Evolution: Ein einzelnes Gen ist für die Streifen der Buntbarsche verantwortlich
Bei den Fischen läuft die Evolution besonders schnell ab. In wenigen tausend Jahren entstanden 500 neue Arten. Ein markantes Merkmal sind horizontale Streifen. Woher sie kommen, erklären jetzt Forscher aus Konstanz.
Manchmal läuft die Evolution im Zeitraffer ab. Normalerweise entstehen neue Arten in Hunderttausenden von Jahren, im Victoriasee in Ostafrika hingegen haben sich in weniger als 15 000 Jahren rund 500 neue Arten von Buntbarschen entwickelt. Über eine mögliche Ursache für das hohe Tempo berichten Frederico Henning, Axel Meyer und Kollegen von der Universität Konstanz jetzt im Fachblatt „Molecular Ecology“. Demnach ist nur eine einzige Erbinformation nötig, um waagrechte dunkle Streifen auf den ansonsten oft recht bunten Körper von Buntbarschen zu zeichnen.
Der See ist knapp 15000 Jahre alt
Die heutige Buntbarsch-Vielfalt gründet sich auf wenige Arten. Sie erreichten das am Ende der letzten Eiszeit trocken gefallene Gewässer vor höchstens 14 700 Jahren, als sich der Victoriasee wieder zu füllen begann. Vermutlich hatten diese senkrechte Streifen, zur Tarnung. In den Augen eines Angreifers verschwimmt dieses Muster vor den senkrechten Stängeln von Unterwasserpflanzen.
In dem See, der etwa die Größe Bayerns hat, gibt es sehr unterschiedliche Regionen mit Felsen oder Sandküsten. Die Fische passten sich an diese Lebensräume an und bald gab es für jede ökologische Nische eine eigene Art, von denen die meisten ihre senkrechten Streifen behielten. Einige Tiere begannen sich im offenen Wasser zu Schwärmen zusammenzuschließen, wohl auch um Räubern ihre Attacken zu erschweren. Denn in einem auseinanderstiebenden Schwarm fällt es schwer, sich auf eine Beute zu konzentrieren. Diese Fische haben oft zwei waagrechte dunkle Streifen.
Nur ein einzelnes Gen ist verantwortlich für das Muster
Um die Ursache für die verschiedenen Muster zu finden, brachten die Forscher ein Männchen mit senkrechten mit fünf Weibchen einer anderen Art mit waagrechten Streifen zusammen. Bald schwammen Jungtiere in den Aquarien, von denen keines waagrechte Streifen hatte.
Aus dieser Generation bildeten die Forscher verschiedene Gruppen mit jeweils einem Männchen und mehreren Weibchen. Von 171 Nachkommen aus diesen Gruppen hatten 41 Tiere horizontale Streifen, 130 dagegen fehlten diese. Das ergibt ein Verhältnis von 1 : 3 – also jene Zahlenkombination, aus der bereits im 19. Jahrhundert Gregor Mendel auf einen „rezessiven Erbgang“ mit einer einzigen Erbeigenschaft schloss.
Bezogen auf die Fische heißt das: Horizontale Streifen gibt es nur, wenn die Tiere von Vater und Mutter dieses „Horizontalstreifen-Gen“ erben. Da in der ersten Generation diese Erbeigenschaft zwar von der Mutter kam, aber vom Vater fehlte, hatte keines der Tiere horizontale Streifen. Jeder der Nachkommen konnte nun entweder das noch vorhandene Horizontalstreifen-Gen weitergeben oder dessen Gegenstück vom Vater. Ein Viertel der Enkelgeneration sollte daher zweimal das Großvater-Ohne-Horizontalstreifen-Gen haben, die Hälfte müsste von beiden Erbeigenschaften je eine haben und das letzte Viertel sollte zwei Gene für Horizontalstreifen von der Großmutter haben. Nur diese haben dann auch tatsächlich die waagrechten schwarzen Streifen am Körper.
Möglicherweise haben Buntbarsche weitere "Schlüssel-Erbeigenschaften"
Dieses eine Gen kreisen die Forscher jetzt im Erbgut ein. Es muss sich um eine von 15 Erbeigenschaften auf einem Teil von Chromosom 17 handeln, sagt Meyer. Eines davon heißt „Hagomoro“ und wird für die Streifen der Zebrafische benötigt. Das ist einer der heißen Kandidaten für die gesuchte Erbeigenschaft. „Wenn nur ein einzelnes Gen eine solche grundlegende Änderung im Aussehen der Buntbarsche verursacht, könnte das auch der Schlüssel für die Evolution im Zeitraffer der Tiere sein“, sagt Meyer. Möglicherweise haben die Buntbarsche noch mehr solcher Schlüssel-Erbeigenschaften, die in kurzer Zeit verschiedene Arten entstehen lassen.
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