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„... es kommt aber darauf an, sie zu verändern.“ Sabine Kunst im Hauptgebäude der Humboldt-Universität vor der berühmten elften Feuerbachthese von Karl Marx.
© Michael Kappeler/dpa/p-a

Sabine Kunst wird HU-Präsidentin: Eine Agenda für die Humboldt-Uni

Am Mittwoch tritt Sabine Kunst als Präsidentin der Humboldt-Universität in Berlin an. Uni-Mitglieder sagen, was sie jetzt anpacken muss.

Am Mittwoch wird Sabine Kunst feierlich in ihr Amt als Präsidentin der Humboldt-Universität (HU) eingeführt, im Beisein von Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres und dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller. Vermutlich wird der Festakt viele Uni-Angehörige in Aufbruchsstimmung versetzen. Es dürfte die Hoffnung wachsen, dass es mit den Querelen um die Uni-Leitung nun ein Ende hat und Kunst anfangen kann, die HU voranzubringen. Was sehen Uni-Mitglieder vorne auf Kunsts Agenda?

VERTRAUEN SCHAFFEN

„Kunst ist neu, also muss sie Vertrauen aufbauen“, sagt die HU-Politologin Julia von Blumenthal, Dekanin der Kultur-, Sozial- und Bildungswissenschaftlichen Fakultät: „Das gelingt am besten, indem sie sachorientiert arbeitet und transparente Entscheidungen trifft.“ Muss Kunst wegen des Streits um die Vizewahlen gegen eine besondere Missstimmung ankämpfen? Eher nicht. „Lassen wir sie doch erst mal ankommen“, erklärt ein Uni-Mitglied. Ein anderes sagt: „Die Stimmung ist nicht so Kunst-kritisch.“

Brandenburgs damalige Wissenschaftsministerin (SPD) war im Januar zwar mit großer Mehrheit zur HU-Präsidentin gewählt worden. Doch sogleich folgte ein Konflikt um die Wahl eines Vizepräsidenten. Kunst hatte ihre „leichte Präferenz“ für einen der beiden Kandidaten um das Amt Vizepräsident für Forschung bekundet, nämlich für den Amtsinhaber Peter Frensch. Dies war aber von manchen als zu späte Einmischung bewertet worden, auch von Frenschs Mitbewerber Jürg Kramer, der seine Kandidatur daraufhin zurückzog.

Wegen der Unstimmigkeiten hatte sofort auch Michael Kämper-van den Boogaart, Vizepräsident für Studium und Internationales, seine Kandidatur um eine zweite Amtszeit zurückgezogen. Das hatte aber zur Folge, dass wenig später auch Kämpers Mitbewerberin Julia von Blumenthal ihre Kandidatur niederlegte. Denn die Studierendenvertreter hatten erklärt, von Blumenthal schon deshalb nicht wählen zu wollen, weil ihnen nach dem Rücktritt Kämpers eine Auswahl fehle. Vizepräsidenten für Studium können an der HU aber nur gewählt werden, wenn mindestens ein Studierendenvertreter für sie stimmt. Kunsts Äußerung ihrer „leichten Präferenz“ beim Vizepräsidenten für Forschung hat also einen Dominoeffekt ausgelöst.

DAS AMT VIZE FÜR STUDIUM BESETZEN

Nach dem Rückzug der beiden Kandidaten im Februar hat die HU die Stelle wieder neu ausgeschrieben. Blumenthal sagt, dass sie wieder antreten will. Eine Gegenkandidatin oder ein Gegenkandidat wird noch gesucht. Ob Blumenthal die nötige eine von zehn studentischen Stimmen gewinnen kann, ist offen. „In der Position muss man viel moderieren“, sagt der Studierendenvertreter João Fidalgo. Er erlebe Blumenthal aber nicht als „Konsensfigur“. Die Studierenden würden sich jedenfalls nicht mit der Gegenkandidatur eines „Zählkandidaten“ begnügen, betont er. An der Humboldt-Universität hofft man, dass noch vor den Semesterferien im Juli gewählt werden kann. Bis dahin bleibt Vizepräsident Kämper im Amt.

DAS AMT VIZE FÜR HAUSHALT BESETZEN

Seitdem der langjährige Amtsinhaber Frank Eveslage im Jahr 2010 ausgeschieden ist, ist dieser wichtige Posten an der HU nur kurzfristig und kommissarisch besetzt gewesen. Vor einem Jahr platzte der Versuch einer Neuwahl. Bislang hatte die Suche nach weiteren Kandidaten aber keinen Erfolg. An der HU hofft man, dass Kunst schon jemanden im Blick hat: „In diese Frage wird nach Frau Kunsts Amtsantritt sicherlich Bewegung kommen“, sagt die Historikerin Gabriele Metzler. „Sie ist gut vernetzt und weiß, auf welche Kompetenzen es hier ankommt.“

An der HU hat man durchaus zur Kenntnis genommen, dass die FU gerade ihren langjährigen Kanzler Peter Lange nach seiner Pensionierung zeitnah ersetzt hat: mit der Ingenieurin Andrea Bör, Kanzlerin der Universität Passau. Lässt sich das Amt eines Kanzlers tatsächlich leichter besetzen als das stattdessen an der HU existierende Amt des Vizepräsidenten für Haushalt, wovon der scheidende HU-Präsident Olbertz überzeugt ist?

