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Die Europäische Union hat sich für den Fall einer Zulassung 200 Millionen Impfdosen vorab gesichert.
© Reuters/Dado Ruvic/Illustration

Schützt mithilfe von Proteinen: EMA empfiehlt Zulassung des Novavax-Impfstoffs

Die EU-Arzneimittelbehörde macht den Weg frei für den Corona-Impfstoff aus den USA. 2022 könnte die Zulassung erfolgen. Das sind die Vor- und Nachteile.

Mit Nuvaxovid steht nun ein Impfstoff gegen Sars-Cov-2 vor der Zulassung, der sich von den bisher gegen Corona verwendeten Impfstofftechnologien - mRNA- und Vektor-Verfahren - unterscheidet. Eine Kommission der EU-Arzneimittelbehörde EMA hat am Montag den Antrag des Herstellers Novavax behandelt und grünes Licht gegeben.

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Manche ungeimpfte Menschen warten auf eine solche Alternative zu den bislang verfügbaren Corona-Vakzinen. Nuvaxovid schützt nicht per RNA, sondern mithilfe von Proteinen vor Covid-19. In ein solches eher klassisches Verfahren setzen einige Impfskeptiker größeres Vertrauen, da sie die neue mRNA-Technologie ablehnen. Sie wollen daher abwarten, bis auf anderen Verfahren beruhende Impfstoffe angeboten werden.

Keine gute Idee, sagt der Immunologe Carsten Watzl. Denn Novavax komme erst nächstes Jahr auf den Markt. „Wer auf diese Impfstoffe wartet, ist noch längere Zeit ungeschützt. Daher: Lieber jetzt impfen als warten.“ Grundsätzlich spreche aber nichts gegen den Novavax-Impfstoff: „Wenn sich jemand nur mit einem solchen Impfstoff impfen lassen will, dann ist das immer noch besser als komplett ungeimpft zu sein“, sagt Watzl.

Vom Abwarten hält selbst der Chef des französischen Herstellers Valneva, dessen Impfstoff mit abgetötete Coronaviren gegenwärtig ebenfalls von der EMA begutachtet wird, wenig. „Ich rate niemandem, auf unseren Impfstoff zu warten“, sagte Thomas Lingelbach, Geschäftsführer des französischen Biotechnologieunternehmens, dem „Spiegel“. Das wäre angesichts des fehlenden Schutzes für die Allgemeinheit ethisch inakzeptabel. Er habe sich selbst kürzlich mit dem mRNA-Produkt von Biontech boostern lassen.

Hohe Wirksamkeit durch Studie belegt

Wirksam dürfte der neue Novavax-Impfstoff auf jeden Fall sein. Eine Studie an 15.000 Probanden, veröffentlicht im „New England Journal of Medicine“, hatte schon im September ergeben, dass das Vakzin die Wahrscheinlichkeit einer Covid-19-Infektion um 89,7 Prozent reduziert: Zehn Geimpfte infizierten sich, in der Kontrollgruppe der Ungeimpften waren es 96. Keiner der zehn Geimpften musste ins Krankenhaus, der Schutz vor Hospitalisierung und Covid-19-assoziiertem Tod war hundertprozentig. Die Europäische Union hat sich für den Fall einer Zulassung 200 Millionen Impfdosen vorab gesichert.

Allerdings beziehen sich die Ergebnisse hauptsächlich auf die Alpha-Variante, die in Deutschland so gut wie vollständig von Delta verdrängt wurde und bald durch die neue Variante Omikron abgelöst werden dürfte. „Auch dieser Impfstoff wird an Omikron angepasst werden müssen“, schrieb Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, kürzlich mit Blick auf das Novavax-Mittel auf Twitter.

Schutz durch virusähnliche Partikel erzeugt

Der Impfstoff Nuvaxovid besteht aus virusähnlichen Partikeln, die das Spike-Protein des Coronavirus enthalten. Die Proteine werden vom Körper als fremd erkannt und das Immunsystem wird hochgefahren: spezifische Antikörper und T-Zellen werden gebildet, womit man vor einer echten Infektion besser gewappnet ist.

