Raumfahrt: Europa ist offenbar auf dem Mars gelandet
Bereits Mittwochnachmittag sollte die Sonde „Schiaparelli“ auf dem Mars aufsetzen. In der Nacht zu Donnerstag meldete die ESA dann den Erfolg. Allerdings sende „Schiaparelli“ kein Signal.
Die Testsonde "Schiaparelli" ist auf dem Mars gelandet, sendet aber kein Signal. Das sagte ein Vertreter der europäischen Weltraumagentur ESA in der Nacht zu Donnerstag der Nachrichtenagentur AFP. Es sei unklar, ob die Sonde intakt sei oder nicht.
Der Erfolg der Aktion, war lange unklar. Bei der European Space Agency (ESA) saß man deshalb auf Kohlen.
„Sechs Minuten des Grauens“ nennen Planetenforscher die entscheidende Phase einer Landung auf dem Mars; am frühen Mittwochabend soll die Sonde „Schiaparelli“ in der Hochebene Meridiani Planum auf dem roten Planeten niedergehen.
„Schiaparelli“ ist weniger eine Forschungssonde als ein Demonstrator. Das Raumfahrzeug soll die Verlässlichkeit eines komplizierten Landeverfahrens zeigen. Gelingt die europäisch-russische Mission, so soll 2020 der „ExoMars“-Rover folgen. Und mit diesem ambitionierten Projekt könnte den europäischen Planetenforschern der erste zweifelsfreie Nachweis von Leben auf einem anderen Planeten gelingen. Denn erstmals nach den „Viking“-Landern in den 1970ern hat „ExoMars“ wieder ein Labor zum Nachweis von Lebensspuren an Bord.
Unser äußerer Nachbarplanet ist der aussichtsreichste – und erreichbarste – Kandidat für die Suche nach außerirdischem Leben. Denn inzwischen gibt es keine Zweifel mehr daran, dass es auf dem Mars über längere Zeiträume hinweg Flüsse und Seen, möglicherweise sogar einen Ozean gab. Da offenes Wasser als wichtigste Voraussetzung für die Entstehung von Leben gilt, könnten auf dem roten Planeten zumindest einfache, einzellige Lebensformen entstanden sein.
Vielleicht überdauert Leben im Untergrund
Als das Wasser durch die Abkühlung des Mars vor 1,5 Milliarden Jahren fast vollständig von der Oberfläche verschwand, könnten diese Lebensformen sich in den Untergrund zurückgezogen und dort bis heute überdauert haben. Die beiden „Viking“-Sonden hatten widersprüchliche und bis heute umstrittene Ergebnisse zur Erde gefunkt. Während ein Experiment biologische Aktivität anzeigte, fand ein zweites nur tote Materie. Die meisten Forscher deuten die Ergebnisse des ersten Experiments deshalb als Folge nichtbiologischer chemischer Reaktionen im Marsboden.
Aber die Viking-Lander konnten nur Proben aus der obersten Schicht des Marsbodens entnehmen, die heute höchst lebensfeindlich ist. Doch schon in geringer Tiefe könnte es Wasser und annehmbare Temperaturen geben. Zudem schützt das darüberliegende Gestein vor schädlicher Strahlung aus dem All.
ExoMars ist deshalb mit einem Bohrer ausgestattet, der Proben aus bis zu zwei Metern Tiefe entnehmen kann. Ob diese Proben Spuren von heutigem Leben oder Reste urzeitlicher Biologie oder überhaupt nichts Aufschlussreiches enthalten, bleibt die große Frage dieser Rover-Mission, die 2020 starten soll.
Doch zunächst müssen die Forscher, Ingenieure und Techniker der europäischen Weltraumagentur Esa, beweisen, dass sie ein Landefahrzeug auf dem Mars absetzen können. Die Lufthülle des roten Planeten ist einerseits zu dünn, um wie auf der Erde allein mit Hitzeschilden und Fallschirmen den Luftwiderstand zum Abbremsen zu nutzen.
