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Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der Charité in Berlin, fordert eine bessere Tier-Überwachung als Schutz vor neuen Viren.
© Markus Schreiber/AP POOL/dpa

Woher kommen Pandemien wie Covid-19?: Drosten betont Tier-Überwachung als Schutz vor neuen Viren

Das Konzept „One Health“ des Entwicklungsministeriums soll neue Pandemien verhindern. Virologe Christian Drosten schlägt vor, bei der Tierhaltung anzusetzen.

Christian Drosten ist der wohl meist zitierte Experte in Deutschland, wenn es um aktuelle Entwicklungen der Covid-19-Pandemie und der weiteren erwarteten Verbreitung der Infektionskrankheit geht.

Auf dem World Health Summit in Berlin konnte der Direktor des Instituts für Virologie der Charité in Berlin heute etwas weiter ausholen und zum Ursprung der Krankheit referieren.

Die übereinstimmende Botschaft der Expertinnen und Experten in dieser Paneldiskussion: Wo Sars-CoV-2 herkommt, könnte es noch viele weitere Erreger möglicher Pandemien geben.

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„One-Health“-Schwerpunkt

Zur Diskussion hatte das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung eingeladen. Ziel war es, Maßnahmen aus dem aktuellen Wissensstand abzuleiten, mit denen solche neuen Pandemien verhindert oder eingedämmt werden könnten.

Als Leitfaden soll dabei das Konzept „One Health“ dienen, das Konzept einer gemeinsamen Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt, die nur in allen drei Bereichen zugleich geschützt werden könne. Klimawandel, steigende Mobilität, das Vordringen des Menschen in unberührte Lebensräume, industrielle Landwirtschaft und Nutztierhaltung führten jedoch dazu, dass sich Krankheitserreger schneller ausbreiten können.

Minister Müller kündigte daher heute den Aufbau eines „One-Health“-Schwerpunkts an, teilte das BMZ mit. Aus dem Corona-Sofortprogramm werden 30 Millionen Euro für gezielte Pandemieprävention und internationale Zusammenarbeit eingeplant. Konkret geht es um ein Pandemiezentrum in Kenia und die Früherkennung von Tierkrankheiten, die in der Nahrungsmittelproduktion auf Menschen überspringen.

Krankheiten von Haustieren

„Es gibt keine besondere Barriere zwischen Tier und Mensch“, berichtete Thomas Mettenleiter, Präsident des Friedrich-Loeffler-Instituts für Tiergesundheit in der Paneldiskussion. Erregern sei es „egal“, ob sie ein Tier oder einen Menschen vor sich hätten. Weltweit gibt es über 200 zoonotische Krankheiten, zwei Drittel der menschlichen Infektionskrankheiten stammen ursprünglich von Tieren.

Auf diesem Wildtiermarkt in Guangzhou werden Larvenroller für den Verzehr durch Menschen gehandelt.
Auf diesem Wildtiermarkt in Guangzhou werden Larvenroller für den Verzehr durch Menschen gehandelt.
© picture-alliance/dpa/dpaweb

„Jeder dritte Mensch auf der Erde erkrankt einmal im Jahr an einer zoonotischen Infektion“, sagt Mettenleiter. Dazu gehören Tropenkrankheiten wie Wurminfektionen und Magen-Darm-Krankheiten aber auch Tollwut, Ebola und Aids. Etwa 2,7 Millionen Menschen sterben jedes Jahr weltweit an Zoonosen.

Meist waren es Haustiere, von denen Erreger ursprünglich auf Menschen übertragen wurden. „Dort ist der Kontakt am engsten und die Wahrscheinlichkeit eines Überspringens am größten“, sagte Mettenleiter und nannte historische Beispiele: Die Spanische Grippe stammte aus einem US-amerikanischen Schweinestall, die Hongkonggrippe wahrscheinlich aus einer Geflügelhaltung in Asien und die Schweinegrippe aus einem Stall in Mexiko.

Zwischenüberträger von Viren

Die aktuelle Corona-Pandemie zeigt, wie aus einem lokalen Ausbruch mit Ursprung im Tierreich eine Pandemie wurde. „Wenn wir die ersten Fälle betrachten, sehen wie eine gemeinsame Geschichte mit dem Ausbruch von Sars im Jahr 2003“, berichtete Christian Drosten. Die ersten infizierten Menschen in China arbeiteten alle auf Märkten, auf denen Tiere gehandelt wurden, oder Restaurants, in denen solche Tiere zum Verzehr zubereitet wurden.

„Wir wissen vom damaligen Ausbruch, dass Raubtiere ein Brückenreservoir waren“, sagt Drosten. Die Viren wurden von Wildtieren, im Fall der Sars-Erreger wahrscheinlich Fledermäusen, zunächst auf andere Tiere übertragen. Dazu gehörten Larvenroller, die wegen ihres Fleisches gehandelt werden und Marderhunde, die als Pelztiere gehalten werden. Von diesen Raubtieren gelangten die Viren wahrscheinlich zum Menschen.

„Vom Menschen gehaltene Tiere sind ein wichtiges Reservoir für Viren mit pandemischen Potenzial“, sagte Drosten. Die Gesundheit dieser Tiere zu überwachen sei noch wichtiger, als die Gesundheit von gehandelten Wildtieren zu überwachen. Es sei richtig, dass Erreger von Wildtieren stammten, „aber unsere beste Handhabe liegt bei den Zwischenüberträgern“, sagt Drosten. Es gebe belastbare Hinweise darauf, dass es sich dabei oft um Nutztiere handelt. „Die Tierhaltungen besser zu überwachen könnte der nächste Schritt sein, dem Auftreten neuer Pandemien zu begegnen“, sagte Drosten.

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