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Ein Hausarzt untersucht einen Patienten mit einem Stethoskop.
© Maurizio Gambarini/dpa

Sozialer Placeboeffekt: Erwartungen des Arztes beeinflussen Schmerzempfinden von Patienten

Glaubt ein Mediziner, dass ein Medikament wirkt? Patienten können das einer Studie zufolge an seiner Mimik ablesen – mit verblüffenden Folgen.

Der Glaube kann Berge versetzen – auch bei Therapien, wie eine aktuelle Studie bestätigt. Patienten haben demnach weniger Schmerzen, wenn ihre Ärzte selbst an die Wirksamkeit der Behandlung glauben. Deren Überzeugung spiegele sich im Gesichtsausdruck wieder, berichten Wissenschaftler im Fachmagazin "Nature Human Behaviour". Die Ergebnisse könnten hilfreich für eine bessere Arzt-Patienten-Kommunikation sein, hoffen die Forscher.

Das Team um den Mediziner Luke Chang vom Dartmouth College in den USA hatte eine Testreihe mit 194 Freiwilligen durchgeführt. In drei Versuchsreihen wurde den Teilnehmenden eine Rolle als "Arzt" oder "Patient" zugewiesen.

Die "Ärzte" wurden informiert, dass es in dem Experiment um die Wirkung einer Schmerzsalbe gehe, die auch gleich demonstriert wurde: Elektroden wurden an den Unterarmen der falschen Mediziner platziert, auf 47 Grad erhitzt und lösten so einen Schmerzreiz aus. Anschließend trugen die Versuchsleiter eine Creme namens "Thermedol" auf, von der gesagt wurde, dass sie stark schmerzlindernd wirke. In Wahrheit wurde lediglich die Temperatur der Elektroden heruntergeregelt, die Creme selbst war ein Placebo, ein wirkungsloses Scheinmedikament.

Ärzte, die selbst glaubten, waren überzeugender

Im nächsten Schritt sollten die falschen Ärzte "Thermedol" und eine Kontrollcreme in einem ähnlichen Setting an Patienten testen. Beide Cremes waren Placebos – dennoch empfanden die Patienten bei gleichem Schmerzreiz "Thermedol" als hilfreicher. Dies zeigte sich nicht nur in ihren Aussagen, sondern auch in der Analyse ihres Gesichtsausdrucks sowie ihrer Hautreaktion. Zudem bewerteten sie die "Ärzte" als einfühlsamer, wenn diese "Thermedol" auftrugen.

Glaubten die falschen Mediziner also selbst an die Wirksamkeit der schmerzlindernden Creme, empfanden ihre Patienten wirklich weniger Schmerzen. Kameras auf den Köpfen der Patienten gaben Hinweise auf die Ursache des Effekts: Die Aufnahmen ließen kleinste Veränderungen im Gesichtsausdruck der behandelnden "Ärzte" erkennen. Sie zeigten mehr Schmerz, wenn die sogenannte Kontrollcreme aufgetragen wurde als bei der vermeintlich effektiven "Thermedol"-Creme.

Ärzte sendeten womöglich nonverbale Informationen, die ihre Überzeugung ausdrückten, welche Behandlung sie für sinnvoll erachten, erläutern die Forscher. Möglicherweise behandle ein Arzt den Patienten auch aufmerksamer und einfühlsamer, wenn er von einer wirksamen Therapie ausgehe.

Patienten nehmen Veränderungen wahr

In einem unabhängigen Kommentar nennt der klinische Psychologe Harald Walach, Professor an der polnischen Medizinischen Universität Poznan und Gastprofessor an der Universität Witten-Herdecke, die Studie elegant und stark. Insbesondere der Einsatz der Kopfkameras sei aufschlussreich: Er zeige, dass oft vermutete, bislang aber nicht belegte subtile Veränderungen der Mimik von Patienten wahrgenommen würden.

"Ob dies nur das Selbstvertrauen der Patienten stärkt, Informationen darüber vermittelt, was sie zu erwarten haben, die Ärzte einfühlsamer gegenüber der vermeintlich realen Behandlung macht oder eine andere Auswirkung hat, wissen wir nicht", führt Walach aus. "Aber wir wissen jetzt, dass subtile Hinweise von Ärzten übermittelt und von Patienten gelesen werden."

Gibt es den Effekt auch im klinischen Alltag?

Bei allen Stärken der Studie handele es sich aber um ein experimentelles Setting, so Walach. "Es wäre interessant, jetzt das klinische Feld zu untersuchen: Wie kommunizieren effektive Ärzte, vielleicht im Vergleich zu weniger effektiven?" Auch wäre zu untersuchen, ob wirklich nur der Gesichtsausdruck der Ärzte entscheidend sei oder doch die Kombination mit verbalen Informationen.

Die Studienautoren vermuten, dass die beobachteten Effekte im Klinikalltag noch stärker sein könnten: "In einem realen klinischen Kontext können kontextabhängigere Hinweise wie verbale Vorschläge und Umweltsignale sowie die früheren Erfahrungen von Ärzten und Patienten den Übertragungseffekt verstärken."

Insgesamt sei es jedenfalls sinnvoll, nicht nur in die Entwicklung neuer Therapien Ressourcen zu stecken, sondern auch in Untersuchungen der Mechanismen, "die einer der ältesten und wirksamsten medizinischen Behandlungen zugrunde liegen: den Heilern selbst." (dpa)

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