Mission Exomars ist gestartet: Europa sucht Leben auf dem Mars
Die Sonde hat erste Signale gesendet. Exomars soll im Oktober den Mars erreichen und organische Moleküle aufspüren – die möglicherweise auf Leben verweisen. Geplant ist auch ein Rover, doch ob dieser 2018 fliegt, ist unsicher.
Manche vermuten es, manche hoffen darauf, manche halten es für ausgeschlossen. Ob es auf dem Mars früher einmal Leben gab, vielleicht sogar bis heute, weiß bisher niemand. Die unbemannte europäisch-russische Mission „Exomars“ wird ebenfalls keinen finalen Beweis liefern - aber womöglich weitere wichtige Indizien. Der erste wichtige Schritt ist gelungen: in Richtung Mars. Um 10.31 Uhr (MEZ) hob eine „Proton“-Rakete vom Kosmodrom Baikonur ab. In der Spitze befindet sich der erste Teil der Doppelmission: eine Forschungssonde, die den Mars dauerhaft umkreisen soll, um Methanausgasungen aufzuspüren, die möglicherweise biologischen Ursprungs sind.
Weiterhin an Bord ist ein Landemodul, das Technologien zum Aufsetzen auf dem Planeten testen wird – für den zweiten Teil der Mission Exomars. Geplant ist ein Roboter, der auf dem Mars umherfährt und an interessanten Stellen bis zu zwei Meter tief bohrt, um dort nach organischen Molekülen zu suchen. Dahinter steckt die Überlegung, dass die Bedingungen für Leben auf der Oberfläche des Mars zu hart sind. In der Tiefe jedoch könnten die Chancen besser stehen, meinen die Wissenschaftler.
Ob der Plan aufgeht, ist eine andere Sache. Der Start des Rovers im Jahr 2018 ist noch nicht sicher. Und auch die jetzt geplante Reise des „Trace Gas Orbiter“ sowie eines Landemoduls, das demonstrieren soll, dass man einen schweren Roboter auf dem Planeten absetzen kann, hat ihre Tücken. Sowohl Russland als auch Europa mussten in Sachen Mars einige Fehlschläge hinnehmen. Die Esa hatte vor zwölf Jahren eine Landeeinheit „Beagle-2“ über dem Planeten abgesetzt, doch der Funkkontakt riss bald ab. Erst 2015 wurde sie entdeckt.
Russlands jüngste Mission war eine Sonde, die den Marsmond „Phobos“ erreichen sollte. Aber wegen technischer Probleme kam sie über den Erdorbit nicht hinaus und verglühte 2012 über dem Pazifik. Auch die aktuellen Helfer für die erste Etappe, eine „Proton“-Rakete mit einer „Breeze“-Oberstufe, hatten in der Vergangenheit zu mehreren Fehlstarts geführt. Entsprechend groß ist die Anspannung, ob man es dieses Mal bis zum Ziel schafft. Zumindest der erste Teil ist gelungen, die Rakete ist erfolgreich gestartet und die wissenschaftlichen Instrumente sind bisher auf Kurs. Zwölf Stunden nach dem Start empfingen am Montagabend die Kontrolleure auch das erste Signal der Sonde. „Wir sind auf dem Weg zum Mars“, sagte der per Telefon nach Darmstadt geschaltete Chef der europäischen Raumfahrtagentur Esa, Johann-Dietrich Wörner.
Generalprobe für den europäischen Mars-Rover
Wenn alles klappt, wird die Sonde unseren Nachbarplaneten im Herbst erreichen. Am 16. Oktober sollen mittels ferngezündeter Sprengbolzen der „Trace Gas Orbiter“ und die Landeeinheit „Schiaparelli“ voneinander getrennt werden. Letztere soll drei Tage später auf dem Mars aufsetzen, gewissermaßen eine Generalprobe für die Landung des Rovers, die in zwei Jahren erfolgen soll. Um Schiaparelli von 5,8 Kilometern pro Sekunde (die achtfache Geschwindigkeit einer Gewehrkugel) bis zum sanften Aufsetzen abzubremsen sind mehrere Schritte geplant: Zunächst wird Reibung der Atmosphäre einiges beitragen, später kommen Fallschirm und Bremsraketen zum Einsatz, bis das Modul in zwei Meter Höhe kurzzeitig schweben wird – und dann herunterplumpst. Das Manöver wird weitgehend automatisiert erfolgen, da Funksignale von der Erde fast zehn Minuten benötigen würden. Das ist viel zu langsam, um reagieren zu können.
Der Trace Gas Orbiter (TGO) schwenkt derweil in eine immer enger werdende Umlaufbahn ein. Sie soll am Ende kreisförmig in 400 Kilometern Höhe um den Mars verlaufen. Die Instrumente sind so präzise, dass sie Spurengase wie Methan und Ozon rund tausendmal genauer messen können, als es mit bisherigen Sonden wie etwa der europäischen „Mars Express“ oder „Maven“ von der Nasa möglich ist. „Uns interessiert besonders das Methan“, sagt der Planetenforscher Ralf Jaumann vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin. Verschiedene Sonden haben das Gas in der Atmosphäre gefunden, allerdings schwankt der Gehalt sehr stark. „Wir wissen außerdem, dass die Moleküle nicht stabil sind, sondern vom UV-Licht der Sonne zerstört werden. Nach rund 1000 Jahren ist das Gas weg“, erläutert der Forscher. Dass es dennoch gemessen wird, und vor allem je nach Region in unterschiedlicher Konzentration, bedeutet: Es muss bis heute Methanquellen geben. Zwei Varianten sind nach Ansicht von Experten besonders plausibel. Zum einen vulkanische Aktivität des Mars, die zu Ausgasungen führt. Zum anderen biologische Prozesse. Der TGO wird nicht nur den Gasgehalt kontinuierlich bestimmen, sondern zudem mit einer hoch auflösenden Kamera die Planetenoberfläche kartieren, um jene Regionen zu identifizieren, aus denen das Methan mutmaßlich stammt.
