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Bei einer Frau wird in einer Teststation in Neu-Ulm ein Abstrich genommen.
© Sebastian Gollnow/dpa

Positivrate und R-Wert: Fallzahlen steigen weiter, aber zwei wichtige Werte machen Hoffnung

Das Infektionsgeschehen in Deutschland ist weiter auf hohem Niveau. Wann kommt die Trendwende? Diese Indikatoren sind erste positive Signale.

In Deutschland haben die Gesundheitsämter dem Robert Koch-Institut (RKI) 21.866 neue Coronavirus-Infektionen binnen 24 Stunden gemeldet. Das sind knapp 3400 Fälle mehr als am Mittwoch, wie aus den Angaben des RKI vom Donnerstagmorgen hervorgeht. Im Vergleich zum Donnerstag vergangener Woche ist der Wert etwas höher. Zu dem Zeitpunkt hatte die Zahl gemeldeter Neuinfektionen bei 19.990 gelegen. Ein Höchststand war am Samstag mit 23.399 verzeichneten Fällen erreicht worden.

Das RKI zählt seit Beginn der Pandemie insgesamt 727.553 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2 in Deutschland (Stand: 12.11., 00.00 Uhr). Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit dem Virus stieg bis Donnerstag um 215 auf insgesamt 11.982. Am Mittwoch hatte diese Steigerung 261 Fälle betragen. Das RKI schätzt, dass rund 467.800 Menschen inzwischen genesen sind.

Daten zufolge, die der Tagesspiegel live aus den Landkreisen zusammenträgt, gab es Stand Donnerstagmorgen 269.980 aktive Fälle in Deutschland. Am 1. Oktober waren es noch 28.051 gewesen. Wie die Daten weiter zeigen, gab es in den vergangenen sieben Tagen in Deutschland keinen Landkreis, der keinen Coronavirus-Fall meldete.

Die Inzidenz der vergangenen sieben Tage liegt dem RKI-Lagebricht vom Mittwochabend zufolge deutschlandweit bei 138,1 Fällen pro 100.000 Einwohner. Wie das RKI schreibt, nimmt der Anteil älterer Personen unter den Covid-19-Patienten weiter zu. Die 7-Tage-Inzidenz liegt demnach bei den über 60-Jährigen aktuell bei 94,5 Fällen pro 100.000 Einwohner.

Die Zahl der intensivmedizinisch behandelten Covid-19-Fälle ist dem Bericht zufolge in den vergangenen zwei Wochen von 1.569 (28. Oktober) auf 3.127 Patienten am Mittwoch angestiegen. Mediziner erwarten, dass es wegen des derzeitig hohen Infektionsgeschehens zeitverzögert zu einer sehr starken Belastung der Intensivstationen kommen wird.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) rechnet mit einer Verdopplung der Corona-Patienten auf Intensivstationen noch in diesem Monat. Angesichts des Verlaufs „werden wir jetzt im November wahrscheinlich noch über 6000 Covid-19-Patienten gleichzeitig auf unseren Intensivstationen sehen“, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. „Höher dürfen die Zahlen nicht steigen. Falls doch, würden wir absehbar an einen Punkt kommen, an dem das Gesundheitssystem überfordert ist.“

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Das RKI schreibt in seinem Bericht, dass bundesweit in verschiedenen Landkreisen Ausbrüche registriert würden, die mit unterschiedlichen Situationen in Zusammenhang stünden, unter anderem mit größeren Feiern im Familien- und Freundeskreis und in Betrieben. Zudem werden dem Bericht zufolge auch wieder vermehrt Coronavirus-Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen gemeldet.

„Zusätzlich kommt es in zahlreichen Landkreisen zu einer zunehmend diffusen Ausbreitung von Sars-CoV-2-Infektionen in die Bevölkerung, ohne dass Infektionsketten eindeutig nachvollziehbar sind. Der genaue Infektionsort lässt sich häufig nicht ermitteln“, schreibt das RKI.

