Software zeigt Raubbau in Amazonien: EU importiert zwei Millionen Tonnen Soja von illegal gerodeten Flächen
Wenige brasilianische Agrarunternehmen sind für Rodungen großer Flächen im Amazonas-Gebiet verantwortlich. Die Erzeugnisse werden auch nach Europa exportiert.
Am Mittwoch tagte der von der brasilianischen Regierung eingerichtete Amazonas-Rat im Außenministerium in Brasília. „Wir haben Pläne, die Operation, falls erforderlich, bis Ende 2022 aufrechtzuerhalten“, sagte Vize-Präsident Mourão. Mit dem Vorgehen des Militärs gegen illegale Abholzung reagiert die Regierung auf den Druck von internationalen Investoren und der heimischen Wirtschaft.
Die Landnahme im Amazonas-Gebiet Brasiliens und dem südlich daran anschließenden Savannengebiet Cerrado für Viehweiden und Soja-Felder ist ein Export-Geschäft: Mit 13,6 Millionen Tonnen stammen 41 Prozent der Soja-Importe der Europäischen Union aus Brasilien. Beim Rindfleisch stammen 25 bis 40 Prozent der europäischen Einfuhren aus Brasilien.
Mehr als ein Fünftel dieser Soja- und fast zwei Drittel dieser Rindfleisch-Importe kommen von Farmen, die illegal Wälder roden, berichten Raoni Rajão von der Bundesuniversität von Minas Gerais in Belo Horizonte und seine Kollegen jetzt in „Science“.
„Solange sie solche Importe dulden, tragen die Handelspartner Brasiliens ebenfalls Verantwortung für die Rodungen und fördern sie und die daraus resultierenden Emissionen von Treibhausgasen indirekt“, schreibt das Team. Dabei wäre Brasilien mit seinen Systemen von Agrar-Katastern, Monitoring-Programmen und über Transport-Genehmigungen für Viehtransporte in der Lage, bestehende Regeln durchzusetzen.
Für ihre Studie haben die Forschenden die offiziellen Unterlagen verwendet. Sie verglichen einen umfassenden Satz von Karten zur Landnutzung und zur Abholzung mit den Informationen über 815 000 Landbesitzer im bäuerlichen online-Umwelt-Kataster Brasiliens und den Transport-Genehmigungen, die ausgestellt werden, wenn Vieh den Besitzer wechselt oder zu einem Schlachthaus transportiert wird.
Auf diese Weise können illegale Rodungen einzelnen Landbesitzern zugeordnet werden. Rajãos Team hat dazu eine Software entwickelt, die zwischen rechtmäßigen und illegalen Abholzungen unterscheiden kann und die aufzeigt, wie gut jeder einzelne Landbesitzer die Vorschriften einhält.
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So schreiben die Forstgesetze Brasiliens vor, das auf Hügelkuppen und entlang von Flüssen Naturschutzgebiete eingerichtet werden müssen. Auch auf privatem Land muss ein Teil für den Naturschutz reserviert werden. Im Amazonas-Regenwald müssen die Reservate 80 Prozent der Fläche eines Privatbesitzers umfassen, in der Savannen-Landschaft Cerrado sind es zwanzig Prozent.
Die Computeranalyse zeigte, dass von 815 000 Landbesitzern etwa 36 000 im Amazonas-Gebiet und 27 000 im Cerrado illegal Wald gerodet hatten. Aber gerade einmal zwei Prozent aller Agrar-Unternehmer sind für 62 Prozent aller illegalen Rodungen im Amazonas-Regenwald und im Cerrado verantwortlich.
Neue Handelsverträge mit der EU
Allein zwischen 2009 und 2017 hat die EU daher jedes Jahr mit dem auf Rodungsflächen angebauten Soja die Emission von 58 Millionen Tonnen Kohlendioxid verantwortet, das zuvor im stehenden Wald gebunden war, rechnen Rajão und seine Kollegen aus. Das entspricht knapp acht Prozent der in Deutschland im Jahr 2018 ausgestoßenen Menge dieses Treibhausgases.
Da in den kommenden Jahren aufgrund neuer Handelsverträge die EU vermutlich weniger Soja als bisher aus den USA importieren wird und das mit erhöhten Einfuhren aus Südamerika und dort vor allem aus Brasilien kompensieren dürfte, sollten also vor allem die Europäer die Regierung in Brasilia drängen, das illegale Abholzen im Land zu unterbinden. (mit dpa)