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Nasenspitzenwert. Nur elf Große Hufeisennasen gab es Ende der 1980er jahre noch im oberpfälzischen Hohenburg. Inzwischen sind es wieder über 200 Tiere.
© picture alliance / dpa

Erfolgreicher Artenschutz: Für die Große Hufeisennase läuft’s

Die Fledermaus-Art war in Deutschland fast schon ausgestorben. Doch ein Schutzprogramm mit Dungkäfer und alter Rinderrasse hat sie gerettet.

Manchmal kommt Naturschützern die Natur selbst in die Quere. Etwa in Gestalt eines Sperbers, der im Osten Bayerns, im oberpfälzischen Markt Hohenburg, tagsüber Meisen, Finken und Amseln jagt, sich in der Dämmerung neuerdings jedoch auch mal eine Fledermaus gönnt. Damit greift der Vogel jedoch nach einem der großen Erfolge des Artenschutzes in Mitteleuropa: „Es sind schließlich die letzten Großen Hufeisennasen Deutschlands, die in diesem Haus in Hohenburg ihren Nachwuchs großziehen“, sagt Andreas von Lindeiner, Artenschutzreferent beim Landesbund für Vogelschutz (LBV) im bayerischen Hilpoltstein.

Nur noch elf Tiere waren übrig

Vor drei Jahrzehnten war diese Fledermaus-Art in Deutschland nahezu ausgestorben, 1986 zählten Artenschützer in der letzten Kolonie der Großen Hufeisennase in der Oberpfalz gerade noch elf Tiere, die in Höhlen den Winter verbrachten. Gleich mehrere Entwicklungen machten der Art zu schaffen. Pestizide, wie sie in der industriellen Land- und Forstwirtschaft eingesetzt werden, verhindern Ernteeinbußen durch Insekten, verknappen damit aber auch das Grundnahrungsmittel der Fledertiere. Außerdem herrschte Wohnungsnot: Zu selten fanden die Hufeisennasen Quartiere, in denen sie überwintern und im Sommer den Nachwuchs aufziehen konnten.

Eines dieser Probleme löste völlig unabsichtlich die US Army, die für ihre in Deutschland stationierten Truppen 1951 gleich südlich von Hohenburg einen der größten Truppenübungsplätze des Landes mit insgesamt 160 Quadratkilometern einrichtete. Dort setzte niemand Insektizide ein, sodass die Tiere dort genug Nahrung fanden – darunter auch ihre wichtigste Beute im Herbst: die Dungkäfer, die sich auf dem Truppenübungsplatz Hohenfels von den Hinterlassenschaften von Rothirschen und einigen Tausend Schafen ernähren.

Flederfamilie sucht Wohnhöhle, ein Zimmer, kalt

Zusätzlich brauchen die Fledermausweibchen auch noch eine passende Höhle, in der der Nachwuchs sicher vor Mardern, Eulen und Käuzen ist. Leider sind die meisten Höhlen Mitteleuropas recht kühl und die jungen Hufeisennasen würden zu langsam wachsen. Also suchen die Tiere eine Höhle, die nach oben von einer kleinen Kuppel luftdicht abgeschlossen wird. Hängen dort mehrere Weibchen, wärmen ihre Körper die Luft deutlich an. Da sich die warme Luft unter der Kuppel staut, steigen die Temperaturen in dieser Wochenstube deutlich an.

Weil die Tiere solche Höhlen nur selten finden, weichen die Weibchen gerne auf Dachböden aus, in denen zumindest keine Gefahren für den Nachwuchs drohen. Da in den Augen der Hufeisennasen-Mütter aber auch Menschen zu den Risikofaktoren zählen könnten, sollte das Haus unter dem Dachboden am besten leer stehen. „Genau in einem solchen verlassenen Gebäude entdeckten wir in Hohenburg dann 1992 auch die Wochenstube der Großen Hufeisennase“, erinnert sich LBV-Naturschützer Rudi Leitl, der seit dem Sommer 2009 für den Schutz dieser letzten deutschen Kolonie verantwortlich ist.

Zur Rettung der Art wurde das Gebäude zunächst von der Naturschutzbehörde der Oberpfalz gepachtet und 2008 über den bayerischen Naturschutzfonds gekauft. Anschließend wurde die einsturzgefährdete Ruine saniert und damit die Wirtschaftskraft dieser armen Region gestärkt: Inzwischen kommen Touristen, um am Abend den Flug der Großen Hufeisennase aus dem Dachboden zu beobachten. Mit extra installierten Kameras kann man sogar in die Wochenstube der Fledermäuse schauen.