SICH ZUR KANZLERFRAGE POSITIONIEREN

Olbertz hatte die Einführung eines Kanzlermodells zur Schicksalsfrage der HU erklärt. Für eine Verfassungsänderung konnte er aber keine Mehrheit organisieren – „weil er die Frage so politisiert hat“, wie ein Humboldtianer sagt. Olbertz zog sich schließlich zurück. Sollte Kunst nun einen neuen Versuch starten? „Das will gründlich erwogen sein. Wir haben ja gesehen, zu welch starker Polarisierung das geführt hat“, sagt Metzler. „Wir müssen aber darüber nachdenken, wie wir die zentrale Verwaltung weiter verbessern können.“

Die Meinungen über die Notwendigkeit einer Reform gehen an der HU seit Langem auseinander. Im Präsidium der HU ist die Verantwortung für das Personal und die Finanzen auf die Ressorts der Vizepräsidenten aufgeteilt. Fehlt dadurch dem Vizepräsidenten für Haushalt der Überblick? Sollte seine Gesamtverantwortung gestärkt werden? Oder muss der Kanzler wieder eingeführt werden, den die HU vor 15 Jahren abgeschafft hat?

Der Kanzler würde nicht wie die Vizepräsidenten für fünf Jahre von der Uni-Basis gewählt, sondern für zehn Jahre vom Kuratorium bestimmt. Manche befürchten eine Machtkonzentration. Andere halten den Kanzler schon deshalb für nötig, um den Bewerberkreis zu vergrößern. Denn wechseln verbeamtete Kanzler als Vizepräsidenten auf den öffentlich-rechtlichen Sondervertrag der Humboldt-Universität, verlieren sie einen Teil ihrer Pensionsansprüche.

DIE VERWALTUNG REFORMIEREN

Das Zusammenspiel von dezentraler und zentraler Verwaltung gilt als verbesserungswürdig. Auch fehlt der HU ein strategisches Controlling, sagen Uni-Angehörige. Ferner könnten der Drittmittelhaushalt und der übrige Haushalt wegen technischer Probleme bislang nur schwer koordiniert werden. Die HU sei aber dabei, eine einheitliche Verwaltungssoftware einzuführen. Entscheidend sei jedenfalls, dass die Verwaltung der HU in Zukunft deutlich besser besetzt wird, damit sie ihre gewachsenen Aufgaben erfüllen kann, sagt ein Insider.

Günter Stock, der Vorsitzende von Berlins Einstein-Stiftung, früher Kuratoriumsvorsitzender der HU, rät Kunst bei der Verwaltungsreform zur Ruhe: „Sie sollte das angehen, aber langsam und in Kenntnis der beteiligten Personen.“ Aus der HU ist zu hören, dass darüber nachgedacht wird, eine Unternehmensberatung damit zu beauftragen, die Prozesse zu überprüfen.

EINEN STRUKTURPLAN ERSTELLEN

Die Humboldt-Universität muss festlegen, wie viele Professuren in den kommenden zehn Jahren auf welche Gebiete entfallen sollen. Angesichts der Mittelknappheit ein konfliktträchtiger Vorgang, den Kunst moderieren und steuern muss.

DIE LEHRE STÄRKEN

„Wir stehen im Spagat“, sagt Michael Kämper-van den Boogaart, Vizepräsident für Studium und Internationales. Zwar biete die Humboldt-Universität in speziellen Programmen „sehr innovative Lehrformate“ zum forschenden Studieren an. Im regulären Studium seien die „Erfolgsquoten“ in manchen Bereichen aber „extrem problematisch“. Zu viele fallen durch, brechen ab oder liegen weit über der Regelstudienzeit.

Vor neuen Herausforderungen sieht die Humboldt-Universität sich in der Lehrerbildung. Erwartet wird, dass der Senat bald noch weit höhere Absolventenquoten festschreibt, inklusive der Festlegung von Schulformen und Fächerkombinationen. Das wird weite Teile der Uni unter Druck setzen.

DIE FORSCHUNG STÄRKEN

„Es ist schwer, Frau Kunst hier Ratschläge zu geben“, sagt Günter Stock. Aber als ausgezeichnete Kennerin der Berliner Wissenschaftslandschaft werde sie bei der Vorbereitung der nächsten Exzellenzinitiative sicher eine wichtige Rolle spielen. Daneben könne sie die Uni-Forscher noch näher an das im Aufbau befindliche Berliner Institut für Gesundheitsforschung (BIG) heranbringen, damit es auch hier zu neuen Verbünden kommt. In den Geisteswissenschaften könne Kunst ebenfalls neue Verbünde stimulieren, „um die bestehenden Erfolgsspuren breiter zu machen“.

VIEL VOM LAND BERLIN HERAUSHOLEN

Wie die Berliner Universitäten in den vier Jahren nach 2017 finanziell ausgestattet werden, legt der Berliner Senat bald in neuen Hochschulverträgen fest. „Frau Kunst muss alles daransetzen, bei den Verhandlungen eine auskömmliche Grundfinanzierung zu erreichen. Nur so können die Universitäten ihre Aufgaben gut erfüllen“, sagt Metzler. Die Historikerin hatte vor einem Jahr gemeinsam mit dem Rechtswissenschaftler Martin Heger im Tagesspiegel einen viel beachteten Aufschrei veröffentlicht, um auf die Unterfinanzierung der Universität aufmerksam zu machen.

Aus Sicht von Wissenschaftssenatorin Scheeres könnte die Lage aber viel schlechter sein, hätte sie selbst bei den letzten Hochschulverträgen nicht so hart mit dem Finanzsenator verhandelt: „Beim letzten Mal konnten wir viel für die Hochschulen rausholen. Das Ergebnis lag über dem, was viele erwartet hatten“, sagt Scheeres auf Anfrage. Und sie stellt in Aussicht: „Auch bei den nächsten Verträgen wird es Steigerungen geben. Die Zeiten der Kürzungen sind vorbei.“ Vorgespräche mit den Universitäten werden bereits geführt.

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