Führte atomares Billard zum Verlust der Mars-Atmosphäre?
Die zweite Frage, bei deren Beantwortung die Sonde helfen soll, lautet: Warum ist die Marsatmosphäre so dünn? Nur rund ein Tausendstel beträgt der Luftdruck im Vergleich zur Erde. „In seiner Frühphase floss flüssiges Wasser auf der Oberfläche. Es muss damals eine dichtere Lufthülle gegeben haben“, sagt Jaumann. Als plausibles Szenario zum Verlust der Atmosphäre gilt derzeit ein atomares Billard. Demnach kommen die Protonen des Sonnenwinds mit rund 400 Kilometern pro Sekunde angeschossen. Sollten sie ein Kohlendioxid- oder Wassermolekül in der Atmosphäre treffen, erreichen diese durchaus Fluchtgeschwindigkeit und überwinden die Anziehungskraft des Mars. Weg sind sie. „Demnach müsste die Atmosphäre aber schon in der Frühphase des Planeten sehr dünn gewesen sein“, macht der DLR-Forscher den Widerspruch deutlich. „Das passt nicht richtig zusammen.“ Er verweist auf die ersten Messungen, die „Mars Express“ seit 2003 gemacht hat sowie die Daten von „Maven“. Nimmt man noch die Exomars-Mission hinzu, die bis 2022 geplant ist, hätten die Forscher einen Datensatz über zwei Jahrzehnte. Vielleicht ist das lang genug, um grundlegende Veränderungen besser verstehen zu können, hofft Jaumann.
Höhepunkt der Mission ist allerdings der Rover „Pasteur“, der 2018 starten und etwa halb so groß sein soll wie der Nasa-Roboter „Curiosity“, der seit 2012 auf dem Mars umherkurvt. Pasteur wird einen Bohrer mitnehmen, um Proben aus bis zu zwei Metern Tiefe zu gewinnen. Sollte es Leben auf dem Mars geben oder gegeben haben, dann erwarten es die Astrobiologen unter der Oberfläche – geschützt vor der lebensfeindlichen Weltraumstrahlung. Denn ein Magnetfeld, das beispielsweise uns auf der Erde vor geladenen Teilchen aus dem Kosmos schützt, hat der Mars seit rund vier Milliarden Jahren nicht mehr. Noch steht der Landeplatz nicht fest, gute Chancen hat aber „Oxia Planum“ nahe des Äquators. Dort gibt es viele Tonminerale, die sich nur in Anwesenheit flüssigen Wassers bilden konnten – eine gute Voraussetzung für Leben.
Zwei Varianten: Proben zur Erde holen oder empfindlichere Geräte zum Mars
Einen handfesten Beweis, etwa Zellen oder Zellbestandteile (von heute oder uralte Reste von Mikroben aus der Vergangenheit) wird Exomars aber nicht liefern. Dafür sind seine Messgeräte nicht ausgelegt. Er kann nur große organische Moleküle identifizieren, sofern sie vorhanden sind. Aus den übrigen Messungen wollen die Forscher rekonstruieren, unter welchen Bedingungen die Moleküle entstanden und ob sie möglicherweise biologischen Ursprungs sind. Bis zu einem eindeutigen Beleg für marsianisches Leben wird nach Ansicht von Fachleuten noch einige Zeit vergehen. Vermutlich müssen dazu geeignete Proben zur Erde geholt oder wesentlich empfindlichere Laborgeräte auf den Mars gebracht werden.
Ob der Rover überhaupt fliegt, steht auch noch nicht fest. Im Januar berichtete der Esa-Generaldirektor Johann-Dietrich Wörner, dass die Finanzierung durch die Esa-Mitgliedsländer bisher nicht ausreicht. Anfang Dezember werden sich die Raumfahrtverantwortlichen der Staaten treffen, um über die weiteren Missionen zu entscheiden. Wenn es den Wissenschaftlern und Ingenieuren gelingt, das Landemodul „Schiaparelli“ im Oktober heil nach unten zu bringen, verbessert das die Chancen deutlich, Unterstützung für den zweiten Teil der insgesamt 1,3 Milliarden Euro teuren Mission (nur der Esa-Anteil) zu bekommen. Sollte die Landung misslingen, sieht es schlecht aus.
Die Nasa stieg aus dem gemeinsamen Projekt aus - und macht allein weiter
Ursprünglich wollten die Europäer ihre Roboter mit der Nasa zum Mars bringen. Doch die amerikanische Raumfahrtbehörde stieg 2011 aus dem Exomars-Projekt aus – als neuer Partner wurde Russland gewonnen. Die Nasa arbeitet derweil an einem Nachfolger für „Curiosity“, der 2020 zum Mars gebracht werden soll. Auch die Nasa-geführte Mission „Insight“, die ebenfalls im März 2016 starten sollte und nach einem technischen Problem in einem französischen Instrument im Dezember vorübergehend gestoppt wurde, wird weiter verfolgt. Nun soll sie im Mai 2018 zu unserem Nachbarplaneten geschickt werden und dort unter anderem seismische Messungen vornehmen. Die Wissenschaftler wollen mit diesen Daten mehr über den inneren Aufbau des Himmelskörpers erfahren.