Den Speiseplan aus dem Kot rückschließen

Um die Lebensbedingungen der bedrohten Großen Hufeisennase verbessern zu können, mussten die Naturschützer jedoch vor allem wissen, wovon sich die Tiere ernähren. Im Rahmen eines Life-Projektes der Europäischen Union sammelten Rudi Leitl und seine Mitarbeiter daher Kotproben der Fledermäuse. Mehr als 60 Arten und Gattungen von Gliedertieren entdeckten Forscher in diesen Hinterlassenschaften. Im Frühjahr sind es vor allem Blatthornkäfer der Art Rhizotrogus cicatricosus. Dieses Insekt gilt zwar ebenfalls als vom Aussterben bedroht. Dort, wo der Käfer vorkommt, gibt es ihn aber in großer Zahl. Allerdings lebt der Käfer anscheinend nur an Südhängen mit Kalkmagerrasen, auf denen einzelne Kiefern wachsen, deren Nadeln er frisst.

Bis Mitte Mai leben die Großen Hufeisennasen von diesen Käfern. Danach sind es vor allem Schnaken, im Hochsommer viele Schmetterlinge und im Herbst die Dungkäfer. Das Wissen um den Speiseplan ermöglichte dann gezielte Schutzmaßnahmen: „Insgesamt 65 Hektar Flächen wurden inzwischen für die Ernährung der Großen Hufeisennasen gesichert“, sagt LBV-Artenschutzleiter Andreas von Lindeiner. Dazu zählen etwa insektenreiche Streuobstwiesen.

Rindviecher als entscheidende Komponente beim Schutz von Fledermäusen

Zusätzlich haben die Naturschützer auch die „Savanne Mitteleuropas“ wiederbelebt. Gemeint ist damit die Huteweide des Marktes Hohenburg, auf der allerdings schon lange kein Vieh mehr weidete. Dorthin treibt ein Ökobauer im Auftrag des LBV eine Herde der ebenfalls vom Aussterben bedrohten Rinderrasse „Rotes Höhenvieh“ aus der Oberpfalz. „Dieses Rotvieh hat noch einige Verhaltensweisen von Wildtieren, die bei anderen Rassen längst verschwunden sind, und kommt daher im Wald auch ohne Hilfe der Bauern gut zurecht“, erklärt Andreas von Lindeiner. Diese Rinder fressen auch die Keimlinge von Bäumen und verwandeln den Wald so in eine Art Savannenlandschaft mit einzelnen Bäumen und kleinen Baumgruppen, unter denen eine Wiese samt vielen Insekten wächst. Die Großen Hufeisennasen brauchen sich nur noch an die Äste einzeln stehender Bäume zu hängen und durch das hufeisenförmige Hautgebilde um ihre Nasenlöcher für menschliche Ohren unhörbar hohe Laute auszustoßen. Die Echos dieser Schreie verraten ihnen, wo gerade eine lohnende Beute durch den nächtlichen Hutewald flattert, den die geschickten Flieger dann mit ihren Flughäuten im Flug fangen.

Anders als andere Rinderherden oder Schafe muss dieses Rotvieh nicht mit Mitteln gegen Darmparasiten behandelt werden, die noch im Kot die Dungkäfer töten. Erst mit dem Rotvieh explodierte daher im Hutewald die Dungkäferpopulation, an der sich die Hufeisennasen viel Winterspeck anfressen.

Der Erfolg dieser Maßnahmen kann sich sehen lassen: Zogen 1996 gerade einmal 18 Weibchen im Dachboden des Fledermaushauses in Hohenburg neun Junge auf, waren es 2009 bereits 31 Weibchen mit 23 Jungen. Seither erlebt die Kolonie einen Boom, der das Überleben der Art in Deutschland sichert: Im Winter 2018 zählten Rudi Leitl und seine Mitarbeiter bereits 196 erwachsene Große Hufeisennasen, im Sommer kamen 76 Jungtiere dazu. Auf die allerdings ein schlauer Sperber lauert. „Vielleicht könnten wir diesen Greifvogel mit Hilfe des Habichts vergraulen“, überlegt LBV-Experte Rudi Leitl. Dieser Vogel jagt nämlich Sperber.

Hufeisennasen-Webcam: www.lbv.de/huficam

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