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Hausaufgaben. Auf der Suche nach neuen Therapien müssen Alzheimerforscher jetzt zurück ins Labor.
© Andrew Brookes/Imago

Neue Ansätze gegen Alzheimer: Forscher suchen nach neuen Therapien gegen das Vergessen

Nach dem Scheitern vieler Behandlungsversuche in Studien verfolgen Forscher nun neue Ideen für Therapien. Etwa Stoffe, die das Zellskelett stabilisieren.

Es war ein schwerer Schlag für die Alzheimer-Forschung: Im März diesen Jahres teilte das Unternehmen Biogen mit, dass es zwei klinische Studien zu einem Wirkstoff mit sofortiger Wirkung einstellt. Es bestehe keine Aussicht auf Erfolg, der Antikörper Aducanumab bremse den Abbau der Geisteskraft nicht wie erhofft.

Es war bei weitem nicht die einzige schlechte Nachricht. Bereits in den Jahren zuvor waren etliche klinische Studien wegen mangelnder Wirksamkeit von Wirkstoff-Kandidaten abgebrochen worden. Alle Studien hatten eines gemeinsam: Sie testeten Substanzen, die an dem Eiweiß Amyloid-beta (Abeta) ansetzen – jenem Molekül, das sich im Gehirn von Alzheimer-Patienten in Form von „Plaques“ ablagert, die als Kennzeichen der Demenz-Erkrankung gelten.

Das Ende der Amyloid-Theorie

Die Idee war: Verhindert man die Ablagerung oder räumt abgelagerte Abeta-Eiweiße weg, lässt sich die Erkrankung verhindern oder stoppen. Antikörper wie Aducanumab sollten die Eiweißstrukturen erkennen, angreifen und den geistigen Verfall aufhalten. In die Studien, die überprüfen sollten, ob das so funktioniert, hatte man „große Hoffnungen“ gesetzt, sagt Hans-Ulrich Demuth vom Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie (IZI) in Leipzig. „Und das ist dann eben nicht passiert.“

Der Anreiz, ein Mittel gegen die Demenz-Erkrankung zu finden, ist groß: Allein in Deutschland leben nach Angaben der Deutschen Alzheimer Gesellschaft etwa 1,7 Millionen Menschen mit Demenz, der Großteil von ihnen hat Alzheimer. Bis zum Jahr 2050 könnten es gemäß der Bevölkerungsentwicklung drei Millionen werden. Alzheimer beginnt wahrscheinlich bereits im mittleren Lebensalter und schreitet Jahrzehnte unbemerkt voran, bevor erste Symptome auftreten. Diagnostiziert wird die Krankheit nur selten bei Menschen unter 60 Jahren.

Ein wirksames Medikament gibt es nicht und wird es nun, nach dem Scheitern der bisherigen Wirkstoff-Kandidaten gegen Abeta, auch in absehbarer Zeit nicht geben. Womöglich ist Abeta das falsche Ziel für einen Therapieansatz von Alzheimer. „Die Untersuchungen, die wir jetzt haben, deuten zumindest darauf hin, dass die Impfung gegen die Abeta in bestimmten Phasen der Erkrankung nicht wirksam ist“, sagt Alzheimer-Forscher Michael Heneka, Direktor der Klinik für Neurodegenerative Erkrankungen und Gerontopsychiatrie der Universität Bonn. Trauern helfe in dieser Situation aber nicht weiter.

Mikroglia als Schutz für angegriffene Nervenzellen

Das Scheitern des Abeta-Ansatzes gibt nun anderen Behandlungsideen Raum. Es gebe eine neue Offenheit, sagt Heneka, der am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen die Forschungsgruppe Neuroinflammation leitet und die Bedeutung von entzündlichen Prozessen bei der Alzheimer-Erkrankung erforscht. Dazu gehört der Einfluss der „angeborenen Immunität“ auf den Krankheitsprozess.

