Futurium kurz vor der Eröffnung: Ein teurer Klotz Zukunft
In Berlins Mitte ist ein Ort entstanden, an dem Besucher Zukunftsvisionen erleben können. Ein Besuch.
Glas, Stahl, harte Winkel, sanfte Kreise – so sieht die Zukunft aus, zumindest von außen. Am Berliner Alexanderufer, zwischen Hauptbahnhof und dem Gebäude des Bundesforschungsministeriums (BMBF), ist in den vergangenen vier Jahren ein beeindruckender Klotz entstanden, der nun auch innen zeigen soll, was er von außen verspricht. „Futurium“ steht da zu lesen, ein „Haus der Zukunft“, wie es vor der Umbenennung wörtlich bezeichnet wurde.
Die Idee: „In Ausstellungen und Veranstaltungen mögliche Szenarien für unser Leben in der Zukunft entwickeln und zeigen, welche Möglichkeiten Forschung und Innovation bieten.“ So hieß es anlässlich der Grundsteinlegung im Juni 2015 noch recht vage.
Wird es gelingen, das 58 Millionen Euro teure Gebäude mit ansprechenden Inhalten zu füllen? Werden die Skeptiker in den Wissenschaftsorganisationen, die es seit Beginn gab, weiterhin granteln? Oder machen sie ihren Frieden mit dem Futurium, werden am Ende gar Fans der neuen Einrichtung? Vor allem jedoch: Wie viele Besucherinnen und Besucher werden kommen, um sich über ihre Zukunft und die der Welt zu informieren und auszutauschen?
Zumindest die letzten beiden Fragen lassen sich erst nach dem 5. September beantworten, wenn das Futurium offiziell eröffnet wird. Die Inhalte indes wurden jetzt erstmals Journalisten vorgestellt.
Überraschend großzügig ist der Bau im Inneren. Im Treppenhaus hängen weiße Elemente scheinbar vom Himmel herab, die sich um ein imaginäres Zentrum wölben. „Tornado“ nennt sich die Installation, soll die fortwährende Beschleunigung darstellen, mit denen die Menschheit in den vergangenen 200 Jahren konfrontiert war und ist: der voranschreitende Klimawandel, die zunehmende Bevölkerungszahl, der rasant steigende Ressourcenverbrauch.
Über große Fragen diskutieren: Wie wollen wir leben?
„Wir Menschen sind zu einer gestaltenden Kraft auf der Erde geworden und haben damit eine Verantwortung“, sagt der Direktor des Futuriums, Stefan Brandt. „Wir brauchen Orte, wo Menschen zusammenkommen können, um über die große Frage zu diskutieren: Wie wollen wir leben?“
Der futuristische Bau im Zentrum Berlins (der Entwurf ist vom Architekturbüro „Richter Musikowski“) soll ein solcher Ort sein. Einmalig in Europa, wie Brandt hinzufügt. Noch. Denn in Kopenhagen oder Nürnberg sind weitere Zukunftshäuser geplant. Es sei gerade modern, sich mit der Zukunft zu beschäftigen.
Das Konzept von Brandt und seinem Team setzt auf Partizipation – also mitdenken, mitmachen, mitgestalten – und besteht aus drei Elementen: Denkräume, Debatte, Lab. Was sich etwa mit Ausstellungsfläche, Diskussion und Werkstatt übersetzen lässt.
Im ersten Stock werden vielfältige Themen vorgestellt, die zukunftsrelevant sind. Essen aus dem Labor zum Beispiel oder vertikale Bauernhöfe, die den Bedarf nach Nahrungsmitteln trotz knappem Platzangebot in Metropolen decken sollen. Oder Kernfusion als mögliche Energiequelle, nachwachsende Baustoffe und Kunststoffe aus der Natur.
Präsentiert werden die Themen auf großzügigen Flächen mit Videos und interaktiven Bildschirmen, Tablets für Augmented-Reality-Anwendungen stehen bereit und auch Anfassen ist hier und dort erlaubt und erwünscht. Die eingespielte „Zukunftsmusik“ kennt man von Raumfahrt-Museen – Geschmackssache.
Gleichwohl lässt sich das Ambiente durchaus als anregend beschreiben, man bekommt Lust darauf, über Zukunft nachzudenken und zu diskutieren. Hierfür sind etliche Veranstaltungen geplant, Diskussionen wie auch Workshops.
Der aktive Teil findet im „Lab“ statt. Hier können Besucher vom Grundschulalter an mit 3-D-Druckern und Laserfräsen arbeiten, Roboter programmieren und ihre Zukunftsideen in Greifbares umsetzen, heißt es.
