Mehr Geld für mehr Studierende: Für wen sich ein Bafög-Antrag lohnt
Am ersten August ist die Bafög-Reform in Kraft getreten, die Verbesserungen gelten für Studierende ab Herbst. 2018 ging die Zahl der Geförderten erneut zurück.
Möbel schleppen, Pizza ausfahren oder im Büro stundenlang Akten schreddern? Mit einer Plakatkampagne wirbt das Deutsche Studentenwerk (DSW) für eine Alternative zum anstrengenden Studentenjob. „Einfacher ans Geld. Jetzt Bafög beantragen“, lautet der Appell, bei dem überrascht, dass er überhaupt nötig sein soll. Doch tatsächlich zögern viele, sich um die staatliche Ausbildungsförderung zu bewerben. Alte Annahmen, die Eltern würden eh’ zu viel verdienen oder die Schuldenlast am Ende des Studiums könnte zu hoch werden, aber gelten teilweise nicht mehr. Denn am 1. August ist die Bafög-Reform in Kraft getreten.
Mit Beginn des Wintersemesters gibt es damit nicht nur mehr Geld für Studierende, sondern es steigen auch die Einkommens-Freibeträge und die Rückzahlungsbedingungen werden sozialer. „Wir nehmen das zum Anlass, nochmal deutlich daran zu erinnern, Bafög zu beantragen“, erklärt DSW-Generalsekretär Achim Meyer auf der Heyde zur Plakatserie. Schülerinnen und Schüler aus Familien mit kleinen und niedrigen mittleren Einkommen können die Förderung ab Schuljahresbeginn erhalten.
Zahl der Geförderten sank zuletzt dramatisch
Was ändert sich im Einzelnen? In zwei Schritten steigen die Bedarfssätze, die sich nach dem elterlichen Einkommen richten: um fünf Prozent in diesem und um zwei Prozent im kommenden Jahr. Wie aufgrund der bundesweit steigenden Mieten vielfach gefordert, wird auch der im Förderbetrag enthaltene Wohnzuschlag für Studierende, die nicht bei den Eltern leben, von bisher 250 auf 325 Euro im Monat angehoben. Der Bafög-Höchstsatz wächst im Jahr 2020 von derzeit 735 Euro auf 861 Euro.
Die Freibeträge für das Einkommen der Eltern steigen in drei Stufen – in diesem Jahr um sieben Prozent, 2020 um weitere drei Prozent und 2021 um noch einmal sechs Prozent. Das Studentenwerk lieferte dazu am Donnerstag ein Rechenbeispiel: Eine Studentin von miteinander verheirateten und zusammenlebenden Eltern, die nicht bei diesen wohnt, erhalte die Bafög-Vollförderung, wenn beide Eltern zusammen nicht über ein Monatsnettoeinkommen von etwa 1.835 Euro kommen. Eine Teilförderung sei bis zu einem gemeinsamen Eltern-Nettoeinkommen von 3.304 Euro im Monat wahrscheinlich.
Zuvor war die Zahl der Geförderten stark gesunken – zwischen 2014 und 2017 um 180.000 auf durchschnittlich rund 557.000 Studierende und 225.000 Schülerinnen und Schüler. Für 2018 meldete das Statistische Bundesamt am Freitag einen erneuten Rückgang: 518.000 Studierende erhielten Bafög, das sind 39.000 beziehungsweise sieben Prozent weniger als im Vorjahr. Bei den Schülern ging die Zahl der Geförderten um 7,3 Prozent zurück. "Hätte es noch eines weiteren Beweises bedurft, wie dringend eine Bafög-Erhöhung ist, dann läge er jetzt vor", kommentiert Achim Meyer auf der Heyde.
Die Rückzahlung des Darlehens wird weiter erleichtert
Zu den weiteren Neuerungen gehört eine erleichterte Rückzahlung: Es bleibt dabei, dass Bafög-Empfänger erst fünf Jahre nach dem Abschluss mit der Rückzahlung beginnen müssen. Grundsätzlich muss man auch weiterhin die Hälfte des Darlehensbetrages zurückzahlen, maximal aber 10.010 Euro; zuvor lag die Grenze bei 10.000 Euro.
Die leicht verschobene Grenze ergibt sich aus den neuen Rückzahlungsmodalitäten: Die Raten betragen monatlich mindestens 130 Euro. Nach Zahlung von 77 Raten (10.010 Euro) wird die Restschuld erlassen. Wer nicht genug verdient, um 130 Euro im Monat aufzubringen, kann die Raten auf Antrag senken. Nach 20 Jahren gibt es einen Schuldenschnitt für alle, die sich bis dahin „um Tilgung bemüht“ haben.
Auch dazu liefert das DSW eine Modellrechnung: Erhielten Studierende beispielsweise für sechs Semester Bachelor- und vier Semester Master-Studium rund 51.660 Euro Bafög, müssten sie mit maximal 10.010 Euro nur ein Fünftel zurückzahlen (einen Überblick über die gesamten Änderungen finden Sie hier).
Länder fordern vom Bund weitere Reformschritte
Mit diesen Verbesserungen sei die „Trendwende beim Bafög eingeleitet“, erklärte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) am Mittwoch. Das BMBF rechnet damit, dass es in zwei Jahren „über 100.000 Bafög-Geförderte im Jahresdurchschnitt mehr geben wird als ohne die Reform“. Die soll nach dem Willen der Länder aber noch weiter vorangetrieben werden: Als die Reform im Juni vom Bundesrat gebilligt wurde, forderten die Länder vom Bund, die Altersgrenzen anzuheben und zusätzlich zur Förderungshöchstdauer in der Regelstudienzeit plus zwei Semester auch Orientierungsstudiengänge zu bezuschussen. Außerdem müssten die Fördersätze an die Preis- und Einkommensentwicklung gekoppelt werden. Seit 2015 finanziert der Bund das Bafög alleine. Im vergangenen Jahr betrugen die Ausgaben dafür 2,7 Milliarden Euro - 233 Millionen Euro weniger als 2017.
Nicole Gohlke, die hochschulpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, kritisierte am Mittwoch, dass die jetzige Reform „nur gerade so die schlimmsten Löcher stopft“. Für den Hochschulexperten der Grünen, Kai Gehring, reicht "die mutlose Novelle reicht längst nicht aus, die Versäumnisse in der Bafög-Politik der letzten Jahre auszugleichen und den Hochschulzugang von sozialer Herkunft abzukoppeln". Notwendig wäre eine zehnprozentige Anhebung der Sätze in diesem Jahr gewesen - und danach regelmäßige Anpassungen an die steigenden Lebenshaltungskosten.
Appell, mögliche Förderung nicht verfallen zu lassen
Damit die Zahl der Geförderten aber nach der jahrelangen Talfahrt so steigt, wie es die aktuelle Reform möglich macht, muss jetzt das Vertrauen ins Bafög gestärkt werden. Dazu soll die Plakatkampagne des Studentenwerks beitragen. Studierende sollten eine mögliche Förderung nicht verfallen lassen, appelliert das DSW. Mit einem BAföG-Bescheid werde überdies auch schnell klar, ob und welche Teilleistung der Staat von den Eltern der Studierenden erwartet, heißt es.