Unwetter in Berlin: Ein Kreisel voller Regen
Warum kam es in Berlin und Brandenburg in der Nacht zu Freitag zu wahren Sturzfluten? Die Ursache war ein träges Tiefdruckgebiet.
Viele werden über den Berliner „Jahrhundertregen“ ungläubig gestaunt haben. Stundenlang prasselte es heftig auf die Stadt herab, überschwemmten die Fluten Straßen und Keller. Wie die Berliner Wasserbetriebe mitteilten, fielen in Spandau und Wilmersdorf seit Donnerstagmittag – also seit Beginn des Unwetters – 150 Liter pro Quadratmeter. Im ganzen Jahr summieren sich die Niederschläge in der Stadt auf durchschnittlich 580 Liter pro Quadratmeter. In 18 Stunden war in Teilen Berlins also mehr Nass vom Himmel gekommen als in einem Vierteljahr. In Oranienburg, nordwestlich von Berlin gelegen, wurden gar 260 Liter gemessen. Nach einem warmen und trockenen Juni nun das feuchte und kühle Finale. Wo aber kam nur dieses ganze Wasser her?
Vor allem aus dem Südwesten und Norden, lautet die Erklärung der Meteorologen. Ursache des Dauergusses war ein eher „unscheinbares“ Tiefdruckgebiet über der Region, wie Gerhard Lux vom Deutschen Wetterdienst in Offenbach erklärt. In diese als „Trog“ bezeichnete träge Tiefdruckzone drang von Südwesten warme Luft ein, unter die sich keilförmig von Norden kühlere und schwerere Luftmassen schoben.
Warme Luftschichten erzeugen den Regen
Mit zwei Konsequenzen: Zum einen bildeten sich in den „angehobenen“ warmen Luftschichten Wolken und in der Folge Regen. Zum anderen formte sich ein Kreisel aus Luftströmungen, der dem „Trog“ Dauer verlieh. „Ein Kreisel, der erst einmal Schwung hat, dreht sich eine Weile“, sagt Lux. Die Folge: scheinbar unerschöpflicher und „kreisender“ Dauerregen. „Immer dann, wenn viele Dinge dumm laufen“, entstehe so eine Situation, sagt Lux. In den Grenzbereichen von warmen und kalten Luftschichten können sich zudem Gewitter bilden. Sie verstärken den Regen, auch Hagel kann hinzukommen.
Ähnliche Wetterlagen beim Oder- und Elbe-Hochwasser
Die Wetterlage in der Nacht zum Freitag ähnelte derjenigen, die 1997 zum Oder-Hochwasser und 2002 zur Elbe-Flut führte. Doch hatten die damaligen „Vb“-Wetterlagen (sprich „Fünf-b“-Wetterlagen) ein größeres Ausmaß und einen anderen Entstehungsort. Von Vb-Wetterlagen spricht man bei Tiefdruckgebieten, die über Westeuropa zunächst weit nach Süden abgedrängt werden, südlich der Alpen weiterziehen und sich dann nach Norden wenden. Sie nehmen also einen u-förmigen Verlauf, regnen sich in Richtung Norden ab und können zu extrem starken Niederschlägen und Hochwasser führen, weil sie viel Feuchtigkeit mit sich bringen. Über Berlin und Brandenburg entspannt sich die Situation in den nächsten Tagen. Das Tiefdruckgebiet zieht nach Nordwesten. Trotzdem ist für den heutigen Sonnabend noch Regen zu erwarten, im Süden mit Schauer und Gewittern. Es bleibt stark bewölkt bis bedeckt, die Temperaturen gehen von 18 bis 22 Grad auf zwölf bis 14 Grad in der Nacht zurück.
Eine App warnt vor schlechtem Wetter
Beim Deutschen Wetterdienst (DWD) verweist man darauf, dass die Katastrophen-Vorhersage in den vergangenen Jahren deutlich verbessert werden konnte, auch wenn sie noch nicht Prognosen für einzelne Berliner Bezirke erstellen kann. Der DWD hat eine kostenlose „Warnwetter-App“ entwickelt, mit der sich jeder digital über aktuelle Wetterrisiken informieren kann. Wie weit die unentgeltliche Information der Bevölkerung durch den staatlichen DWD gehen kann, ist jedoch umstritten. Private Wetterdienste befürchten, dass ihr Geschäftsmodell zerstört wird. Am 22. <SB320,100,230>Juni beschloss der Bundestag, dass der DWD entgeltfrei Warnungen an die Allgemeinheit herausgeben kann. Allerdings geht die Freigabe von Daten nicht so weit wie ursprünglich geplant.