten haben seit 55 Jahren keinen Beleg für funkendes Leben gefunden.
Neue Teleskope können die Atmosphäre ferner Exoplaneten erkunden
Am wahrscheinlichsten ist es, Hinweise auf einfache Organismen zu finden, in der Preisklasse von Bakterien. Sie könnten sich über ihren Stoffwechsel verraten. Als vielversprechende Indizien gelten Sauerstoff und Methan. Normalerweise reagieren die Gase rasch miteinander und sind weg. Sind aber beide dauerhaft in der Atmosphäre, muss es eine Quelle geben, die ständig Nachschub liefert – Leben.
Zu Beginn des nächsten Jahrzehnts könnte es dank neuer Teleskope gelingen, die Lufthülle von fernen erdähnlichen Planeten so genau zu analysieren, dass entsprechende Spuren gefunden werden könnten, sagt die Astrophysikerin Lisa Kaltenegger von der Cornell University in Ithaca. Ob die Astronomen die richtigen Kandidaten ins Visier nehmen, sei eine andere Frage. Sie warnt eindringlich, dass sich Forscher auf klare Kriterien einigen sollen, die als Lebenszeichen gewertet werden und welche nicht dazugehören (zum Beispiel Methan allein, das kann nämlich auch ohne Zutun von Lebewesen entstehen). „Ich habe eine persönliche Meinung dazu, ob es Leben im All gibt, aber die muss ich unbedingt abgeben, bevor ich auf die Daten schaue“, sagt Kaltenegger. Groß sei die Gefahr, dass Wunschdenken das Ergebnis beeinflusst.
Vorsicht vor voreiligen Schlüssen
Die Wissenschaftsgeschichte kennt einige Beispiele dafür, etwa die vermeintlichen Spuren fossiler Bakterien auf dem Marsmeteoriten ALH 84001 oder angeblich arsenfressende Bakterien im kalifornischen Monolake. Es ist wahrscheinlich, dass es nicht bei diesen Beispielen bleibt, sondern dass bei der Frage nach außerirdischem Leben noch einige Sensationen verkündet werden, die sich als nicht haltbar erweisen werden. Dagegen hilft nur Geduld und Skepsis. So schwer es auch fällt.
Ralf Nestler