Gefährliche Kinderkrankheit: Forscher suchen ein Medikament gegen Masern
Impfen allein reicht nicht, um die Masern auszurotten, meinen einige Forscher. Sie testen deshalb einen Wirkstoff, der das Virus an der Vermehrung hindert und Ausbrüche leichter beherrschbar machen soll.
Ein kleines Molekül könnte Masernausbrüche etwas beherrschbarer machen und den Infizierten erstmals gezielt helfen, schreiben Forscher um Richard Plemper von der Emory-Universität in Atlanta im Fachblatt „Science Translational Medicine“. Der Wirkstoff erschwert die Vermehrung des Virus gleich zweifach. Er blockiert die Polymerase des Virus, somit kann es weder sein Erbgut kopieren noch bestimmte Eiweißbausteine herstellen.
Der Haken: Es wird mindestens zehn Jahre dauern, bis Masernkranke die Tabletten schlucken können. Der Wirkstoff hat bisher nur in der Petrischale bewiesen, dass er gegen das Virus ankommt. Weil Tiere keine Masern bekommen, konnte er bei Frettchen nur gegen ein eng verwandtes Virus antreten – die Staupe.
Wenn das Team um Plemper die Frettchen vor der Infektion behandelte, überlebten sie deutlich länger als sonst. Begann die Therapie erst, als die Staupe bereits in die Blutbahn vorgedrungen war, bekamen die Tiere allenfalls leichte Symptome und waren bald immun gegen das Virus. Als Nächstes planen die Forscher Tests mit Affen, danach mit Menschen. Ob das Medikament verhindert, dass die Masern das menschliche Immunsystem wochenlang lahmlegen oder dass es zu gravierenden Spätfolgen kommt, wird sich erst nach und nach zeigen.
Das Mittel könnte dabei helfen, die Masern auszurotten und lokale Ausbrüche einzudämmen. „Es wäre eine zusätzliche Waffe, ergänzend zur Impfung“, sagt Plemper. Trotz aller Impfkampagnen erkrankten allein in Deutschland 2013 mehr als 1700 Menschen an Masern, vor allem Jugendliche und junge Erwachsene sind nicht ausreichend geschützt.
Thomas Mertens, Präsident der Gesellschaft für Virologie, ist skeptischer. „Ja, wir hätten gern ein Mittel gegen Masern“, sagt er. Schließlich gibt es immer wieder schwere Komplikationen. Man könnte es Kontaktpersonen eines Kranken geben, sobald sie erste Symptome wie eine Bindehautentzündung haben – aber nicht vorsorglich allen Kindern einer Waldorfschule, sagt Mertens. „Vor allem darf nicht der Eindruck entstehen, die Impfung wäre überflüssig. Das würde allen einen Bärendienst erweisen.“