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Unklare Perspektiven. Weil viele Unis nicht teilnehmen, wird Studierenden nur eine sehr kleine Auswahl angeboten.
© picture alliance / dpa

Hochschulranking "U-Multirank": Europas superkompliziertes Ranking

Keine Verlierer und Siegen siegt: Das neue „U-Multirank“ der EU will in Sachen Hochschulrankings alles besser machen. Aber die erste Ausgabe wirft jetzt vor allem Fragen auf.

Als die Europäische Kommission vor einigen Jahren ankündigte, ein Uni-Ranking für alle europäischen Hochschulen herausbringen zu wollen, war der Anspruch hoch. Viel genauer und differenzierter als bisher sollte die internationale Hochschulwelt bewertet werden, hieß es damals. Die bisherigen Uni-Weltranglisten, die oft als allzu einfach und verzerrend kritisiert werden, wollte man ersetzen. Nicht nur die üblichen Verdächtigen (wie Oxford oder Cambridge) sollten auftauchen, sondern auch kleinere Hochschulen, die auf der Uni-Weltkarte bisher gar nicht auffindbar waren. Anders als oft üblich sollte „U-Multirank“ Weltspieler wie Oxford und regionale Einrichtungen wie die Fachhochschule Oberösterreich nicht über einen Kamm scheren.

Am Dienstag wurde nun die erste Ausgabe des „U-Multirank“ veröffentlicht – erneut mit großen Worten. Es handele sich um „ein neues globales Hochschulranking“, das „die herkömmlichen simplifizierenden Ranglisten hinter sich lasse“, wie das Gütersloher Centrum für Hochschulentwicklung mitteilte. Das CHE gehört zu dem von der EU beauftragten Netzwerk, das das Ranking entwickelt hat. 850 Hochschulen wurden aus Europa sowie aus 74 Ländern weltweit berücksichtigt, um Europa mit der Welt vergleichbar zu machen. Aus Deutschland sind 63 Hochschulen dabei.

Studierende, Forscher, Politiker: Die Zielgruppe ist denkbar groß

Die Zielgruppe des neuen Rankings ist denkbar groß. Es richtet sich einerseits an Studierende, die auf der Suche nach der für sie am besten geeigneten Hochschule und dem passsenden Studiengang sind. Es wolle aber auch für Lehrende und Forschende, für Hochschulleitungen und für die Politik „relevante Informationen liefern“, heißt es.

Das „U-Multirank“ – ein Superranking: Schon die untersuchten Hochschultypen sind ausgesprochen vielfältig. Neben internationalen Forschungsuniversitäten werden etwa auch Fachhochschulen und Spezialhochschulen wie Business-Schools bewertet. Untersucht werden fünf „Dimensionen“: Forschungsleistungen, Lehrqualität, Wissenstransfer, internationale Orientierung und regionaler Bezug. Dabei soll das Ranking einerseits die Leistungen der ganzen Hochschulen messen und sie andererseits auf der Ebene einzelner Fächer vergleichen. In diesem Jahr sind Maschinenbau, Elektro- und Informationstechnik, Physik und Betriebswirtschaft dabei. Im kommenden Jahr sollen Psychologie, Informatik und Medizin hinzukommen.

Der Eindruck: Das komplizierteste Ranking der Welt

Doch macht das gut gemeinte „U-Multirank“ den globalen Hochschulraum wirklich „transparenter“? Natürlich, eine publikumswirksame, aber platte Hitliste wollten die Hochschulexperten gerade nicht erstellen. Nicht weniger als 31 Kriterien wurden also mit einbezogen, auf deren vereindeutigende Verrechnung zu einem großen Ergebnis wurde angesichts der Komplexität der Hochschulwirklichkeit verzichtet. Doch wer „U-Multirank“ benutzt, bekommt nun den Eindruck, das komplizierteste Ranking weltweit vor sich zu haben. „Eine der Stärken ist die Tatsache, dass Nutzer selbst entscheiden können, welche Indikatoren wichtig sind und ihr eigenes Ranking erstellen können“, sagte EU-Bildungskommissarin Androulla Vassiliou am Dienstag in Brüssel.

Die Datenlage ist - noch - viel zu dürftig

Doch dafür ist die Datenlage – jedenfalls noch – viel zu dürftig. Von den 63 Hochschulen aus Deutschland haben zum Beispiel nur 40 „aktiv“ teilgenommen. „Aktiv“ bedeutet dabei, dass an diesen Hochschulen auch Studierende befragt wurden oder dass sie Daten etwa zur Höhe ihrer Forschungsmittel beigesteuert haben. Von denen, die sich dieser aktiven Teilnahme verweigerten, liegen dagegen aus einer internationalen Datenbank nur bibliometrische Daten sowie Angaben zu Patenten vor. Aus Berlin haben etwa die FU und die TU nicht aktiv teilgenommen – sie kommen in vielen Kategorien gar nicht vor, womit man ihr Abschneiden eigentlich kaum beurteilen kann.

Vor allem von großen Unis fehlen Daten

Überhaupt sind es international vor allem die größeren, bekannteren Unis, die sich der Umfrage verweigert haben. Schon im Juni 2013 hatten britische Unis das Ranking als „Verschwendung von Steuergeld“ kritisiert. Die EU-Finanzierung verleihe der Rangliste außerdem eine starke staatliche Legitimation, durch die die Ergebnisse zur Grundlage künftiger Staatszuschüsse werden könnten. Das Geld wäre besser in wichtige europäische Bildungsprojekte geflossen, hieß es. Finanziert wird das Ranking aus Mitteln des EU-Programms für lebenslanges Lernen, mit zwei Millionen Euro für die Jahre 2013 bis 2014.

