Giftschlangen: Gentest nach dem Biss
Nach dem Biss einer Schlange müssen Ärzte schnell wissen, um welche Art es sich handelt. Ein Test der Schlangen-DNS aus der Bisswunde soll jetzt helfen.
Findet die Spurensicherung an einem Tatort Haare oder Hautzellen, lassen sich diese durch einen DNS-Test einem Verdächtigen zuordnen. Dasselbe Prinzip ermöglicht es auch, nach einem Schlangenbiss auf die Art der Schlange zu schließen: durch Analyse der Erbgutspuren der Schlange an der Bissstelle. Das berichtete ein internationales Forscherteam auf der Jahrestagung der US-amerikanischen Gesellschaft für Tropenmedizin und Hygiene in New Orleans. In der ersten klinischen Studie dieser Art erzielte der DNS-Test eine Trefferquote von 100 Prozent. Für eine unter Umständen lebensrettende Behandlung wäre es aber wichtig, die Schlangenart nicht nur zuverlässig, sondern auch sehr schnell zu identifizieren. Dazu soll nun ein geeignetes Verfahren entwickelt werden, das direkt vor Ort rasche Ergebnisse liefert.
Erst Gentest, dann Gegengift
„Dieser DNS-Test könnte die Entwicklung einer effektiven Diagnostik nach einem Schlangenbiss beschleunigen und die Chancen der Opfer verbessern, zu überleben und sich wieder vollständig zu erholen“, sagte François Chappuis von der Universität Genf. In Zusammenarbeit mit einheimischen Medizinern wertete er Daten von 749 Patienten aus, die nach einem Schlangenbiss in Nepal ein Krankenhaus aufgesucht hatten. Bei 194 Personen war im Abstrich von der Bissstelle genügend DNS enthalten, so dass es für eine Identifizierung ausreichte. In 87 Fällen stammten die Bisse von Giftschlangen, darunter hauptsächlich Brillenschlangen und Giftnattern. 21 Patienten hatten die Schlange, die sie gebissen hatte, getötet und mitgebracht. Die deshalb mögliche direkte Überprüfung der Ergebnisse ergab eine 100-prozentige Zuverlässigkeit des DNS-Tests. Dass nur etwa jeder vierte Abstrich auswertbare Schlangen-DNS enthielt, könnte einen einfachen Grund haben: Wahrscheinlich wurden die Spuren beim Versuch einer Selbstbehandlung beseitigt, vermuten die Forscher.
Auch wenn ein DNS-Test ergibt, dass die Schlange nicht giftig war, wäre dies eine wichtige Information für Patient und Arzt, sagt Ulrich Kuch vom Frankfurter Forschungszentrum für Biodiversität und Klima, der das Testverfahren entwickelt hat. Der übliche Krankenhausaufenthalt und eine vorsorgliche Behandlung würden sich dann erübrigen. Das spare Kosten und vermeide unnötige Nebenwirkungen.
Schnelltest nötig
Die Forscher arbeiten derzeit an einem Schnelltest, der Bisse von häufigen oder besonders gefährlichen Schlangen nachweisen oder ausschließen soll. In Ländern mit einer großen Zahl von Giftschlangen wie Nepal, Bangladesch und Myanmar könnte der jetzt verfügbare Test bereits eingesetzt werden, um die geografische Verbreitung und Häufigkeit einzelner Schlangenarten zu ermitteln. Dann wäre es möglich, die Krankenhäuser einer bestimmten Region gezielt mit dem dort am häufigsten benötigten Schlangengift-Immunserum zu versorgen, sagt Chappuis.
Giftschlangen gefährden hauptsächlich Menschen in Süd- und Südostasien, Afrika und Lateinamerika. Nach Schätzungen von Experten werden jährlich einige Millionen Menschen gebissen, Hunderttausende sterben daran oder leiden unter bleibenden Schäden.
Obwohl sich die verschiedenen Schlangengifte in ihrem Wirkmechanismus stark unterscheiden, sind die Symptome sehr ähnlich. Daher sei es für den Arzt schwierig, allein daraus auf die Art der Schlange zu schließen, die einen Patienten gebissen hat, sagt Chappuis. Für jeden Einzelfall ist also ein anderes Gegenmittel nötig. (wsa)