zum Hauptinhalt
Das Polar 6 Forschungsflugzeug des Alfred-Wegener-Instituts fliegt während der IceBird-Eisdickenvermessung über dem Arktischen Ozean.
© E. Horvath/Alfred-Wegener-Institut/dpa

Polarforschung: Eisnachschub in der Arktis gerät ins Stocken

Nur noch 20 Prozent des vor Russland gebildeten Meereises erreichen die Arktis. Der Großteil aber schmilzt vorzeitig – das hat Folgen.

Immer mehr vor Russland gebildetes Eis schmilzt auf seinem Weg in die zentrale Arktis. Das habe Auswirkungen auf das Ökosystem, schreiben deutsche Forscher vom Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut (Awi) für Polar- und Meeresforschung im Fachmagazin "Scientific Reports". Denn wenn das Eis aus Gründen des Klimawandels frühzeitig schmelze, werden eingeschlossene Nährstoffe nicht im Nordpolarmeer verteilt. Langfristig sei zu erwarten, dass sich dadurch die Arktis nicht nur physikalisch, sondern auch biologisch und chemisch verändere, sagte Awi-Forscherin Eva-Maria Nöthig: "Das Ausmaß kennen wir noch nicht."

Die Schwebstoffe sinken tu früh in die Tiefe

In den sogenannten russischen Randmeeren des Arktischen Ozeans entsteht dem Awi zufolge im Winter fortwährend Meereis, auch weil dort die Lufttemperaturen extrem niedrig sind – bis zu minus 40 Grad. Ein starker, ablandiger Wind schiebt dann das im Flachwasser gebildete junge Eis auf das Meer hinaus. Ein Teil dieses Eises wandert durch die Transpolardrift wie auf einem Förderband innerhalb von zwei bis drei Jahren einmal quer durch die zentrale Arktis bis in die Framstraße. In diesem Seegebiet zwischen Grönland und Spitzbergen schmilzt es schließlich. Vor rund 20 Jahren erreichte noch etwa die Hälfte des in den Randmeeren gebildeten Eises die zentrale Arktis. Mittlerweile seien es nur noch 20 Prozent, schreiben die Forscher. Der Großteil schmelze vorzeitig.

Das Satellitenbild, aufgenommen von einem ESA Satelliten am 26. März 2019, zeigt den Prozess der Neueisbildung entlang der russischen Küste (Laptew See). Dabei werden Algen, Schweb- und Nährstoffe an die Oberfläche gemischt und in das Eis mit eingebaut. Die flachen russischen Schelf- oder Randmeere des Arktischen Ozeans gelten als Kinderstube des Meereises. Starke, ablandige Winde drücken das Packeis im Winter von der Küste weg und extrem niedrige Temperaturen führen zu neuer Eisbildung.
Das Satellitenbild, aufgenommen von einem ESA Satelliten am 26. März 2019, zeigt den Prozess der Neueisbildung entlang der russischen Küste (Laptew See). Dabei werden Algen, Schweb- und Nährstoffe an die Oberfläche gemischt und in das Eis mit eingebaut. Die flachen russischen Schelf- oder Randmeere des Arktischen Ozeans gelten als Kinderstube des Meereises. Starke, ablandige Winde drücken das Packeis im Winter von der Küste weg und extrem niedrige Temperaturen führen zu neuer Eisbildung.
© ESA/DriftNoise/AWI/dpa

Da immer weniger in den flachen Küstenzonen erzeugtes Meereis bis zur Framstraße gelangt, kommen dort auch immer weniger Schwebstoffe und Mineralien an, die beim Gefrieren des Wassers im Meereis eingeschlossen werden. Das zeigen Analysen, die Awi-Biologen seit zwei Jahrzehnten in der Framstraße durchführen. Mit dem vorzeitigen Schmelzen des Meereises sinken die Partikel früher ab. In den vom Awi aufgestellten Sedimentfallen in der Framstraße finde man immer weniger sibirische Mineralien, sagte Nöthig.

Sommer in der Arktis bald ohne Meereis?

Die Forscher verfolgten die Wanderung des Meereises mithilfe von Satellitendaten aus den Jahren 1998 bis 2017. "Jenes Eis, welches heutzutage die Framstraße erreicht, wird zum größten Teil nicht mehr in den Randmeeren gebildet, sondern stammt aus der zentralen Arktis", sagte Thomas Krumpen, ebenfalls Awi-Forscher. "Wir werden derzeit Zeuge, wie ein wichtiger Transportstrom abreißt und die Welt einem meereisfreien Sommer in der Arktis einen großen Schritt näherkommt."

Bestätigt wird das Ergebnis der Studie durch Messungen der Meereisdicke in der Framstraße. "Eis, das heutzutage die Arktis durch die Framstraße verlässt, ist rund 30 Prozent dünner als noch vor 15 Jahren", betonte Krumpen. Gründe dafür seien die steigenden Temperaturen im Winter und eine früher beginnende Schmelzsaison im Sommer. (dpa)

Zur Startseite