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Die mit rotem Fell gezeigten „Schrecklichen Wölfe“ stritten wohl vor mehr als 13.000 Jahren mit den noch heute lebenden grauen Wölfen, bei der Partnerwahl kamen diese anscheinend auch nicht in Frage.
© Mauricio Antón, mauricioanton@gmail.com

Von sagenhafter Gestalt: Forscher ordnen Vorbild der Schattenwölfe in Stammbaum der Hundeartigen ein

Schattenwölfe sind aus einer Fantasy-Reihe bekannt. Es gab jedoch Tiere, die zumindest, was ihre Größe betraf, an die Fantasiewesen heranreichten.

Wenn riesige Wölfe durch eine Winterlandschaft streifen, denken Fans sofort an die Schattenwölfe aus der US-Fernsehserie „Game of Thrones“, die sich an die Romanreihe „Das Lied von Eis und Feuer“ von George R. R. Martin anlehnt. Nur wenige Zuschauer und Leser wissen, dass es große Wölfe tatsächlich gab.

Neben den auch in Mitteleuropa lebenden Wölfen der Art Canis lupus jagte bis vor mindestens 13.000 Jahren in Amerika auch der etwas größere Canis dirus. Trotz seines ähnlichen Aussehens war der heute ausgestorbene „Schreckliche Wolf“ kein enger Verwandter der heute noch lebenden Wölfe.

Vielmehr gingen beide Arten ähnlich wie Menschen und Schimpansen in der Evolution 5,7 Millionen Jahre lang getrennte Wege. Das schließt ein weltweit forschendes Team um Angela Perri von der Durham University in England und Laurent Frantz von der Münchener Julius-Maximilians-Universität aus Erbgut-Analysen.

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Neue Verwandtschaftsbeziehungen

Trotz dieser lange getrennten Entwicklung ähneln sich beide Arten. Nur war der ausgestorbene Canis dirus mit einem Gewicht um die 68 Kilogramm nicht nur schwerer als die heutigen, rund 40 Kilogramm wiegenden Wölfe, sondern hatte mit seinem größeren Kopf und den sehr kräftigen Zähnen auch einen erheblich stärkeren Biss. Die Tiere erbeuteten die am Ende der Eiszeit noch lebenden großen Pflanzenfresser.

In den Rancho-La-Brea-Teergruben in Los Angeles fanden Forscher die Überreste von 40 Wölfen und weit mehr als 4000 Exemplaren der größeren Vierbeiner. Da Canis dirus auch an anderen Fundstellen deutlich häufiger war, gilt die Art als eines der häufigsten und wohl auch gefährlichsten großen Raubtiere Amerikas am Ende der Eiszeit.

Damit waren sie für den US-amerikanischen Fantasy-Schriftsteller Martin die ideale Besetzung für die Wappentiere und Begleiter der auffallend ehrlichen Adelsfamilie Stark, die in seiner Geschichte eine tragende Rolle spielt.

Das Team um Perri und Frantz hat nun aus fünf Überresten von Canis dirus, die vor 12.900 bis vor mehr als 50.000 Jahren in den heutigen US-Bundesstaaten Idaho, Ohio, Tennessee und Wyoming lebten, sowohl das vollständige Erbgut der Mitochondrien in den Zellen wie auch Teile des viel größeren Erbguts in den Zellkernen analysiert.

Die Forschenden verglichen die genetischen Daten mit denen von anderen in Amerika lebenden hundeartigen Raubtieren wie Wölfen, Graufüchsen und  Andenschakalen, sowie mit den in Afrika lebenden Afrikanischen und Äthiopischen Wölfen und Schakalen. Wie sie in der Zeitschrift „Nature“ berichten, stellen die daraus abgeleiteten Beziehungen viele bisherige Annahmen auf den Kopf.

Krankheiten und Konkurrenz

So hat sich Canis dirus in Amerika völlig unabhängig von den anderen Hundeartigen entwickelt. Seit 5,7 Millionen Jahren ging die Art getrennte Wege von den heute lebenden Wölfen, vor 5,1 Millionen Jahren hatte sich ihre Entwicklung auch von der Linie abgespalten, zu der die heute in Afrika lebenden Schakale gehören. Tatsächlich sind die Wölfe in Amerika enger mit Äthiopischen Wölfen und afrikanischen Wildhunden als mit Canis dirus verwandt.

Zudem fand das Team im Erbgut der ausgestorbenen Wölfe keine Spuren einer Kreuzung mit Wölfen oder Kojoten. Dabei paaren sich die Arten aus der Verwandtschaft der Hunde in der Natur eigentlich recht häufig miteinander. So ist in Nordamerika aus Kreuzungen zwischen Wölfen und Kojoten wohl sogar die Hybrid-Art des Rotwolfes entstanden, die allerdings vom Aussterben bedroht ist.

Noch keine Antwort haben die Forscher auf die Frage gefunden, warum Canis dirus nach dem Ende der Eiszeit ausstarb. Einige Forscher überlegen, ob dabei vielleicht Krankheiten eine Rolle gespielt haben, die Wölfe und andere entfernte Verwandte mitbrachten, die wahrscheinlich mehrere Male aus der alten Welt nach Amerika kamen. Da die „Schattenwölfe“ sich nicht mit Wölfen und Kojoten kreuzten, konnten sie von diesen auch keine Widerstandskräfte gegen solche Infektionen übernehmen und verschwanden.

Laurent Frantz hegt einen anderen Verdacht: Offensichtlich waren die großen Wölfe besonders gut an die Jagd auf große und sehr große Säugetiere angepasst. „Wölfe sind dagegen viel flexibler und jagen noch heute Bisons, aber auch viele kleinere Arten wie Karibus und andere Hirsche“, erklärt Frantz.

Als am Ende der Eiszeit die großen Arten wie die Mammuts und Riesenfaultiere verschwanden, kamen die anpassungsfähigen Wölfe und Kojoten mit der neuen Situation ganz gut zurecht. Die Spezialisten für Großwildjagd wie der bis zu 500 Kilogramm wiegende und 2,50 Meter lange Amerikanische Löwe, der mehr als 600 Kilogramm wiegende Kurznasenbär, der mit einer Schulterhöhe von 1,80 Metern auf vier Beinen einen Menschen überragte, und der große Canis dirus starben aus. Bis sie dann in „Game of Thrones“ und im „Lied von Eis und Feuer“ wiedergeboren wurden.

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