Diese angeborenen Abwehr- und Schutzmechanismen werden im Gehirn durch Mikroglia-Zellen vermittelt. „Wir haben einen Mechanismus identifiziert, der sich möglicherweise für die Entwicklung einer Behandlung nutzen lässt“, erklärt Heneka. „Im Prinzip versucht man, die Mikroglia dazu zu bringen, auf die Ablagerung von Amyloid-beta nicht mehr pro-entzündlich zu reagieren, sondern sich weiterhin um die umgebenden Nervenzellen zu kümmern und die Amyloid-Ablagerungen tatsächlich abzuräumen – alles Eigenschaften, die im Verlauf der Erkrankung verloren gehen.“

Einen weiteren Ansatzpunkt für die Entwicklung eines Therapeutikums bieten die Tau-Proteine. Diese Eiweiße sind Bestandteile des Zellskeletts. Nach dem gegenwärtigen Verständnis sind es die Abeta-Eiweiße, die den neurodegenerativen Prozess anstoßen, während die Tau-Proteine die ausführenden Elemente sind – sie machen die Nervenzellen letztlich kaputt. Antikörper gegen Varianten der Tau-Proteine sollen den Krankheitsprozess an dieser Stelle stoppen.

Es wird nicht das eine Mittel gegen Alzheimer geben

An Ideen und Forschungsansätzen mangelt es nicht. Quasi täglich erscheinen in Fachmagazinen Artikel mit neuen Ergebnissen zu Alzheimer-Forschungsprojekten und möglichen Ansatzpunkten für die Medikamentensuche. Etwa 80 klinische Studien der fortgeschrittenen Phase III laufen laut Studienregister der EU derzeit in Europa und dem Europäischen Wirtschaftsraum.

Der Bonner Forscher Heneka ist überzeugt, dass es ein einzelnes Medikament zur Alzheimer-Prävention oder -therapie auch in Zukunft nicht geben wird. „Wir werden versuchen müssen, unterschiedliche Krankheitsmechanismen zum gleichen Zeitpunkt zu beeinflussen. Es gibt nicht DIE Wahrheit im Tau-Feld, oder im Abeta-Feld oder in der Immunologie.“

Er vergleicht die Erkrankung mit einem Staffellauf, bei dem unterschiedliche Mechanismen aufeinander aufbauen. „Wenn der erste Läufer seine Runde beendet hat und den Stab weitergegeben hat, dann können Sie an dem rumfeilen, wie Sie wollen – das wird den Ausgang des Rennens nicht mehr beeinflussen.“ Impfungen gegen Abeta – den vielleicht ersten Läufer im Rennen – kämen vermutlich zu spät, wenn bereits der zweite Läufer übernommen habe, also etwa das Immunsystem bereits aktiviert sei. Erschwerend komme hinzu, dass sich die Erkrankung in unterschiedlichen Bereichen des Gehirns in unterschiedlichen Stadien befinden könne – auch das müsse berücksichtigt werden.

„Das grundsätzliche Problem ist, dass man zwar die pathologischen Merkmale kennt, also die Abeta-Plaques, die Tau-Plaques, die Neuroinflammation, aber dass man die Zusammenhänge zwischen diesen drei Kennzeichen noch nicht verstanden hat“, sagt Ulrich Dauer, Vorstandschef der Firma Vivoryon Therapeutics, deren Behandlungsidee es ist, die Entstehung einer ganz bestimmten, Nervenzellen schädigenden Untergruppe von Abeta-Proteinen zu verhindern. Der Wirkstoff werde auch schon in klinischen Studien getestet.

Dennoch dürfe man sich nach dem Scheitern der Abeta-Theorie nicht einfach auf das nächste Ziel stürzen, sagt Dauer und betont die Bedeutung der Grundlagenforschung zum Verständnis der Alzheimererkrankung. Kollege Demuth, einer der Vivoryon-Mitgründer, ist zuversichtlich, dass es dann in den kommenden Jahren entscheidende Fortschritte bei der Suche nach einem Medikament geben wird – und sieht die Rückschläge der Vergangenheit gelassen: „Ohne die Fehlschläge und ohne die Sackgassen, die sich da aufgetan haben, wären wir nie da, wo wir heute sind. Es gibt Licht am Ende des Tunnels.“ Anja Garms (dpa)

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