Forscherin zu neuem Klimabericht: „Es geht darum, jedes Zehntel Grad Erwärmung zu vermeiden“
Veronika Eyring hat den Weltklimabericht mitverfasst. Hier erklärt die Physikerin, unter welchen Bedingungen eine Begrenzung der Erderwärmung möglich wäre.
Veronika Eyring ist Klimawissenschaftlerin und hat am neuen Teilbericht des Weltklimarats mitgeschrieben. Die Physikerin und Professorin erforscht das Erdsystem an der Universität Bremen und am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt.
Frau Eyring, wie beeinflusst der Mensch das Klima?
Seit Jahrzehnten wissen wir, dass menschliche Aktivitäten CO2 und andere Treibhausgase verursachen – und sich das Klima der Erde deshalb verändert. Inzwischen sind wir bei einer globalen Erderwärmung um 1,1 Grad im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten. Jedes der vergangenen vier Jahrzehnte war wärmer als das vorangegangene seit 1850.
Es ist eindeutig, dass Aktivitäten des Menschen den Klimawandel verursachen. Die jüngsten Klimaveränderungen sind weitverbreitet, schnell, verstärken sich und sind beispiellos, was die vergangenen Jahrtausende angeht.
Welche Folgen hat diese globale Erwärmung?
Je stärker die globale Erwärmung ist, desto häufiger und heftiger werden Wetter- und Klimaextreme. Dazu zählen Hitzewellen, Starkregen und Dürren in bestimmten Weltregionen. Deshalb geht es darum, jedes Zehntel Grad Erwärmung zu vermeiden – und nicht bei einer bloßen Unterscheidung zwischen 1,5 Grad und 2 Grad Erwärmung zu bleiben.
Was sind die Neuerungen im Vergleich zum Klimareport vor acht Jahren?
Mittlerweile hat die Wissenschaft mehr Erkenntnisse zur sogenannten Klimasensitivität. Die besagt, wie stark sich die global gemittelte Oberflächentemperatur erhöht, wenn sich die atmosphärische CO2-Konzentration verdoppelt.
Seit 1979 und auch noch im letzten Klimabericht vor acht Jahren gab es hier noch große Unsicherheiten. Der neue Bericht konnte diese nun deutlich einschränken. Das Klima könnte sich um 3 Grad erwärmen – mit einer Spanne von 2,5 bis 4 Grad – wenn die atmosphärische CO2-Konzentration doppelt so hoch wäre. Doch es gibt auch weitere Neuerungen.
Welche sind das?
Mit verbesserten Klimamodellen, einem verbesserten Verständnis des Klimasystems und neuen Methoden können wir robustere Vorhersagen zur Erwärmung im 21. Jahrhundert unter bestimmten Emissionsszenarien liefern. Neben diesen verbesserten Vorhersagen haben wir stärkere Belege, dass extreme Klimaereignisse wie Hitzewellen, Starkregen und Dürren auf den menschlichen Ausstoß von Treibhausgasemissionen in die Atmosphäre zurückzuführen sind.
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Ist es möglich, die globale Erwärmung auf unter 2 Grad zu begrenzen – so wie es das Pariser Klimaabkommen vorsieht?
Der Bericht betrachtet hier fünf illustrative Emissionsszenarien. Es gibt zwei Szenarien mit niedrigen Treibhausgasemissionen, die annehmen, dass die Emissionen bis ungefähr 2050 beziehungsweise 2070 Netto-Null erreichen. Daneben gibt es ein mittleres Szenario, in dem die CO2-Emissionen ungefähr bis Mitte des Jahrhunderts gleichbleiben und dann sinken, und zwei Szenarien mit hohen Emissionen, wo sich die CO2-Emissionen bis 2100 beziehungsweise 2050 verdoppeln.
In allen fünf Szenarien des Berichts wird die globale Erwärmung in den nächsten 20 Jahren 1,5 Grad mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 Prozent überschreiten. Im niedrigsten Szenario erwärmt sich das Klima um 1,4 Grad, im höchsten Szenario um weit über 4 Grad am Ende des Jahrhunderts. Viele Veränderungen im Klimasystem werden in unmittelbarem Zusammenhang mit der zunehmenden globalen Erwärmung größer. Es geht nun darum, die Treibhausgasemissionen sofort, schnell und drastisch zu reduzieren. Ansonsten wird die Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitraum unerreichbar sein.
Wie blicken Sie persönlich auf den Zustand des Klimas?
Der Weltklimarat hat den Realitätscheck geliefert, was die globale Erwärmung und den Klimawandel angeht. Das Klima erwärmt sich so schnell wie seit Tausenden von Jahren nicht mehr – die Änderungen sind beispiellos. Ich persönlich wünsche mir, dass der Bericht, der die physikalischen Grundlagen des Klimawandels und die Dringlichkeit des Handelns erneut klar dargelegt hat, nun zu den entsprechenden sofortigen und nachhaltigen Maßnahmen führt.