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Eine junge Frau schreibt in einem Klassenraum etwas an die Tafel, junge Männer sitzen an Tischen und schreiben in ihre Hefte.
© picture alliance / dpa

Schule und Ausbildung für Asylbewerber: Eine Chance für junge Flüchtlinge

Das könnte Schule machen: In Bayern bereiten sich Asylbewerber in Berufsschulklassen auf eine spätere Ausbildung oder auf einen ersten Job vor – und auf den Alltag in Deutschland.

Mahdi (Name geändert) ist kein gewöhnlicher Berufsschüler. Der junge Afghane lernt nicht nur eine neue Sprache in einer ihm völlig fremden Kultur. Er muss auch traumatisierende Erinnerungen aus seiner Heimat Afghanistan verarbeiten. Umso größer ist seine Motivation: Mahdi möchte einen Beruf erlernen und sein eigenes Geld verdienen, wie andere Jugendliche auch. Und später vielleicht einmal studieren. Ein Projekt der Universität und des Beruflichen Fortbildungszentrums (BFZ) im bayerischen Eichstätt helfen ihm dabei, seinem Traum näherzukommen.

Bei seiner Ankunft in Deutschland sprach der 17-Jährige kein Wort Deutsch, heute kann er sich nach einem sechsmonatigen Crash-Kurs an der Universität schon ganz gut mit seinem Lehrer und seinen Mitschülern verständigen. „Einer hilft dem anderen“, sagt Holger Bauer, der an der Eichstätter Berufsschule die Klasse für Flüchtlinge betreut. Seine 20 Schüler haben im September ein spezielles zweijähriges Schulmodell begonnen. Sie werden nicht nur in der deutschen Sprache unterrichtet, sondern auch für den Umgang mit Behörden, für Bewerbungen bei Arbeitgebern oder die Vorbereitung auf eine Lehre geschult.

Interkulturelle Kommunikation auf dem Stundenplan

Die Anfänge waren nicht leicht. Die jungen Frauen und Männer kommen aus Sierra Leone, Nigeria oder Uganda, es gab Fehden untereinander. „Wir mussten ihnen klarmachen, dass hier die Wissensvermittlung im Vordergrund steht“, sagt Bauer. „Nach und nach haben sich alle darauf eingestellt.“ Ein soziales Umfeld für teilweise schwer traumatisierte Jugendliche zu schaffen, können die Lehrkräfte nicht allein bewältigen. Neben dem intensiven Deutschunterricht, mit dem das Berufsschulprogramm beginnt, kümmert sich eine Sozialpädagogin um die Gruppe. Sie hat einen Kurs in interkultureller Kommunikation organisiert, in dem die Schüler lernen, trotz ethnischer oder religiöser Gegensätze aufeinander zuzugehen. Das gegenseitige Verständnis sei eine Grundvoraussetzung für den Lernerfolg, sagt Klemens Schreiner, Lehrer einer weiteren Klasse, die bereits seit März 2013 unterrichtet wird. Außerhalb der Schule werden die Jugendlichen zudem medizinisch betreut.

"Wir simulieren Situationen in Behörden oder einen zu lesen"

Das Modell, mit dem die Schüler im ersten Jahr Deutsch lernen und im zweiten Jahr auf einen Beruf vorbereitet werden, wurde vor zwei Jahren in Nürnberg entwickelt. Mittlerweile besuchen etwa 1700 Jugendliche an 32 Standorten in Bayern solche Klassen. „Wir möchten, dass die jungen Menschen in Bayern sprachlich und von den Bildungsvoraussetzungen her Fuß fassen können“, erklärt Bildungsminister Ludwig Spaenle (CSU). Eine Idee, die offenbar ankommt. Denn viele Jugendliche begriffen diesen Unterricht als Chance, die Nachfrage sei groß, sagt der Eichstätter Schulleiter Alfons Frey. Nicht alle Interessenten könnten aufgenommen werden.

Außer in Deutsch werden die 16- bis 25-jährigen Schülerinnen und Schüler auch in Mathematik, Geografie, Heimat- und Sozialkunde, Religion, Ethik und Sport unterrichtet. Und es gibt zusätzliche Angebote, die in keinem Lehrplan der Regelschulen erscheinen. „Wir simulieren Situationen bei Behörden, wir üben, einen Zugfahrplan zu lesen, oder gehen in die Stadt und lassen sie nach dem Weg fragen“, sagt Klassenlehrer Schreiner. Dabei falle eine „bunte Gruppe“ aus 16 Schülern in der Kleinstadt Eichstätt schon auf. „Wir haben mit den Anwohnern aber nur positive Erfahrungen gemacht.“

Sport gehört zum Projekt - für Frauen und Männer gleichermaßen

An der Schule musste Schulleiter Frey zunächst Überzeugungsarbeit im Lehrerkollegium leisten, heute ist die Schule stolz darauf, die anspruchsvolle Aufgabe angenommen zu haben. Einige der Schüler hätten zuvor noch nie eine Schule von innen gesehen und müssten alphabetisiert werden, viele täten sich schwer, auch nur ein A4-Blatt zu falten. „Heute weiß ich, warum in Kindergärten so viel gebastelt wird“, sagt Frey. Es gebe auch Konflikte mit jungen Ehemännern, die ihre Frau etwa nicht am Sportunterricht teilnehmen lassen wollten. Doch der Sport gehört zu dem Modellprojekt, hier üben sich die Schüler im gemeinschaftlichen Handeln. Und in Diskussionskultur, wenn sie mit dem Schulleiter eine Lösung aushandeln.

Noch besser Deutsch lernen, um auch Fachbegriffe zu verstehen

Beeindruckt ist Frey vom Ehrgeiz der Schülerinnen und Schüler. „Alle haben das Ziel, möglichst schnell eine Arbeit zu finden.“ Mit den 15 Stunden Deutschunterricht in der Woche lernen sie zwar intensiv die Sprache, für eine schulische Berufsausbildung aber reicht das in der Regel noch nicht.

Durch Hospitationen im Fachbereich Bau lernen die Schüler, dass sie sich in Deutsch noch mehr anstrengen müssen, um auch die Fachbegriffe im Handwerk zu verstehen. „Wir vermitteln jedem, dass er es schaffen kann“, sagt Bauer. Einige aus der Gruppe konnten schon in kleine Jobs vermittelt werden, etwa als Aushilfen in Betrieben oder als Würstlbrater.

Gudrun Weitzenbürger

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