Die dunklen Geheimnisse der „Dunklen Gesellen“: Flugsäuger sind als Virenreservoirs nicht ausreichend untersucht
Mehrere Epidemien bei Menschen gehen auf Fledermäuse zurück. Wie groß die Gefahr ist, dass Erreger überspringen, wird aber erst erforscht.
„Aus allen Ritzen, Höhlen und Löchern hervor kriecht eine düstere nächtige Schar“, schrieb Alfred Brehm im 19. Jahrhundert in seinem „Tierleben“ über Fledermäuse. Er bescheinigt ihnen auch positive Eigenschaften, wie hochentwickeltes Denkvermögen und Hilfsbereitschaft gegenüber Artgenossen, aber die Tiere hatten offenbar damals schon ein Imageproblem: „Je mehr die Dämmerung hereinbricht, umso größer wird die Anzahl dieser dunklen Gesellen“, heißt es weiter.
Heute gelten Fledermäuse als die ursprünglichen Überträger von mehreren Viren auf den Menschen. Die ausgelösten Zoonosen werden aufgrund ihrer Verbreitungsmuster oder genetischer Ähnlichkeiten der bei Mensch und Tier nachgewiesenen Erreger mit Fledermäusen in Verbindung gebracht: Covid-19, Tollwut, Ebola, die Atemwegserkrankungen Sars und Mers und Infektionen mit Nipah-Viren, die beim Menschen lebensbedrohliche Entzündungen des Gehirns verursachen können.
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Röteln als Zoonose
Möglicherweise gehört das Rötelnvirus dazu, dessen Herkunft bislang ungeklärt ist, berichtet ein deutsch-amerikanisches Forscherteam in „Nature“. In Uganda waren die Wissenschaftler eigentlich auf der Suche nach Coronaviren bei dort heimischen Zyklopen-Rundblattfledermäusen. Dabei entdeckten sie ein Virus, das dem menschlichen Röteln-verursachendem Rubellavirus nahe verwandt ist, und benannten es Ruhugu-Virus. Die Forschenden berichten von einer „identischen Architektur des Erbguts“.
„Damit ist das Rötelnvirus mehr als 200 Jahre nach der Erstbeschreibung nicht mehr der alleinige Vertreter einer ganzen Virusfamilie“, wird Martin Beer
vom Friedrich-Loeffler-Institut (FLI), der die Studie leitete, in einer Mitteilung zitiert.
Röteln sind eine wegen geringer Impfraten vor allem in Afrika und Südostasien verbreitete Infektionskrankheit. Infizieren sich Schwangere, kann das Ungeborene geschädigt werden oder sterben. Die Weltgesundheitsorganisation hat sich die Ausrottung des Virus zum Ziel gesetzt. Das Wissen über den Ursprung des Rötelnvirus könne einen wichtigen Beitrag leisten, sagen die FLI-Forschenden.
Unbestätigte Verdachtsmomente
Aber wie steht es um Viren von Fledermäusen, die noch nicht auf den Menschen übergesprungen sind, das aber künftig tun könnten? „Zu verhindern, dass Zoonosen von Fledermäusen ausgehen, erfordert umfassende Forschung“, meinen Daniel Streicker von der Universität Glasgow und Amy Gilbert vom Landwirtschaftsministerium der USA.
Wie sie in „Science“ berichteten, wird angenommen, dass unter Fledermäusen mehr und vielfältigere Viren kursierten als in anderen Tiergruppen, ohne dass die Tiere selbst erkrankten. Auch, dass diese Viren vergleichsweise leicht auf Menschen übertragen werden können, ist eine verbreitete, aber bislang nicht belegte These.
Ein Grund dafür, dass Fledermäuse resistenter gegenüber Virusinfektionen sind, könnte in ihrer Flugfähigkeit liegen. Diese bedingt, dass nur relativ wenige Jungtiere pro Wurf geboren werden, die auch im Flug transportiert werden können. Bei den meisten Arten sind es nur eines oder zwei.
Anstelle der Wurfgröße kommt es also auf die Lebensdauer an, die über die Anzahl der Nachkommen entscheidet. Langlebigkeit wird nach gängiger Vorstellung durch die Unterdrückung von Tumoren und Entzündungen unterstützt und das könnten die gleichen Anpassungen sein, die auch die Folgen von Viruserkrankungen begrenzen. Dadurch könnten sich in der Evolution Viren entwickelt haben, die, einmal übertragen, anderen Wirten als Fledermäusen gefährlicher werden.
Landnutzung und Jagd
Dass diese Viren jedoch besonders leicht auf Menschen überspringen sei unwahrscheinlich, schreiben Streicker und Gilbert. Zwar zeigten Analysen, dass Fledermäuse wahrscheinlicher als andere Tiere mit Viren infiziert sind, die auch Menschen infizieren können. Die Vielfalt der Viren, die unter Fledermäusen übertragen werden, sei aber nicht größer, und die Anzahl ausgelöster Zoonosen stünde in einem ähnlichen Verhältnis zur Anzahl der Arten wie in anderen Tiergruppen.
„Ob Viren von Fledermäusen auf Menschen übertragen werden, ist schwer vorherzusagen“, urteilen die Autoren. Wie es sich auswirkt, dass Menschen natürliche Lebensräume von Fledermäusen veränderten und die Tiere für Handel oder Ernährung oder auch aus Angst jagten, sei bislang nicht ausreichend untersucht. Angesichts der Kosten der Covid-19-Pandemie sei der Bedarf für Forschung offensichtlicher denn je.
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