Im vergangenen Jahr war bereits eine Gruppe von 21 forschungsstarken Unis aus „U-Multirank“ ausgestiegen, darunter Cambridge, Oxford, Amsterdam und die LMU München. Es sei zweifelhaft, dass solide Daten zusammenkämen. Was fördert das Ranking also zu Tage (hier geht es zur gesamten Übersicht)?

Ergebnisse im Überblick

Forschung

Das Forschungsranking von „U-Multirank“ will einen internationalen Überblick über ganze Hochschulen geben – was in völligem Widerspruch zu dem Ziel größerer Differenzierung steht. Für sieben Kriterien im Bereich Publikationen werden jeweils für eine Hochschule insgesamt Noten von „A“ („sehr gut“) bis „E“ („schwach“) vergeben.

Öffnet man die Liste, gibt es eine Überraschung: Die deutsche Universität Siegen steht mit einem „A“ weltweit an zweiter Stelle, direkt hinter der University of California Santa Cruz und vor weltberühmten Hochschulen wie dem MIT, Princeton, Berkeley oder Stanford, die – wie viele andere der 792 aufgeführten Hochschulen – ebenfalls ein „A“ bekommen beim ersten der sieben Publikationskriterien, nämlich den Zitationen aus allen Fächern im Schnitt der Jahre 2008 und 2011. Wie Siegen auf den symbolisch wertvollen zweiten Platz kam, ist rätselhaft. Zumal die Uni bei den anderen Publikationskriterien nur drei „D“s für „unterdurchschnittlich“, zwei „B“s für „gut“ und noch ein „A“ für die hohe Zahl der Siegener Publikationen, die gemeinsam mit einem internationalen Partner geschrieben wurden, verbuchen kann.

Berlins Unis sind demnach jedenfalls publikationsstark, besonders die HU und die FU. Die Humboldt-Uni bekommt fünf „A“s sowie zwei „B“s in den Bereichen Gesamtzitationen und Zitationen mit internationalen Partnern. Die FU schafft vier „A“s und drei „B“s, wie bei der HU ist die Zahl der Gesamtpublikationen (anders als bei der Uni Siegen) nur mit „gut“ bewertet. Die TU Berlin hat zwei „A“s, vier „B“s und ein „C“ auf dem Zeugnis.

Die Uni München bekommt wie die HU fünf „A“s und zwei „B“s, zum „A“ reichte es nicht bei den Kriterien Publikationen mit internationalen Partnern oder Partnern aus der Region. Hier schneiden die amerikanischen Spitzenunis aber noch schlechter ab: Harvard bekommt nur ein „C“ für Publikationen mit internationalen Partnern.

Lehre – Physik

Wo möchten Sie studieren? An einer kleinen oder großen Uni, mit internationalem oder regionalem Fokus, ist Ihnen die Forschungsstärke wichtig?, werden Studierende gefragt. Wer sich im Bachelorstudium für internationale und forschungsstarke Physik-Unis interessiert, bekommt in Europa 17 zur Auswahl, die Amerikas und Ozeanien kommen nicht vor, Afrika ist mit einer Uni vertreten, Asien mit zweien.

In Deutschland bietet die Maschine nur vier Unis zur Auswahl: die RWTH Aachen, das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die Uni Hannover und die TU München, wobei letztere in den 12 bewerteten Kriterien im Bereich Lehre die meisten und dicksten grünen Punkte für sich verbuchen kann: bei der Betreuungsrelation, bei der Zahl von Dozenten mit Doktorgrad oder bei der IT-Ausstattung. Doch der Vergleich mit den anderen drei deutschen Unis ist kaum möglich. Aachen hat nur zu drei von 12 Kriterien Angaben gemacht, Hannover und das KIT zu neun von 12.

Auch international bleiben die genannten Unis überwiegend im Nebel. Über die Moskauer Lomonosow Universität ist nur ein Kriterium bekannt: Sie hat viele Dozenten mit Doktorgrad. Auch Nottingham hat über sich kaum mehr mitgeteilt.

Elektrotechnik

Wieder sucht eine Bachelorstudentin eine große, international ausgerichtete forschungsstarke Uni. Für Deutschland wirft die Maschine die gleichen vier Ergebnisse aus wie für Physik, europaweit 16. Wiederum fehlen bei vielen Unis zahlreiche Angaben. Unis in Ozeanien oder Nord- und Südamerika fehlen wiederum.

Maschinenbau

Die Unis in Delft, Lüttich, Liverpool, Malaysia und die TU München können Bachelorstudierenden, die eine forschungsstarke Uni suchen, die meisten grünen Punkte in den Kriterien für Lehre bieten.

BWL

Nur 19 Unis weltweit werden für Bachelors angeboten, die an eine forschungsstarke Hochschule streben. Wiederum gibt es kaum Informationen über Hochschulen aus Übersee. In Moskau verbucht die Lomonosow-Uni viele grüne Punkte, wie auch Liverpool, Liege, Mailand, Wien und die TU München, die neben Aachen die angeblich einzige deutsche Uni ist, die auf die studentische Anfrage passt.

Fazit: Noch ist das „U-Multirank“ für Studieninteressierte und Forscher eine verzichtbare Quelle.

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