Umstrittenes Hochschulgesetz in Ungarn: Drohendes Aus für CEU-Uni führt zu diplomatischen Verwicklungen
Ungarn reagiert auf die Kritik von Bundespräsident Steinmeier am neuen Hochschulgesetz. Die Regierung bestellt den deutschen Botschafter ein. Die Leibniz-Gemeinschaft appelliert an Ungarns Regierungschef.
Im Streit um die Zukunft der Central European University (CEU) hat Budapest die Diplomaten Deutschlands und der USA einbestellt. Das berichtet die Deutsche Presseagentur. Damit reagiere Ungarn auf die Kritik von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und des US-Außenministeriums am Umgang mit der CEU.
Ein am Dienstag vom ungarischen Parlament gebilligtes Gesetz verlangt, dass ausländische Hochschulen in Ungarn auch immer einen Sitz im Ausland haben müssen. Dies ist bei der 1991 von dem ungarischstämmigen US-Milliardär George Soros gegründeten und privat finanzierten Hochschule nicht der Fall. Tritt das Gesetz in Kraft, darf die CEU vom kommenden Jahr an keine neuen Studierenden aufnehmen. Aktuell sind dort 1400 Studierende aus 100 Ländern eingeschrieben.
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hat sich in der Vergangenheit über die CEU - und über ihren Gründungsvater - immer wieder unfreundlich geäußert. Auch hat seine Regierung erklärt, die CEU genieße bisher ungerechtfertigte Privilegien. Orban kündigte an, mit der US-Regierung über die Zukunft reden zu wollen: „Wir werden mit den Amerikanern verhandeln, damit sie sagen, was sie wollen“, sagte er am Montag vor Journalisten im Budapester Parlament.
Die EU-Kommission will sich laut dpa in der kommenden Woche mit dem Fall befassen. EU-Kommissarin Margrethe Vestager sagte demnach, zunehmende nationalistische Tendenzen machten ihr Sorgen.
In der Wissenschaft hat die Bedrohung der CEU massive Proteste ausgelöst. Am Sonntag und am Dienstag hatten in Budapest mehrere tausend Menschen demonstriert. Mehr als 500 renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, unter ihnen 17 Nobel-Preisträger, haben sich in einer Petition für die Erhaltung der CEU ausgesprochen. Deutschlands Wissenschaftsrat und die Junge Akademie treten ebenfalls öffentlich für die CEU ein.
Leibniz-Chef Matthias Kleiner: "Es gilt, bleibende Schäden abzuwenden"
Am Mittwoch meldete sich auch die Leibniz-Gemeinschaft zu Wort. Ihr Präsident Matthias Kleiner wendet sich in einem Brief (datiert vom 4. April) direkt an Ministerpräsident Viktor Orban: "Ich bitte Sie dringend darum, ihr Gesetzesvorhaben mit Blick auf die Folgen für die ungarische Wissenschaft in ihrem europäischen Kontext zu überdenken", schreibt Kleiner. Es gelte, "bleibende Schäden" von den wissenschaftlichen Beziehungen zwischen Ungarn und Deutschland abzuwenden, die auch für die Leibniz-Gemeinschaft essentiell seien. Stattdessen sollten die bestehenden Verbindungen ausgebaut werden (der Brief im Wortlaut hier).
Kleiner beschreibt die CEU in seinem Brief als "hoch respektierte und sehr wichtige Partnerin" für mehrere Leibniz-Institute und für die deutsche Wissenschaft. Die Existenz dieser "hoch angesehenen Institution" sei nun durch die Gesetzesänderung gefährdet und damit eine entscheidende Komponente der deutsch-ungarischen Zusammenarbeit in der Wissenschaft.
Der Leiter der Central European University (CEU) in Budapest, Michael Ignatieff, sagte der "Zeit": „Egal, was geschieht, die Central European University wird auf keinen Fall schließen. Wir machen weiter. Das sollen auch die deutschen Studenten wissen, die sich beworben haben.“ Einen Campus in ihrem faktischen Heimatland, den USA, will Ignatieff aber nicht eröffnen: „Der Aufwand wäre immens. Dieser Teil des Gesetzes ist pure Schikane und zeigt, dass die Änderungen sich vor allem gegen unsere Universität richten“, erklärte er.