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Tauwetter. Im Juni verstopfen Eisberge die Fjorde im Osten Grönlands.
© P. Bierman

Ewiges Eis: Grönland könnte eisfrei werden

Forscher erforschen wie stabil die Eisdecke Grönlands im Laufe der Jahrmillionen war. Die Insel war bereits einmal fast eisfrei - und das könnte wieder passieren.

So weit das Auge reicht nur schroffes Eis und Gletscherspalten. Die Eiskappe über Grönland wirkt, als sei sie ewig. Doch sie wuchs und schrumpfte im Laufe der Jahrmillionen. Eine genauere Rekonstruktion dieser Geschichte würde helfen, die Folgen des Klimawandels besser einzuschätzen, meinen Forscher. Das Problem: Vorrückende Gletscher vernichten die direkten Spuren früherer Ereignisse.

Zwei Teams haben dennoch einen Weg gefunden, Rückschlüsse auf die Stabilität des Eises zu ziehen, berichten sie im Fachblatt „Nature“. Neutronen der ständig auf die Erde treffenden Weltraumstrahlung lösen in den obersten Metern des Bodens Reaktionen aus, bei denen die radioaktiven Isotope Beryllium-10 (Be-10) und Aluminium-26 (Al-26) entstehen. Nach 1,4 Millionen Jahren ist die Hälfte des Berylliums und nach 700 000 Jahren die Hälfte des Aluminiums zerfallen. Da bereits wenige Meter Eis die Neutronen aus dem Weltraum abfangen, bilden sich die Isotope unter einem Eispanzer nicht. Die Teams haben daher zum einen den felsigen Untergrund im Landesinneren von Grönland und zum anderen die Sedimente vor der Ostküste analysiert.

Wann war das Landesinnere Grönlands zuletzt eisfrei?

In einer Gesteinsprobe, die eine Bohrung direkt unter einer 3050 Meter dicken Eisdecke im Zentrum Nordgrönlands zutage förderte, fanden Joerg Schaefer vom Lamont-Doherty Earth Observatory in Palisades, New York, und seine Kollegen deutlich weniger Be-10 und Al-26 als in Gestein, das nicht vom Eis bedeckt ist, berichten sie in „Nature“. Der Eispanzer könne seit 1,1 Millionen Jahren über der Stelle liegen, davor wären die Gletscher 280 000 Jahre aus dem Landesinneren verschwunden gewesen.

Im Sediment vor der Ostküste, wohin Gletscher und Meeresströmungen den vom Eis aus dem Untergrund abgeschmirgelten Quarz-Sand getragen hatten, fanden Paul Bierman von der Universität von Vermont und seine Kollegen wiederum so wenig Be-10 und Al-26, dass dieses Material seit mindestens 7,5 Millionen Jahren unter dem Eis oder unter Wasser liegen sollte. Da vor allem vor mehr als 2,5 Millionen Jahren die Temperaturen deutlich über den heutigen lagen, könnte es also in wärmeren Zeiten zumindest in den Gebirgen an der Ostküste Grönlands eine Eiskappe gegeben haben, die allerdings viel kleiner als die heutige war.

Auch ein Computermodell der Pennsylvania-State-Universität zeigt eine Eiskappe, die in den letzten Jahrmillionen über den Gebirgszügen entlang der Ostküste entstanden sein könnte. Vor einigen Hunderttausend Jahren wäre sie von weniger als zehn Prozent der derzeitigen Masse gewachsen und hätte dann mehr als achtzig Prozent der Insel bedeckt.

Die lichten Wälder der Urzeit wurden vom Eis begraben

Frank Wilhelms vom Alfred–Wegener- Institut in Bremerhaven hält das Szenario mit einer langen eisfreien Periode vor mehr als 1,1 Millionen Jahren für möglich. Weniger wahrscheinlich findet er zwei weitere Möglichkeiten, nach denen das Zentrum Grönlands vor rund 125 000 Jahren sowie zu weiteren Zeitpunkten in der letzten 1 Million Jahre eisfrei gewesen sein soll. Dagegen spreche unter anderem die Analyse eines Eisbohrkerns, an der er beteiligt war. 2013 berichtete die Gruppe, dass im Norden Grönlands vor 128 000 bis 122 000 Jahren der heute 2500 Meter dicke Eispanzer zwar um rund 400 Meter abgeschmolzen, aber keineswegs ganz verschwunden war. Dabei lagen die Temperaturen dort damals rund acht Grad höher als in den letzten Jahrtausenden und erreichten Werte, die Klimaforscher bis zum Ende dieses Jahrhunderts wieder erwarten.

Auch Erbgut-Untersuchungen aus dem Jahr 2007 von Eske Willerslev von der Universität in Kopenhagen, Michael Hofreiter von der Universität Potsdam und weitere Kollegen sprechen dafür. Sie hatten am Grund einer zwei Kilometer dicken Eisschicht im Süden Grönlands das Erbgut von Kiefern und Fichten, Eiben und Erlen, Wicken und Margeriten sowie Schmetterlingen gefunden. Die lichten Wälder und Wiesen seien in der Zeit vor einer halben bis zu 1,2 Millionen Jahren unter Eismassen begraben worden, die seither nicht mehr geschmolzen sind.

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