Hochschulen und Digitalisierung: Es hakt beim E-Learning
Bis E-Learning selbstverständlich zum Uni-Alltag gehört, ist es noch ein weiter Weg: Für nur elf Prozent der Hochschulen hat die Digitalisierung einen sehr hohen Stellenwert.
Blackboard, Moodle oder Ilias – an solchen Learning-Management-Systemen (LMS) kommen Studierende nicht mehr vorbei, wenn sie sich für Kurse eintragen oder Skripte herunterladen wollen. Da setzt aber auch schon die Kritik ein: Mit E-Learning hat das häufig wenig zu tun. Von den Lehrenden werden die Systeme vorrangig für die Kursadministration und weniger zur Unterstützung von Lernprozessen eingesetzt, wie Klaus Wannenmacher vom HIS-Institut für Hochschulentwicklung kürzlich in einer Online-Veranstaltung des Leibniz-Instituts für Wissensmedien erklärte.
Neue Nutzungsmuster zeichnen sich aber durchaus ab, so werden zunehmend Online-Vorlesungen in die LMS integriert, die Hochschulen optimieren die Plattformen für die mobile Nutzung, die von Studierenden stark nachgefragt wird. Und sie öffnen sich für das „social learning“ etwa über Chats mit anderen Studierenden oder Tutoren.
Immerhin drei Viertel wollen die Lehre digital "anreichern"
Wie digitale Lehre generell organisiert wird, hat Wannenmacher jetzt im Auftrag des „Hochschulforums Digitalisierung“, einer Kooperation von Stifterverband, Centrum für Hochschulentwicklung, Hochschulrektorenkonferenz und Bundesbildungsministerium, untersucht (hier geht es zur Präsentation der Studie). Ein Ergebnis der Befragung, an der 200 aller 401 Hochschulen teilgenommen haben: Für nur elf Prozent hat das E-Learning einen sehr hohen Stellenwert. Auf einer Skala von 1 (überhaupt kein Stellenwert) bis 6 (sehr hoher Stellenwert) ordnen aber immerhin 62 Prozent die Digitalisierung zwischen 4 und 6 ein. Völlig unwichtig erscheint sie lediglich zwei Prozent.
Ähnlich durchwachsen sind die Werte für konkrete Schritte: Zwar wollen fast drei Viertel ihre Lehre künftig durch digitale Elemente „anreichern“, aber nur 36 Prozent verfolgen einen Blended-Learning-Ansatz. Dabei werden selbstständige E-Learning-Phasen außerhalb des Hörsaals mit Präsenzveranstaltungen an der Hochschule verbunden. Elektronische Prüfungen und andere „E-Assessments“ setzt ein Drittel gar nicht ein, die Übrigen erproben sie zumindest.
Den Hochschulen fehlt Personal und Geld, um voranzukommen
Politik und Wirtschaft appellieren immer wieder an die Hochschulen, die Digitalisierung voranzutreiben. Formuliert wird dies etwa im Status- und Forschungsbericht einer Expertengruppe, die im Rahmen des Nationalen IT-Gipfels 2015 Bildungsnetze an Hochschulen bewertet hat. Seit Ende der 90er Jahre würden Technologien der ersten E-Learning-Generation „nahezu unverändert eingesetzt“, hieß es darin. Den Hochschulen fehle „ein integriertes Informations-, Wissens- und Learning-Management mit Strategien und Governance zur umfassenden Digitalisierung von Forschung, Studium, Lehre, Weiterbildung und Verwaltung“.
Doch die Begeisterung der Hochschulen, bei der Digitalisierung durchzustarten, hält sich in Grenzen. Die Mehrheit ist eher digitalisierungsskeptisch – auch angesichts des hohen Betreuungsaufwandes, den es braucht, damit Studierende beim elektronischen Lernen nicht abspringen. Nach der aktuellen Umfrage sehen nur 42 Prozent der Unis und Fachhochschulen die digitale Lehre als ein Instrument, ihr Studienangebot zu verbessern. Für 15 Prozent ist der Ausbau des E-Learnings kein strategisches Ziel. Als größte Hindernisse nennen die im März und April dieses Jahres befragten Hochschulleitungen und Digitalisierungsfachleute fehlende Personalressourcen und Geldmangel. Einen Ausweg sehen sie darin, sich mit anderen Hochschulen zu vernetzen, etwa um E-Learning-Inhalte auszutauschen. 70 Prozent kooperieren bereits mit mindestens einer anderen Uni oder FH. Jeweils ein Drittel sieht auch didaktische Defizite und Schwierigkeiten beim Urheberrecht und beim Datenschutz.
Einzelinitiativen drohen zu verpuffen
Die zum IT-Gipfel 2015 befragten Experten hatten Kooperationen im größeren Maßstab empfohlen. Bund und Länder müssten „intelligente Bildungsnetze“ gemeinsam finanzieren, nationale und auch grenzüberschreitende Hochschulnetzwerke aufbauen – und bundesweit mehrere Kompetenzzentren schaffen. Michael Jäckel, Präsident der Uni Trier und leitendes Mitglied des Hochschulforums Digitalisierung, sieht erst einmal Hochschulleitungen und Ministerien in der Pflicht: Es fehle an „Signalen für eine nachhaltige digitale ,Anreicherung‘ der Lehre“. „Die vielen Initiativen dürfen nicht als temporäre Impulse im Hochschulalltag verpuffen.“