Artenschwund: Erwärmung bedroht Bergvögel
Viele Tierarten trotzen dem Klimawandel, indem sie in größere Höhen ziehen. Doch diese Option ist begrenzt, wie jetzt eine Studie in Peru nachweist.
Der Klimawandel scheint Tiere, die in Gipfelregionen von Bergen leben, besonders zu gefährden. Das berichten Forscher in einer Studie, für die Vogelpopulationen in Peru untersucht wurden. Binnen etwa 30 Jahren verschwanden demnach am tropischen Bergkamm Pantiacolla mehrere Vogelarten. Bei anderen schrumpfte die Populationsgröße, wie die Forscher um Michael Blake von der kanadischen University of British Columbia im Fachmagazin PNAS schreiben.
Folge dem Klima ...
Wenn es auf der Erde wärmer wird, sind viele Bergbewohner gezwungen, ihren Lebensraum nach oben zu verlegen. Dieses Phänomen ist aus unterschiedlichsten Regionen bekannt - auch aus den Alpen, wo etwa Murmeltiere in immer höhere Lagen ziehen. Doch Arten, die bereits in Gipfelnähe leben, haben diese Möglichkeit nicht mehr. Sie seien durch den Klimawandel vom Aussterben bedroht, befürchten viele Wissenschaftler. Belege dafür gab es bislang allerdings kaum.
Das Team um den Evolutionsökologen Benjamin Freeman untersuchte nun die Vogelwelt auf einem Berg im südöstlichen Peru, der hauptsächlich von immergrünen Wäldern bewachsen ist. Die Region war 1985 schon einmal analysiert worden – damals mit Blick auf die Höhengrenzen verschiedener Vogelarten zwischen dem Talboden in 470 Metern Höhe bis zum 1415 Meter hohen Gipfel.
... bis es nicht mehr geht
32 Jahre später wiederholten Biologen die Untersuchung zur gleichen Jahreszeit und mit den gleichen Methoden. Aufgrund der Abgeschiedenheit des Bergkamms ist der direkte menschliche Einfluss gering. Allerdings stieg die Durchschnittstemperatur in den vergangenen drei Jahrzehnten um etwa 0,43 Grad Celsius.
Die Wissenschaftler berichten, dass die meisten der 1985 beobachteten Vogelarten tatsächlich in höhere Gefilde gezogen waren. Wegen der Pyramidenform des Höhenzugs schrumpfte damit automatisch ihr Lebensraum - und auch ihre Menge. Ein Beispiel ist der Goldscheitel-Waldsänger (Myiothlypis coronata): 1985 war der kleine Vogel mit dem roten Kamm den Wissenschaftlern noch am häufigsten in die Forschungsnetze geflogen. 32 Jahre später gab es ihn zwar noch, allerdings hatte er seinen Lebensraum um 80 Meter nach oben auf etwa 1380 Meter Höhe verlegt. Gleichzeitig war seine Population um 72 Prozent geschrumpft.
Acht der 16 Spezies, die besonders an das Leben um die Bergspitze angepasst waren, wurden in der neuen Untersuchung nicht mehr gefunden. Sie sind an dem Bergzug vermutlich ausgestorben. «Vögel, die auf den Höhen des Cerro de Pantiacolla leben, befinden sich tatsächlich auf einer Rolltreppe Richtung Aussterben», schreibt das Team. Dies werde langfristig auch jene Spezies betreffen, die derzeit von den mittleren Höhen weiter nach oben zögen.
Klimaprofiteure
Allerdings gebe es auch Vögel, die von der Erwärmung profitierten. So würden Tiere, die vorher im Tal lebten, mittlerweile auch in höheren Lagen vorkommen und hätten zudem ihren ursprünglichen Lebensraum beibehalten. Insgesamt habe sich ihr Verbreitungsgebiet also vergrößert. «Diese Ergebnisse legen nahe, dass Vogelarten des Amazonas-Tieflands Temperaturanstiege verkraften können, zumindest, wenn es intakte Primärwälder gibt», schreiben die Autoren.
Insgesamt, so das Fazit, seien die Auswirkungen des Klimawandels für tropische Vögel, die in größerer Höhe lebten, gravierender als für Bewohner anderer Klimazonen. Das liege unter Umständen daran, dass es in den Tropen kaum jahreszeitliche Unterschiede gebe und die Tiere entsprechend stärker angepasst an ein bestimmtes Klima seien.
Die Forscher mahnen dringend Schutzzonen in tropischen Wäldern an: «In der Zeit des Klimawandels wissen wir nun, dass geschützte Höhenkorridore essenziell sind, um die Aufwärtsbewegung von Populationen zu erleichtern und das Aussterben über einen viel längeren Zeitraum zu vermeiden.» (Alice Lanzke, dpa)