Für den Novavax-Impfstoff wird die Geninformation –  der Bauplan für die Spike-Proteine gegen die das Immunsystem dann Antikörper produziert – in Insektenzellen eingebracht, die dann massenhaft vermehrt werden und Virusprotein produzieren. Bei mRNA-Impfstoffen werden Körperzellen mit Hilfe von Erbgutschnipseln angeregt, selbst das Spike-Protein herzustellen, um eine Immunantwort auszulösen.

Lesen Sie auf Tagesspiegel Plus:

Skeptiker der neuen mRNA-Technologie führen ins Feld, dass dieses Verfahren bisher unbekannte Langzeitschäden verursachen könnte. Fußball-Nationalspieler Joshua Kimmich (FC Bayern) hatte sein Zögern zunächst mit „Bedenken wegen fehlender Langzeitstudien“ erklärt.

Nach einer längeren öffentlichen Debatte und einer Corona-Infektion kündigte Kimmich nun an, sich doch impfen zu lassen. Fachleute hatten wiederholt darauf hingewiesen, dass bei den zugelassenen Impfstoffen unbekannte Langzeitfolgen nahezu ausgeschlossen sind.

Fußball-Nationalspieler Joshua Kimmich (FC Bayern) hatte „Bedenken wegen fehlender Langzeitstudien“ der gegenwärtig genutzten Corona-Impfstoffe. Nun will er sich aber impfen lassen. 
Fußball-Nationalspieler Joshua Kimmich (FC Bayern) hatte „Bedenken wegen fehlender Langzeitstudien“ der gegenwärtig genutzten Corona-Impfstoffe. Nun will er sich aber impfen lassen. 
© Sven Hoppe/dpa

Auch die Sorge von Skeptikern, dass das mRNA-Verfahren aufgrund der Gentechnik riskant sei, scheint sich durch die  Novavax-Alternative kaum auflösen lassen.  Denn auch für die Herstellung dieses Impfstoffs braucht es Gentechnik. Hinzu kommt, dass solche Protein-Impfstoffe auch Impfverstärker benötigen, die bei mRNA-Vakzinen gebraucht werden. 

Protein-Impfstoffe brauchen Zusatzstoffe

Weil das Immunsystem bei Protein-Impfstoffen nur schwach reagiert und wenig Schutz aufbaut muss Novavax einen Reizstoff hinzufügen. In diesem Fall Saponin, ein auch in anderen Impfstoffen verwendetes Seifenbaumextrakt. Wie es das Immunsystem reizt, ist unbekannt. 

Trotz des Reizstoffs aktiviert Nuvaxovid die „zelluläre“ Immunantwort, den zweiten Arm der Körperabwehr nicht so gut wie mRNA-Impfstoffe. Das könnte langfristig ein Nachteil etwa gegen Virusvarianten wie Delta oder nun auch Omikron sein.

Dass das Verfahren selbst noch nichts über die Sicherheit des Impfstoffes aussagt, betont auch Stiko-Mitglied Christian Bogdan. „Man kann nicht, weil hier ein klassisches Impfstoffkonzept benutzt wurde, a priori annehmen, dass dieser Impfstoff wirksamer oder sicherer wäre“, sagte er mit Blick auf den Valneva-Impfstoff.

Bei der Valneva-Studie hätten nur etwa 2000 Menschen den Impfstoff verabreicht bekommen. Die mRNA-Impfstoffe seien dagegen bereits milliardenfach verimpft worden, argumentiert Bogdan. Daher geben es zu diesen Impfstoffen mehr Erkenntnisse zu seltenen und sehr seltenen Nebenwirkungen.

Im nächsten Jahr könnten weitere Alternativen zu den bislang vier zugelassenen Impfstoffen folgen. Womit immerhin auch die Hoffnung verbunden, dass sich manche Skeptiker dann doch noch impfen lassen. 

Mehrere Produkte sind im sogenannten Rolling-Review-Verfahren der EMA schon in der Begutachtung, obwohl noch nicht alle Teile des Zulassungsantrags vorliegen. Darunter auch die Impfstoffe der Hersteller Sinovac und Valneva. (mit dpa)

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