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In einigen Fällen liegt demnach ein konkreter größerer Ausbruch als Ursache für den starken Anstieg in den betroffenen Kreisen vor. „Zum Anstieg der Inzidenz tragen aber nach wie vor auch viele kleinere Ausbrüche in Krankenhäusern, Einrichtungen für Asylbewerber und Geflüchtete, verschiedenen beruflichen Settings sowie im Zusammenhang mit religiösen Veranstaltungen bei.“

Das RKI schreibt weiter, nach einer vorübergehenden Stabilisierung der Fallzahlen auf einem erhöhten Niveau Ende August und Anfang September sei es im Oktober in allen Bundesländern zu einem steilen Anstieg der Fallzahlen gekommen. „Die Zunahme hat sich zuletzt leicht abgeflacht“, so das RKI.

Bis sich die Wirkung des Teil-Lockdowns mit Schließungen etlicher Einrichtungen bei den Infektionszahlen zeigt, dauert es wegen der Spannen von der Ansteckung zu Symptomen, Test und Erfassung nach RKI-Angaben zwei bis drei Wochen.

Allerdings hatten Daten des Corona-Monitors des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) gezeigt, dass sich die dafür Befragten schon zuvor wieder vorsichtiger verhielten. Dieser Effekt könnte sich ebenso wie bestimmte Maßnahmen schon jetzt bemerkbar machen.

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Zwei wichtige Werte sind dabei als positive Signale zu werten: Zum einen liegt das sogenannte Sieben-Tage-R dem RKI-Lagebericht vom Mittwochabend zufolge weiter unter dem wichtigen Wert 1 – nämlich bei bei 0,89 (Vortag: 0,92). Das heißt, dass 100 Infizierte rechnerisch etwa 89 weitere Menschen anstecken. Der Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor acht bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab.
Zum anderen hat sich der Anstieg der Positivrate bei den Tests in der Woche vom 2. November (KW 45) im Vergleich zur Vorwoche deutlich verlangsamt, wie aus dem RKI-Lagebericht hervorgeht. Demnach betrug die Positivquote, inzwischen einer der wichtigsten Indikatoren für das Infektionsgeschehen in einem Land, bei 1,56 Millionen durchgeführten Test 7,88 Prozent.

In der Kalenderwoche 44 lag der Wert bei einer vergleichbaren Anzahl Tests bei 7,26 Prozent. In KW 43 lag der Wert bei etwas weniger Untersuchungen (1,4 Millionen) bei 5,51 – in der Woche davor (12. bis 18.Oktober) bei 3,55 Prozent. Den bisherigen Spitzenwert gab es in der Woche ab dem 30. März mit 9,03 Prozent bei gut 408.000 Tests. In Kalenderwoche 35 (bis 30.8.) waren es noch rund 0,7 Prozent bei 1,1 Millionen Tests. Das RKI veröffentlicht diese Werte jeweils mittwochs.

Auch die Politik wertet die derzeitige Entwicklung zumindest leicht positiv, sieht aber wenige wenige Tage vor neuen Bund-Länder-Gesprächen zu den Corona-Maßnahmen in Deutschland am Montag noch keinen Anlass für Entwarnung. Es sei zu früh, von einer Trendwende zu sprechen, sagte Spahn am Mittwoch. Die Dynamik des Infektionsgeschehens habe sich aber in den vergangenen Tagen deutlich reduziert. „Es steigt noch, aber es steigt weniger stark.“

Über die Frage, ob weitere Maßnahmen notwendig sein könnten, wollen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder am kommenden Montag beraten und ein Zwischenfazit des Teil-Lockdowns ziehen. Merkel rechnet damit, dass die zweite Welle das Land noch länger beschäftigt.

Man müsse davon ausgehen, dass die zweite Welle härter sei als die erste, sagte sie am Mittwoch bei einer Veranstaltung der „Wirtschaftsweisen“. Die zweite Welle falle in eine schlechtere Jahreszeit, nämlich in die Wintermonate. „Das heißt, sie wird uns noch den ganzen Winter beschäftigen“, sagte Merkel – auch wenn es positive Botschaften bezüglich der Entwicklung von Impfstoffen gebe.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte, er hoffe, dass Deutschland um Weihnachten und den Jahreswechsel herum „in einer epidemiologisch besseren Situation“ sei. „Und das geht nur mit Disziplin.“ Seehofer warnte, man dürfe nicht nachlassen mit der Begründung, der Anstieg der Infektionszahlen sei nicht mehr so dynamisch. „Unterschätzen Sie nicht bei schweren Erkrankungen mit Covid-19, dass viele der schwer Erkrankten lebenslang Folgeschäden haben.“

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