Andererseits lässt sich die Mars-Atmosphäre jedoch auch nicht ignorieren, wie etwa bei einer Landung auf dem Mond. Das Raumfahrzeug würde ungebremst verglühen.
So ist eine Kombination unterschiedlicher Methoden nötig. Zunächst bremst die Reibung an der dünnen Atmosphäre Schiaparelli von 21 000 auf 1650 Kilometer pro Stunde ab, wobei ein Hitzeschild die Sonde vor dem Verglühen schützt. In einer Höhe von elf Kilometern entfalten sich dann Fallschirme und der Hitzeschild wird abgesprengt. Mit Hilfe von Radarstrahlen überwacht das Raumfahrzeug von nun an seine Flughöhe und -geschwindigkeit. Bei einer Fallgeschwindigkeit von 250 Kilometern pro Stunde in einer Höhe von etwas über einem Kilometer wirft Schiaparelli dann seine Fallschirme ab. Bremsraketen zünden und lassen den Lander in einer Höhe von zwei Metern über dem Boden fast zum Stillstand kommen. Dann schalten sie sich ab. Das letzte Stück legt Schiaparelli im freien Fall zurück, geschützt durch eine Knautschzone an seiner Unterseite.
Eine sanfte Ladung, 169 Millionen Kilometer entfernt
All das muss vollautomatisch ablaufen, zum Zeitpunkt der Landung ist der Mars 169 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Funksignale benötigen für diese Strecke neun Minuten, eine Kontrolle des Landevorgangs von der Erde aus ist unmöglich. Den Wissenschaftlern auf der Erde bleibt nur, abzuwarten. Erst neun Minuten nach der geplanten Landung können sie auf die erlösenden Signale aus der Meridiani Planum hoffen.
Vielleicht kann sogar ein anderer Besucher auf dem Mars die Landung von Schiaparelli beobachten. Denn in der Hochebene operiert seit über zwölf Jahren der Nasa-Rover „Opportunity“. „Wir haben beim „Opportunity“-Team angefragt, und sie wollen es versuchen“, sagt Jorge Vago vom ExoMars-Team der Esa. Es hängt allerdings von den lokalen Witterungsbedingungen ab, ob die Kamera von Opportunity den europäischen Lander sehen kann. „Wenn Schiaparelli zu kurz hereinkommt, bleibt er unter dem Horizont des Rovers“, sagt Vago, „kommt der Lander zu lang herein, sind die Chancen besser, dass Opportunity den Fallschirm am Himmel erkennt.“
Da Schiaparelli ein Demonstrator ist, ist der Lander nicht für eine lange Lebensdauer auf dem Mars ausgestattet. Ohne Solarzellen, nur mit einer Batterie an Bord, reicht die Energieversorgung für zwei bis acht Tage. In dieser Zeit liefern eine Reihe von Messinstrumenten Informationen über die Atmosphäre, insbesondere über den Staub, zur Erde. „Wir wollen erstmalig die durch den atmosphärischen Staub erzeugten elektrischer Felder messen“, sagt Vago. Daraus erhoffen sich die Forscher neue Erkenntnisse über die Entstehung und frühe Entwicklung von Staubstürmen auf dem Mars.
Und wenn die Landung fehlschlägt? Selbst dann ist die Mission wissenschaftlich gesehen nicht sinnlos. Zahlreiche Sensoren an Bord von Schiaparelli liefern während des Landeanflugs permanent Daten über die Umgebung und über den Zustand des Raumfahrzeugs zur Erde. „Sie spielen bei der Rekonstruktion der Atmosphäre entlang der Flugbahn eine wichtige Rolle“, sagt Ali Güthan vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, der diese Daten mit seinem Team in Köln auswertet. Mehr noch: „Die Daten helfen auch entscheidend bei der Verbesserung künftiger Landekapseln.“