Das "Haus der Zukunft" macht "sein Ding"
Der Erfolgsdruck ist groß, was sich auch aus der Vorgeschichte ergibt. Das „Haus der Zukunft“, wie es zunächst hieß, gilt als Idee der früheren Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU). Bei den Wissenschaftsorganisationen, die sich beteiligen und Gesellschafter mit einem Jahresbeitrag von bis zu 150.000 Euro werden sollten, war die Freude anfangs verhalten.
Üblicherweise gewinnen die Familien „Helmholtz“, „Leibniz“ oder „Max-Planck“ ihr Selbstbewusstsein aus sich heraus und wollen als solche auch in der Öffentlichkeit erkannt und geschätzt werden. Dass sie, gemeinsam mit weiteren Partnern, unter einem Dach zusammenrücken sollen, gefiel nicht jedem.
Zum anderen fragten sich etliche, wie genau die inhaltliche Ausrichtung aussehen soll, die weder bestehenden Museen noch anderen Formaten der Wissenschaftskommunikation Konkurrenz machen und zugleich viel Publikum anlocken soll. „Zähneknirschend“ hätten die Präsidenten schließlich zugestimmt, da mitzumachen, erzählt eine Person aus der Helmholtz-Gemeinschaft.
Die Wissenschaftsorganisationen seien zwar Gesellschafter der Futuriums, aber sie sähen es bis heute nicht als „ihres“ an, sondern als eine BMBF-Einrichtung. Diese Distanz habe auch damit zu tun, dass sich das Futurium „zugeknöpft“ gebe und „sein Ding“ mache.
„Wir sind programmatisch unabhängig und das ist auch den Gesellschaftern wichtig“, entgegnet Brandt. Auf fachlicher Ebene arbeite man gut zusammen und nutze zum Beispiel Exponate.
Das große Grummeln ist vorüber
„Das große Grummeln aus früheren Jahren ist vorüber, aber neben der Spannung gibt es auch einige Skepsis“, erzählt eine weitere Person aus der Berliner Wissenschaftsszene. „Ob so ein künstlich hingestelltes Zukunftsmuseum von der Bevölkerung angenommen wird, ist völlig offen – aber entscheidend für den Erfolg.“
Die Science Gallery der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) etwa, die im Wissenschaftsforum am Gendarmenmarkt untergebracht war, erwies sich als Flop und wurde 2014 wieder abgebaut. Beim Futurium ist die MPG aber mit dabei, ebenso wie die Helmholtz- und die Leibniz-Gemeinschaft, Fraunhofer oder die Leopoldina.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ist nicht beteiligt. Im März 2013 stimmte der Senat, das Gremium der Wissenschaft, einstimmig dagegen. Weil das Konzept nicht überzeugte, weil Konkurrenz mit eigenen Aktivitäten und auch denen in den einzelnen Ländern befürchtet wurden, und nicht zuletzt weil man angesichts knapper Drittmittel zu jener Zeit lieber Geld in die Forschung als in die Kommunikation darüber geben wollte.
Dieser Empfehlung folgte der Hauptausschuss, wo auch die Geldgeber aus Bund und Ländern beteiligt sind, und stimmte abschließend gegen eine Beteiligung. Ob die DFG künftig mitmacht – das Futurium sucht weiter Gesellschafter –, ist offen. Im Januar übernimmt die neue Präsidentin Katja Becker die Geschäfte von Peter Strohschneider.
[Ab dem 5. September um 20 Uhr beginnt das Eröffnungswochenende mit Programm für alle Interessierten: Ausstellung, Werkstatt, Diskussionen, Musik. Eintritt frei. Mehr Infos: www.futurium.de]
Das Ziel: 200.000 Besucher im Jahr
Bei der Akademie der Technikwissenschaften acatech ist man optimistischer. „Wir unterstützen gemeinsame Initiativen und neue Ansätze der Wissenschaftskommunikation. Wir sind daher sehr offen für das, was am Futurium geplant ist, und unterstützen dies“, sagt Christoph Uhlhaas, Sprecher der Akademie der Technikwissenschaften acatech. „Die Zukunft muss zeigen, welche Ideen funktionieren, aber die Ansätze des Futuriums als öffentlicher Denkraum sind allemal den Versuch wert.“
Das selbstgesteckte Ziel des Futuriums lautet, nach einem dreijährigen Anlauf auf 200.000 Besucher im Jahr zu kommen. Angebote für Familien und Schulklassen sowie der kostenfreie Eintritt werden dazu beitragen. Damit fällt jedoch eine wichtige Einnahmequelle weg. Die jährlichen Kosten von 18,9 Millionen Euro müssen die 15 Gesellschafter tragen, wobei das BMBF den größten Anteil übernimmt.