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Weitergabe. Jede Niesattacke schleudert unzählige Tröpfchen mit Viren heraus.
© dpa

Ansteckungsgefahr: Grippe trifft auffallend viele junge Erwachsene

Die Grippesaison 2015/16 ist außergewöhnlich, denn sie trifft vermehrt junge Leute. Der verfügbare Dreifachimpfstoff schützt nicht optimal.

Der Frühling wird herbeigesehnt, Ostern steht vor der Tür. Trotzdem ziehen sich derzeit auffallend viele ihre dicken Schals enger um den Hals, hustend und schniefend. Die Arbeitsgemeinschaft Influenza verzeichnete Anfang März insgesamt eine deutlich erhöhte Aktivität akuter Atemwegsinfekte. „Die Grippewelle dauert an“, sagt Silke Buda, Stellvertretende Leiterin des Fachgebiets respiratorisch übertragbare Erkrankungen am Robert- Koch-Institut in Berlin. Für abschließende Beurteilungen ist es zu früh. Die Influenza-Expertin schätzt den Winter 2015/16 aber vorläufig als Saison „zwischen den Extremen“ ein: „Derzeit sieht es so aus, als ob die aktuelle Welle nicht so heftig ausfällt wie die sehr schwere Vorsaison 2014/15, aber stärker als die vergleichsweise milde Saison 2013/14.“

15 Prozent der Erkrankten mussten ins Krankenhaus

Buda stützt sich auf Daten aus 700 „Sentinelpraxen“ von Hausärzten und Kinderärzten, die zusammen ein repräsentatives Bild der Gesamtlage ergeben. Mit GrippeWeb verfügt das Robert- Koch-Institut zudem seit 2011 über ein bevölkerungsbasiertes Überwachungsinstrument. Aus den dort eingehenden Daten weiß man zum Beispiel, dass rund die Hälfte derjenigen, die ein typischer grippaler Infekt trifft, zum Arzt gehen.

Um zu ermitteln, ob es im Einzelfall eine echte Grippe oder einer der über 30 übrigen „Tatverdächtigen“ war, die ebenfalls die typischen Symptome Halsschmerzen, Schnupfen, Gliederschmerzen und Fieber verursachen können, werden regelmäßig in rund 150 Arztpraxen Proben – vorwiegend Nasenabstriche – genommen. In Kalenderwoche 9 wurden dem Nationalen Referenzzentrum für Influenza 6389 echte Influenza-Infektionen gemeldet, 15 Prozent der Erkrankten mussten ins Krankenhaus.

Beim Niesen oder beim Sprechen verbreiten sich die Tröpfchen - und mit ihnen die Influenza-Viren

Atemwegsinfekte treffen alte Menschen und solche mit bestimmten Grundleiden schwerer, sind dafür bei Kindern mit ihrem noch unerfahrenen Immunsystem besonders häufig. In dieser Grippesaison gibt es jedoch eine Besonderheit: Es wurden bisher auffallend viele jüngere Erwachsene krank. Das hängt damit zusammen, dass zunächst ein Untertyp der Influenza mit der komplizierten Bezeichnung A (H1N1)pdm09 dominierte. Seit der Pandemie 2009 ist das Virus bekannt unter dem Namen „Schweinegrippe“. Das ist zwar einprägsam, doch irreführend. Denn auch diese Grippe wird ganz unspektakulär von Mensch zu Mensch übertragen: Zu Hause, bei der Arbeit, in der U-Bahn. Beim Niesen oder beim Sprechen verbreiten sich die Tröpfchen, und mit ihnen die Influenza-Viren.

Wenn besonders viele Jüngere die „Schweinegrippe“ bekommen, könnte das damit zusammenhängen, dass H1N1 viele Jahre keine große Rolle spielte und nur das Immunsystem Älterer damit Kontakt hatte. Eine andere mögliche Ursache ist, dass eine Minderheit der jüngeren Erwachsenen geimpft ist.

Die Hälfte der über 60-Jährigen ist geimpft

Empfohlen wird die Impfung für Menschen mit bestimmten chronischen Krankheiten, für solche, die beruflich besonders gefährdet sind oder andere gefährden könnten, für Schwangere und für Ältere. Aus gutem Grund, denn schwere Verläufe kommen bei jüngeren gesunden Erwachsenen immer noch sehr selten vor. Zwar bietet die Impfung keinen vollständigen Schutz. Doch immerhin umfasst die diesjährige Dreifach-Vakzine den „Schweinegrippen“-Erreger. Ältere, die sie sich beim Hausarzt spritzen ließen, sind also im Vorteil. Nach Angaben des RKI ist rund die Hälfte der über 60-Jährigen gegen Influenza geimpft.

In den letzten Wochen gewannen aber Influenza-Viren vom Typ B an Terrain. Und gegen sie schützt der aktuelle Dreifachimpfstoff nicht optimal: „In dieser Hinsicht ist der Dreifachimpfstoff nicht passgenau, da derzeit vor allem der Victoria-B-Stamm zirkuliert, der nicht im Dreifachimpfstoff enthalten ist“, erläutert Buda. Der Anteil dieses Stamms an allen nachgewiesenen Influenza-Fällen ist von 23 Prozent Anfang Februar auf 57 Prozent in der ersten Märzwoche gestiegen. Wie gut der Impfstoff unter diesen Umständen tatsächlich wirkt, lasse sich aber erst im Nachhinein beurteilen, wenn die Ergebnisse von Effektivitätsstudien vorliegen, sagt die Grippe-Expertin. Glücklicherweise verlaufen Infektionen mit den Influenza-B-Viren häufig etwas milder.

Bleibt die Frage, ob man sich jetzt noch impfen lassen sollte. Bis der Schutz greift, dauert es immerhin knapp zwei Wochen. Fest steht: Die Grippewelle ist noch nicht vorbei. Der beste Zeitpunkt für eine Influenza-Impfung ist aber nicht vor Ostern, sondern vor dem ersten Advent.

Adelheid Müller-Lissner

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